flip-Joker_2021-06
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KUNST KULTUR JOKER 9
Schreibexperimente und Glassammlungen
Die erste Biennale Freiburg mit zwei ungewöhnlichen Publikumsformaten im Juni
Seit Mai sorgt die erste Biennale
Freiburg für ungewöhnliche
Kunstinitiativen im ganzen
Stadtraum. Freiburg wird bis
Oktober zum Experimentierfeld
und Diskussionsgegenstand
verschiedener Künstler*innen
und ihrer Projekte. Und auch die
Bewohner*innen sind eingeladen
mitzuwirken. Im Juni bieten sich
dafür zwei Gelegenheiten: Sarah
Lehnerers, Inka Meißners und
Jackie Grassmanns Projekt„A
Day’s Work“ und Andreas von
Ows “Zwischen dem Pflaster
liegt der Strand! A slow walk for
a green (Freiburg)“.
18. Juni, 11–15 Uhr im Musikpavillon
im Stadtgarten. Leitende
sind Inka Meißner und Sarah
Lehnerer. Hier stehen die Teilnehmenden
vor dem berühmten
leeren weißen Blatt und stellen
sich Fragen nach dem Beginn
des Schaffens aus dem Nichts.
Mit Blick auf Material aus dem
Tagebucharchiv Emmendingen
werden die Anfänge von Texten
Anderer verglichen, diskutiert
und selbst welche versucht. Ein
steter Dialog, der auf die Offenheit
und Kreativität der Schreibanfänge
zielt. Abends wird ein
Gastvortrag von Keren Cytter in
Texte ergründen unter anderem,
wie Krankheit, Spiritualität, Prozesse
künstlerischen Arbeitens,
Biografisches und Begegnungen
mit Freund*innen und Fremden
auf das Schreiben einwirken. Die
Veranstaltung ist bi-lingual auf
deutsch und englisch und stellt die
Texte auch in gedruckter Version
zum Mitlesen zur Verfügung.
Beide Workshops und Veranstaltungen
sind inklusiv und teilweise
barrierefrei. Jede*r ist willkommen.
Geschlechtsneutrale
Toiletten sind leider nicht vorhanden.
Die Veranstalter*innen können
bei speziellen Bedürfnissen
gerne vorab kontaktiert werden,
damit etwaige Vorkehrungen getroffen
werden können.
„Zwischen dem Pflaster liegt
der Strand! A slow walk for a
green (Freiburg)“
Zu einem speziellen Spazier-
träger mehrschichtig
zu einer Farbmalerei
aus dem Grün
in all seinen Facetten
verdichtet. Hier
bekommt die Farbe
nun ihren Körper,
das Grün bekommt
sein „Fleisch“. Dieses
Werk wird in
der Ausstellung zur
Biennale öffentlich
zu sehen sein. Aber
bereits zuvor, im
Studioprogramm
der Biennale beginnt
das künstlerische
Experiment.
Der Blick der Spazier-gänger*innen
ändert sich und
Fragen tauchen auf: „Wie wandelt
sich der eigene Blick auf
das Stadt- und Landschaftsbild,
wenn man auf ‚Grün‘ fokussiert
Andreas von Ow: „Haus Pfeffermann,
Indigoblau, Rubinrot
(Rhön) 2017-2
Foto: Andreas von Ow
Sarah Lehnerer: „A Day‘s Work“, 2021, glazed ceramic,
ca. 30 x 30 cm,
Foto: Sarah Lehnerer
„A Day‘s Work“
„Formen eines zunächst
nicht-zweckorientieren, intimen
Schreibens“ zu hinterfragen, ist
Motivation des Projekts „A Day‘s
Work“ und entspricht damit dem
Studioprogramm, das den ersten
Teil der Biennale kennzeichnet.
Die Künstler*innen dahinter haben
bereits eine umfangreiche
Recherche im Deutschen Tagebucharchiv
Emmendingen
hinter sich und bringen die dort
gefundene Inspiration nun in
Workshops ein, die das Schreiben
auf der Schwelle zwischen
alltäglicher Notation und künstlerischer
Produktion untersuchen
sollen. Durchaus persönlich wird
es dabei, denn Schreibsituationen
bietet unser Alltag genug. Und
manchmal wird aus der Routine,
Dinge zu notieren ein künstlerischer
Akt. Begleitet werden die
Workshops durch eine Installation
von Sarah Lehnerer bestehend
aus gemalten Raumteilern und
Nutzgegenständen, Keramik-Möbeln
und Schreib-Equipment. Die
räumliche Installation „A Day‘s
Work“ wird im September die
Ergebnisse der Workshops neben
der raumgreifenden Kunst Lehnerers
als Teil des Ausstellungsparcours
der Biennale präsentiert.
„Zimmer ohne Wände“ ist der
Titel des ersten Workshops am
englischer Sprache die Simulation
einer Probe ihrer aktuell entstehenden
Performance durch zwei
Laienschauspielerinnen im Literaturhaus
Freiburg inszenieren.
Keren Cytter lässt das Publikum
die Entstehung live mitverfolgen
und vergleicht sie am Ende mit
der aufgezeichneten Version der
Original-Performance. Diese
Veranstaltung findet in englischer
Sprache statt.
„Echos als Antwort“ ist der
zweite Workshop, unter der Leitung
von Jackie Grassmann und
Sarah Lehnerer am 02. Juli, 11-15
Uhr im Musikpavillon im Stadtgarten.
Dabei stellen die Teilnehmenden
Fragen an ihre Gegenüber
oder andere Bezugspunkte
ihres Schreibens. Mithilfe ausgewählter
Textfragmente wird der
Versuch unternommen, herauszufinden,
welche Kräfte, Echos, Gegenstände
oder andere Elemente
jenseits des Autor*innen-Ichs die
treibende Kraft des Schreibens
sind und welche Formen dadurch
entstehen. Kleine Schreibübungen
experimentieren damit,
diesen Kräften explizit Raum im
Schreiben zu geben. Am Abend
desselben Tages wird es eine öffentliche
Lesung aus dem neuen
Buch der Künstler*in Johanna
Hedva „Minerva: The Miscarriage
of the Brain“ geben. Hedvas
gang lädt der Künstler Andreas
von Ow am 26. Juni, 11 Uhr ein
(Treffpunkt: Musikpavillon im
Stadtgarten). Gewitzt steht darüber
der Titel „Zwischen dem Pflaster
liegt der Strand! A slow walk
for a green (Freiburg)“ – und der
ist Programm! Der Spaziergang
führt je ein Paar in unterschiedliche
Gebiete der Stadt, auf der
Suche nach Grün in Form von
Glas. Dieses stellt für Andreas
von Ow, genauso wie andere Materialien
wie etwa Katzenaugen,
Rücklichter und Bohrstaub oder
Organisches wie Lingusterbeeren
und Hollunderblütensaft, das
Ausgangsmaterial für die Farben
seiner Malerei dar. In Freiburg
werden die wertvollen Rohlinge
für die Grünpigmente aus dem
Umfeld, dem Stadtbild, entnommen.
Das Sammelgut wird von
Andreas von Ow zu Pigment in
verschiedenen Korngrößen weiterverarbeitet,
mit Bindemittel
angereichert und auf einem Bild-
ist? Was erzählen die Spuren von
grünem Glas über den Ort? Was
passiert mit unserem Farbsehen
und mit unserer Wahrnehmung
der Umgebung? Und was bedeutet
es uns schließlich, sich für die
Kunst in einer Gesellschaft einzusetzen?“
Gesprächsstoff und -bedarf
ist also gegeben, daher gibt
es um 17 Uhr auch eine Kollekte
der gesammelten Fundstücke,
Farbeindrücke, Gespräche und
gemeinsamen Reflexionen bei
einem Umtrunk im Stadtgarten.
Aber auch zwei Tage vorab wird
der Künstler seine künstlerische
Arbeit vorstellen. Über Uhrzeit
und Ort informiert die Website
der Biennale.
Weitere Informationen auf
der Website der Biennale für
Freiburg und in den kommenden
Ausgaben des Kultur Joker.
www.biennalefuerfreiburg.de
Anmeldung für die Veranstaltungen
unter: anmeldung@biennalefuerfreiburg.de
Andreas von
Ow: „Zwischen
dem Pflaster
liegt der Strand,
a slow walk for
a green (Freiburg)“,
Arbeitsprozess,
2021
Foto:
Andreas von Ow