flip-Joker_2021-06
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18 KULTUR JOKER VISION
Zur Vielfalt der Kultur in
Freiburg zählen die Orte, an
denen sich etwas ereignet. Seit
Ende 2020 ist die ehemalige Gaskugel
der Badenova im Gewann
Betzenhausen für eine neue Nutzung,
anstatt eines Abrisses, in
der Debatte. Martin Flashar
sprach mit der Initiatorin des
Vorhabens Heike Piehler.
Kultur Joker: Liebe Frau Piehler,
wie entstand die Idee zu dem
Gaskugel-Projekt?
Heike Piehler: Es ging darum,
die Kugel vor dem Abriss zu bewahren
– das war im Sommer
2019, als sich der Arbeitskreis
Gaskugel mit seinen vier Trägerinstitutionen
formierte. Gleichzeitig
brauchte es ein Nutzungskonzept,
um zu zeigen, was hier möglich ist,
und schließlich ein breites Netzwerk
von Mitdenker*innen und
Unterstützer*innen.
Kultur Joker: Als Kunsthistorikerin
und ehemalige kuratorische
Leiterin des E-Werks in Freiburg
kennen Sie die Szene und haben
ein Gespür für den Bedarf. Warum
die Gaskugel als neuer Kunstort?
Heike Piehler: Ich würde es anders
herum sehen: Die Gaskugel
Kulturort Gaskugel
Eine Chance für Freiburg
Heike Piehler, Initiatorin des Gaskugel-Projekts
Foto: privat Die stillgelegte Gaskugel Foto: Arbeitskreis Gaskugel
ist ja nicht neu, sie ist schon da,
ein Kulturdenkmal per se. Unser
Ziel ist, dieses imposante Bauwerk
für die Bürger*innen zu
öffnen und erlebbar zu machen.
Veranstaltungen wie im E-Werk
sind hier gar nicht möglich: Die
Echoakustik ist so spektakulär
und so dominant, dass hier nur
Aufführungen funktionieren, die
unmittelbar auf diese Akustik
eingehen, mit ihr spielen.
Kultur Joker: Verantwortlich
für das Projekt zeichnet eine
gemeinnützige GmbH. Wie finanziert
sie sich? Brauchen Sie
öffentliche Zuschüsse?
Heike Piehler: Die Freiburger
Stiftung BauKulturerbe hat der
Stadt und der Badenova angeboten,
die Kugel zu übernehmen. Sie
ist seit Beginn dabei und bringt
ihre Expertise ein. Wir planen
den Betrieb ohne institutionelle
Zuschüsse, als Bürgerprojekt,
gemeinnützig. Im Gegenzug sind
wir aber auf die Finanzierung der
notwendigen Baumaßnahmen
und der Erstausstattung angewiesen,
und auf Unterstützung bei
der Einwerbung überregionaler
Fördergelder.
Kultur Joker: Sie kennen natürlich
den Gasometer in Oberhausen,
Ausstellungshalle seit 25
Jahren. Und es gibt den ‚kleinen
Bruder‘ in Pforzheim, der stärker
interdisziplinär, aber auch
kommerzieller arbeitet, z. B. als
Event-Location. Wie sehen Sie
das künftige Profil der Freiburger
Gaskugel?
Heike Piehler: Der Gasometer
in Pforzheim wurde von innen
und außen komplett verkleidet,
da ist vom eigentlichen Denkmal
nicht mehr viel zu sehen. In Oberhausen
wurde das sehr viel besser
gelöst, puristischer, das wäre ein
gutes Vorbild. Wobei das Innenleben
einer rundum geschlossenen
Eisenkugel selbst schon
ein verrücktes Erlebnis ist, ein
Klang-Event, das man so schnell
nicht vergessen wird. Anders als
in Pforzheim und in Oberhausen
wird es ein intimeres Erlebnis nur
für kleine Besuchergruppen sein.
Eine größere Besucherzahl ist
wegen der speziellen Akustik gar
nicht möglich – also auch keine
kommerzielle Event-Location.
Kultur Joker: In Kürze erscheint
das Buch „Freiburger
Gasgeschichte(n)“ …
Heike Piehler: Um jedes Baudenkmal
rankt sich ein Stück Zeitgeschichte.
Wir hatten Glück, dass
mit Richard Funk ein ausgewiesener
Kenner ins Team gekommen
ist: Als Technischer Direktor
der früheren FEW (Freiburger
Energie- und Wasserversorgung
AG) hat er die Kugel mit geplant
und weiß viel zu erzählen. Im
Ruhestand hat er einen Rückblick
zur Freiburger Gasversorgung
seit 1850 verfasst. Inzwischen ist
Richard Funk 91 Jahre alt und ich
bin froh, dass wir sein wertvolles
Wissen festhalten können. Und
ich war überrascht, was sich in
den Bildarchiven noch alles fand,
zum Beispiel auch vom Bau der
Kugel oder der früheren Gasometer,
die längst abgerissen sind.
Kultur Joker: Also der bewusste
Fingerzeig auf die in Freiburg so
raren Industriedenkmale …?
Heike Piehler: Ja genau, es gab
z. B. noch eine zweite, kleinere
Kugel im Industriegebiet Nord,
das weiß heute fast niemand mehr.
Wir wollten aber auch wissen, wie
es künftig um die Gasversorgung
bestellt ist, ob Gas als fossiler
Energieträger überhaupt eine Zukunft
hat? Dieser Frage widmet
sich der Energiejournalist Bernward
Janzing in seinem Ausblick
mit interessanten Ergebnissen.
Wir sind inzwischen gerüstet, ab
sofort Führungen zur Gaskugel
anzubieten.
Kultur Joker: Derzeit arbeitet
Ihre Initiative an einem ‚Betriebskonzept‘,
das in ein bis zwei
Monaten der Öffentlichkeit vorgestellt
werden soll. Können Sie
schon erste Eckpunkte verraten?
Wie ist der weitere Zeitplan?
Heike Piehler: Wir wollen
die Kugel zugänglich machen
und sie bespielen, den Park
öffnen, ein Ausflugsziel vor
allem für Fußgänger*innen und
Fahrradfahrer*innen schaffen,
mit Gartencafé und der nötigen
Infrastruktur. Darüber hinaus
geht es darum, die Geschichte des
Denkmals zu vermitteln und ein
Doku-Zentrum zum Thema „Wasser
– Klima – Energie“ zu realisieren,
das den Blick in die Zukunft
richtet. In dem Betriebskonzept
versuchen wir, alles konkret zu
planen und mit Zahlen zu hinterlegen.
Sobald wir grünes Licht
von der Stadt und der Badenova
bekommen, geht es dann um die
Einwerbung von Drittmitteln. Unser
Ziel ist, in zwei bis drei Jahren
eröffnen zu können.
Kultur Joker: Liebe Frau Piehler,
wir danken für das Gespräch
und wünschen viel Erfolg!
Info:
www.gaskugel-freiburg.de
Der „Arbeitskreis Gaskugel“
ist eine gemeinsame Initiative
von: Bürgerverein Betzenhausen-
Bischofslinde e.V., Kultur- und
Geschichtskreis Betzenhausen-
Bischofslinde e.V., Arbeitsgemeinschaft
Freiburger Stadtbild
e.V. und Stiftung BauKulturerbe
gGmbH.
R. Funk, Freiburger
Gasgeschichte(n) – 1850 bis heute.
112 Seiten, Picea Verlag Freiburg.
14,80 €. Erscheint am 1. Juli
2021.
Satzung erweitert, offene Fragen
Kunstkommission bekommt mehr Befugnisse, aber auch Verantwortung
Die Kunstkommission der
Stadt Freiburg wurde 2014
neu eingesetzt – nachdem es
kulturpolitischen Protest gab,
sie zu reaktivieren. Das Vorgängergremium
war 2003 auf
Beschluss des Gemeinderats
aufgelöst worden. Mit der
Neuetablierung wurde eine
Satzung für die Kommission
verabschiedet. Nun entstand
Handlungsbedarf, selbige zu
erweitern.
Zum Jahresbeginn 2020
wurden nicht nur die Sachmittel
des Gremiums aufgestockt,
sondern auch eine 50
%-Stelle im Kulturamt für die
Geschäftsführung eingerichtet.
Der Gemeinderat hat am 24.
März 2021 die neue Satzung
verabschiedet. Auslöser waren
zwei Projekte im Rahmen
des sog. Stadtjubiläums, die
öffentlich aufgestellte Kunstwerke
betrafen, indes nicht mit
der Kommission abgestimmt
waren. Die wesentliche Änderung
besteht darin, dass auch
die „städtischen Gesellschaften
und städtischen Eigenbetriebe“
in den Verfügungsbereich
überschrieben werden. Gut ist
auch, dass temporäre Projekte
ab dreimonatiger Präsenz dem
Gremium vorzulegen sind. Zudem
kann und soll die Kommission,
was ohnedies klar
war, „konzeptionell arbeiten …
und zu einem innerstädtischen
Diskurs über Kunst im öffentlichen
Raum beitragen“. Das ist
ein deutlicher Auftrag! Es gab
einige öffentliche Veranstaltungen.
Doch seit Beginn der
Pandemie wurde es merklich
still. Erweiterte Impulse und
Formate sind also gefragt!
Ein Problem bleibt die Besetzung
des Gremiums. Die Mitglieder,
„zwei Künstler*innen,
zwei Kunstvermittler*innen,
ein Landschaftsarchitekt/in
oder Stadthistoriker/in“ werden
auf fünf Jahre berufen.
Aus der ersten Garde traten
die Künstlerin Andrea Mihaljevic
und der Architekt Michael
Gies nach Ablauf ihrer
Amtszeit 2019 nicht mehr an.
Aber wie erfolgt die Neubesetzung?
Das scheint auch durch
die Satzung in der erneuerten
Version nicht ganz eindeutig
zu sein. Der Gemeinderat hatte
keine alternativen Vorschläge,
konnte (und wollte wohl auch)
nicht debattieren und winkte
die Vorlage der Kulturverwaltung
am 11.10.2019 durch. Jetzt
sind da die Landschaftsarchitektin
Ane Nieschling und die
Kunststudentin Katrin Bauer
nachberufen. Ein Passus, der
sinnvollerweise auf eine einmalige
Wiederwahl limitiert,
fehlt auch in der neuen Satzung
noch.
Seit wenigen Tagen ist ein
50-minütiger (!) „Podcast“ der
Kommission online, zum Thema
„Street-Art“ und „Graffiti“
im öffentlichen Raum.
Viel persönliche Meinung der
Gremiumsmitglieder wird da
vorgelesen. Das Thema sollte
aber wirklich direkt mit den
angesprochenen Street-Art-
Künstlern, geführt sein – und
nicht ‚über sie‘. Im Moment
wirkt das wie ein Déjà-Vu, wie
ein Diskurs, der in anderen
Städten vor ca. 15 Jahren längst
schon gelaufen ist.
Martin Flashar