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18 KULTUR JOKER VISION

Zur Vielfalt der Kultur in

Freiburg zählen die Orte, an

denen sich etwas ereignet. Seit

Ende 2020 ist die ehemalige Gaskugel

der Badenova im Gewann

Betzenhausen für eine neue Nutzung,

anstatt eines Abrisses, in

der Debatte. Martin Flashar

sprach mit der Initiatorin des

Vorhabens Heike Piehler.

Kultur Joker: Liebe Frau Piehler,

wie entstand die Idee zu dem

Gaskugel-Projekt?

Heike Piehler: Es ging darum,

die Kugel vor dem Abriss zu bewahren

– das war im Sommer

2019, als sich der Arbeitskreis

Gaskugel mit seinen vier Trägerinstitutionen

formierte. Gleichzeitig

brauchte es ein Nutzungskonzept,

um zu zeigen, was hier möglich ist,

und schließlich ein breites Netzwerk

von Mitdenker*innen und

Unterstützer*innen.

Kultur Joker: Als Kunsthistorikerin

und ehemalige kuratorische

Leiterin des E-Werks in Freiburg

kennen Sie die Szene und haben

ein Gespür für den Bedarf. Warum

die Gaskugel als neuer Kunstort?

Heike Piehler: Ich würde es anders

herum sehen: Die Gaskugel

Kulturort Gaskugel

Eine Chance für Freiburg

Heike Piehler, Initiatorin des Gaskugel-Projekts

Foto: privat Die stillgelegte Gaskugel Foto: Arbeitskreis Gaskugel

ist ja nicht neu, sie ist schon da,

ein Kulturdenkmal per se. Unser

Ziel ist, dieses imposante Bauwerk

für die Bürger*innen zu

öffnen und erlebbar zu machen.

Veranstaltungen wie im E-Werk

sind hier gar nicht möglich: Die

Echoakustik ist so spektakulär

und so dominant, dass hier nur

Aufführungen funktionieren, die

unmittelbar auf diese Akustik

eingehen, mit ihr spielen.

Kultur Joker: Verantwortlich

für das Projekt zeichnet eine

gemeinnützige GmbH. Wie finanziert

sie sich? Brauchen Sie

öffentliche Zuschüsse?

Heike Piehler: Die Freiburger

Stiftung BauKulturerbe hat der

Stadt und der Badenova angeboten,

die Kugel zu übernehmen. Sie

ist seit Beginn dabei und bringt

ihre Expertise ein. Wir planen

den Betrieb ohne institutionelle

Zuschüsse, als Bürgerprojekt,

gemeinnützig. Im Gegenzug sind

wir aber auf die Finanzierung der

notwendigen Baumaßnahmen

und der Erstausstattung angewiesen,

und auf Unterstützung bei

der Einwerbung überregionaler

Fördergelder.

Kultur Joker: Sie kennen natürlich

den Gasometer in Oberhausen,

Ausstellungshalle seit 25

Jahren. Und es gibt den ‚kleinen

Bruder‘ in Pforzheim, der stärker

interdisziplinär, aber auch

kommerzieller arbeitet, z. B. als

Event-Location. Wie sehen Sie

das künftige Profil der Freiburger

Gaskugel?

Heike Piehler: Der Gasometer

in Pforzheim wurde von innen

und außen komplett verkleidet,

da ist vom eigentlichen Denkmal

nicht mehr viel zu sehen. In Oberhausen

wurde das sehr viel besser

gelöst, puristischer, das wäre ein

gutes Vorbild. Wobei das Innenleben

einer rundum geschlossenen

Eisenkugel selbst schon

ein verrücktes Erlebnis ist, ein

Klang-Event, das man so schnell

nicht vergessen wird. Anders als

in Pforzheim und in Oberhausen

wird es ein intimeres Erlebnis nur

für kleine Besuchergruppen sein.

Eine größere Besucherzahl ist

wegen der speziellen Akustik gar

nicht möglich – also auch keine

kommerzielle Event-Location.

Kultur Joker: In Kürze erscheint

das Buch „Freiburger

Gasgeschichte(n)“ …

Heike Piehler: Um jedes Baudenkmal

rankt sich ein Stück Zeitgeschichte.

Wir hatten Glück, dass

mit Richard Funk ein ausgewiesener

Kenner ins Team gekommen

ist: Als Technischer Direktor

der früheren FEW (Freiburger

Energie- und Wasserversorgung

AG) hat er die Kugel mit geplant

und weiß viel zu erzählen. Im

Ruhestand hat er einen Rückblick

zur Freiburger Gasversorgung

seit 1850 verfasst. Inzwischen ist

Richard Funk 91 Jahre alt und ich

bin froh, dass wir sein wertvolles

Wissen festhalten können. Und

ich war überrascht, was sich in

den Bildarchiven noch alles fand,

zum Beispiel auch vom Bau der

Kugel oder der früheren Gasometer,

die längst abgerissen sind.

Kultur Joker: Also der bewusste

Fingerzeig auf die in Freiburg so

raren Industriedenkmale …?

Heike Piehler: Ja genau, es gab

z. B. noch eine zweite, kleinere

Kugel im Industriegebiet Nord,

das weiß heute fast niemand mehr.

Wir wollten aber auch wissen, wie

es künftig um die Gasversorgung

bestellt ist, ob Gas als fossiler

Energieträger überhaupt eine Zukunft

hat? Dieser Frage widmet

sich der Energiejournalist Bernward

Janzing in seinem Ausblick

mit interessanten Ergebnissen.

Wir sind inzwischen gerüstet, ab

sofort Führungen zur Gaskugel

anzubieten.

Kultur Joker: Derzeit arbeitet

Ihre Initiative an einem ‚Betriebskonzept‘,

das in ein bis zwei

Monaten der Öffentlichkeit vorgestellt

werden soll. Können Sie

schon erste Eckpunkte verraten?

Wie ist der weitere Zeitplan?

Heike Piehler: Wir wollen

die Kugel zugänglich machen

und sie bespielen, den Park

öffnen, ein Ausflugsziel vor

allem für Fußgänger*innen und

Fahrradfahrer*innen schaffen,

mit Gartencafé und der nötigen

Infrastruktur. Darüber hinaus

geht es darum, die Geschichte des

Denkmals zu vermitteln und ein

Doku-Zentrum zum Thema „Wasser

– Klima – Energie“ zu realisieren,

das den Blick in die Zukunft

richtet. In dem Betriebskonzept

versuchen wir, alles konkret zu

planen und mit Zahlen zu hinterlegen.

Sobald wir grünes Licht

von der Stadt und der Badenova

bekommen, geht es dann um die

Einwerbung von Drittmitteln. Unser

Ziel ist, in zwei bis drei Jahren

eröffnen zu können.

Kultur Joker: Liebe Frau Piehler,

wir danken für das Gespräch

und wünschen viel Erfolg!

Info:

www.gaskugel-freiburg.de

Der „Arbeitskreis Gaskugel“

ist eine gemeinsame Initiative

von: Bürgerverein Betzenhausen-

Bischofslinde e.V., Kultur- und

Geschichtskreis Betzenhausen-

Bischofslinde e.V., Arbeitsgemeinschaft

Freiburger Stadtbild

e.V. und Stiftung BauKulturerbe

gGmbH.

R. Funk, Freiburger

Gasgeschichte(n) – 1850 bis heute.

112 Seiten, Picea Verlag Freiburg.

14,80 €. Erscheint am 1. Juli

2021.

Satzung erweitert, offene Fragen

Kunstkommission bekommt mehr Befugnisse, aber auch Verantwortung

Die Kunstkommission der

Stadt Freiburg wurde 2014

neu eingesetzt – nachdem es

kulturpolitischen Protest gab,

sie zu reaktivieren. Das Vorgängergremium

war 2003 auf

Beschluss des Gemeinderats

aufgelöst worden. Mit der

Neuetablierung wurde eine

Satzung für die Kommission

verabschiedet. Nun entstand

Handlungsbedarf, selbige zu

erweitern.

Zum Jahresbeginn 2020

wurden nicht nur die Sachmittel

des Gremiums aufgestockt,

sondern auch eine 50

%-Stelle im Kulturamt für die

Geschäftsführung eingerichtet.

Der Gemeinderat hat am 24.

März 2021 die neue Satzung

verabschiedet. Auslöser waren

zwei Projekte im Rahmen

des sog. Stadtjubiläums, die

öffentlich aufgestellte Kunstwerke

betrafen, indes nicht mit

der Kommission abgestimmt

waren. Die wesentliche Änderung

besteht darin, dass auch

die „städtischen Gesellschaften

und städtischen Eigenbetriebe“

in den Verfügungsbereich

überschrieben werden. Gut ist

auch, dass temporäre Projekte

ab dreimonatiger Präsenz dem

Gremium vorzulegen sind. Zudem

kann und soll die Kommission,

was ohnedies klar

war, „konzeptionell arbeiten …

und zu einem innerstädtischen

Diskurs über Kunst im öffentlichen

Raum beitragen“. Das ist

ein deutlicher Auftrag! Es gab

einige öffentliche Veranstaltungen.

Doch seit Beginn der

Pandemie wurde es merklich

still. Erweiterte Impulse und

Formate sind also gefragt!

Ein Problem bleibt die Besetzung

des Gremiums. Die Mitglieder,

„zwei Künstler*innen,

zwei Kunstvermittler*innen,

ein Landschaftsarchitekt/in

oder Stadthistoriker/in“ werden

auf fünf Jahre berufen.

Aus der ersten Garde traten

die Künstlerin Andrea Mihaljevic

und der Architekt Michael

Gies nach Ablauf ihrer

Amtszeit 2019 nicht mehr an.

Aber wie erfolgt die Neubesetzung?

Das scheint auch durch

die Satzung in der erneuerten

Version nicht ganz eindeutig

zu sein. Der Gemeinderat hatte

keine alternativen Vorschläge,

konnte (und wollte wohl auch)

nicht debattieren und winkte

die Vorlage der Kulturverwaltung

am 11.10.2019 durch. Jetzt

sind da die Landschaftsarchitektin

Ane Nieschling und die

Kunststudentin Katrin Bauer

nachberufen. Ein Passus, der

sinnvollerweise auf eine einmalige

Wiederwahl limitiert,

fehlt auch in der neuen Satzung

noch.

Seit wenigen Tagen ist ein

50-minütiger (!) „Podcast“ der

Kommission online, zum Thema

„Street-Art“ und „Graffiti“

im öffentlichen Raum.

Viel persönliche Meinung der

Gremiumsmitglieder wird da

vorgelesen. Das Thema sollte

aber wirklich direkt mit den

angesprochenen Street-Art-

Künstlern, geführt sein – und

nicht ‚über sie‘. Im Moment

wirkt das wie ein Déjà-Vu, wie

ein Diskurs, der in anderen

Städten vor ca. 15 Jahren längst

schon gelaufen ist.

Martin Flashar

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