Stefan Reindl in einem der Vorlesungssäle in Geislingen. Er selbst bezeichnet sich als Autofan. Eine gute Voraussetzung als Professor für Automobilwirtschaft.
unternehmen [!] TITELTHEMA 13 „Wir dürfen nicht mehr Getriebene sein“ Automobilwirtschaft Stefan Reindl ist ein bundesweit gefragter Experte. Der Studiendekan an der Hochschule Nürtingen-Geislingen und Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft berät auch die Politik und Unternehmen. Im Interview erläutert er, was sich ändern muss, damit Hersteller und Autohäuser erfolgreich bleiben. Wie pendelt der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft zwischen der Wohnung in Ulm und dem Arbeitsplatz in Geislingen? Prof. Stefan Reindl: Seit einem viertel Jahr mit einem Elektroauto, genauer gesagt mit einem Audi e-tron. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem elektrischen Oberklassen-SUV von Audi? Ich bin ehrlich gesagt sehr positiv überrascht. Ich fahre sehr gerne mit diesem Auto. Es ist sehr leise – und die Leistung teilweise überwältigend. Allerdings habe ich noch einen Zweitwagen. Einen VW mit Heckmotor (lacht). Ich ertappe mich aber immer wieder dabei, dass ich lieber mit dem Audi als mit dem Porsche fahre. Es ist einfach ein schönes Fahrgefühl. Das einzige Manko ist bislang noch die Reichweite. Ich gehe aber davon aus, dass diese sich bei Nachfolgemodellen sukzessive verbessern wird. Warum leistet man sich zwei so schöne Autos gleichzeitig? Das ist wohl eine Berufskrankheit. Ich bin nach wie vor begeisterter Autofan. Das wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. In meinem Büro steht ein Blechschild mit der Aufschrift „Gasolin“, das einst meinem Großvater gehörte. Er hatte eine Gasolin-Tankstelle in der Oberpfalz, aus der sich ein VW-Betrieb entwickelt hat. Gasolin wurde übrigens später von Aral aufgekauft. Wir müssen künftig auch auf kleinere Märkte schauen und das Risiko streuen. Welches sind die Herausforderungen für den Automobilstandort Deutschland? Momentan sind wir Getriebene, die sich wieder zu innovativen Treibern entwickeln müssen. Aus meiner Sicht gibt es dabei zwei wichtige Ansätze: Einerseits das Thema Antriebe. Beim Pkw zum Beispiel muss die Entwicklung batterieelektrischer Antriebe deutlich schneller voranschreiten. Und – das ist der zweite große Punkt – wir müssen die Digitalisierung vorantreiben, auf allen Ebenen. In der Produktion und Leistungserstellung, über digitale Angebotsformen bis hin zur vollständig digitalisierten Kundenbeziehung. 2020 war ein Jahr der Schockstarre. Die Produktionen standen zeitweise still. Warum war Corona so ein Schock für die deutsche Automobilindustrie? Geschockt hat uns das doch alle, oder? Wir haben einfach noch keine solche Situation erlebt. Eine Krise, die nicht nur bestimmte Branchen oder Nationen trifft, die nicht von einem Krieg ausgelöst ist, sondern von einem Virus, das Einfluss auf die gesamte Menschheit hat. In der Folge brach nicht nur die weltweite Nachfrage ein. Auch die Lieferketten wackelten und rissen zeitweise ab. Aber es ging rasch wieder nach oben, warum? Geholfen hat der zeitliche Versatz des Infektionsgeschehens. Also, dass nicht alle Regionen zur selben Zeit gleich stark betroffen waren. Dass die Nachfrage in China schnell wieder angezogen hat, als wir uns noch im Lockdown befanden, hat uns natürlich geholfen. Denn die deutsche Automobilindustrie ist exportlastig. Eine Studie besagt, dass In China und den USA die Märkte <strong>2021</strong> wieder kräftig wachsen. Ist also alles wieder gut? Das sind aktuell die wichtigsten Absatzmärkte. Ich glaube aber, wir müssen künftig mehr auf andere Märkte schauen. Auch kleinere Marktregionen tragen zur Stabilität bei. Aber doch nur bedingt, oder? Wenn eine Nation wie China oder ganze Regionen wie Nordamerika ausfallen, hat das massive Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Wenn das Risiko stärker gestreut wird, lassen sich nationale Ein- Zur Person Stefan Reindl, Jahrgang 1966, ist in der Oberpfalz geboren und seit Kindertagen an von Autos fasziniert. Seit 1997 ist er am Institut für Automobilwirtschaft (IfA) Geslingen für eine Vielzahl von Forschungsprojekten verantwortlich, 2003 wurde er als Professor für Automobilwirtschaft an die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen berufen und war stellvertretender Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft, bevor er 2018 die Leitung übernahm. Seit 2008 trägt er als Studiendekan die Verantwortung für die automobil- und mobilitätswirtschaftlichen Bachelor- und Masterprogramme. Er ist zudem Mitglied im Lenkungskreis des Transformationsrats Automobilwirtschaft der baden-württembergischen Landesregierung. Reindl ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und berät Unternehmen.