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Credit Suisse bulletin, 2007/02

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20<br />

<strong>Städte</strong> <strong>Städte</strong>bauer<br />

Herr Marg, wie baut<br />

maneineneueStadt?<br />

Notiert: Daniel Huber<br />

Volkwin Marg ist Mitbegründer<br />

des weltweit<br />

tätigen Architekturbüros<br />

von Gerkan, Marg und<br />

Partner (gmp) in Hamburg.<br />

Das Büro beschäftigt<br />

rundumdieWeltüber<br />

300 Mitarbeiter. Die<br />

Projekte von gmp reichen<br />

von Einfamilienhäusern<br />

über Hotels, Theater<br />

und Sportstätten bis zu<br />

Verkehrsbauten und<br />

städtebaulichen Masterplanungen.<br />

So hat Marg<br />

unter anderem die Neugestaltung<br />

des Hamburger<br />

Hafenviertels geprägt.<br />

Zudem hat er vor kurzem<br />

zusammen mit Jean<br />

Nouvel den Architekturwettbewerb<br />

für den<br />

Masterplan des neuen<br />

Hafenviertels von<br />

Valencia gewonnen.<br />

«Um diese Frage zu beantworten, muss<br />

ich etwas ausholen. Grundsätzlich ist<br />

eine Stadt viel mehr als nur die Summe<br />

ihrer Einzelteile. Stadtbaukunst ist<br />

also immer der Weg zu einem übergeordneten<br />

Zusammenhang. Anders als<br />

bei einem Hochbauarchitekten, der<br />

schnell mit einer Entwurfsidee schwanger<br />

ist, sie als sein Kind in die Stadt<br />

setzt und alsbald das fertige Haus vor<br />

<br />

Vollendung des Inszenierungsprozesses<br />

meist nicht absehbar. Die Zeitkomponente<br />

hat eine grössere Bedeutung.<br />

Die Arbeit eines <strong>Städte</strong>bauers lässt<br />

sich am ehesten mit derjenigen eines<br />

Försters vergleichen. Es geht um echte<br />

Nachhaltigkeit für die Gesellschaft<br />

auf lange Frist. Um beim Beispiel der<br />

Forstwirtschaft zu bleiben: Erst heute<br />

können in Dänemark Eichen und Douglastannen<br />

gefällt werden, die zu Napoleons<br />

Zeiten für den Flottenbau an-<br />

150 Jahre<br />

später im Schiffsbau als Planken und<br />

Masten verwenden zu können. Auch<br />

wir Stadtplaner denken in Generationen.<br />

Ganz generell geht es beim <strong>Städte</strong>bau<br />

um die Inszenierung von Prozes-<br />

<br />

<br />

der, indem wir konkrete Architektur als Orientierungsbeispiel für<br />

das städtebauliche Detail konzipieren und bauen.<br />

Darum meine ich, dass <strong>Städte</strong>bau die Professionalität des generalistischen<br />

Architekten voraussetzt. Entscheidend ist bei jedem<br />

<br />

berücksichtigt werden. Zukunft entwickelt sich aus Herkunft. So<br />

muss ein neues Stadtquartier für Hamburg oder Valencia anders<br />

aussehen als in Schanghai. Es gilt, die geologischen, klimatischen<br />

und kulturellen Gegebenheiten mit einzubeziehen, um der Identität<br />

willen.<br />

Ein Stadtplaner muss auch Diplomat sein. Ausgangspunkt für<br />

den Masterplan des neuen, 150 Hektar grossen Hafencity-Quartiers<br />

in Hamburg zum Beispiel waren meine langjährige Überzeugungs-<br />

arbeit und schliesslich eine handschriftliche Skizze. Die darauf aufbauende<br />

Detailarbeit musste streng geheim erfolgen. Es galt, das<br />

Projekt nicht zu früh der behördlichen, parteipolitischen und medialen<br />

Neigung zur Pflege von Konflikten auszusetzen und es dadurch<br />

möglicherweise schon im Keim zu ersticken. Darum musste ich es<br />

<br />

<br />

es mit meinen Assistenten im Geheimen fertig entwickeln. Einen<br />

offiziellen Planungsauftrag gab es wohlweislich nicht.<br />

Als schliesslich der Bürgermeister der staunenden Öffentlichkeit<br />

völlig überraschend ein fertiges Projekt vorstellte, brauchte<br />

<br />

zu reagieren. Da war die Machbarkeit der städtebaulichen Vision<br />

schon fest in den Köpfen verankert. Nachdem die Planung dieses<br />

Projektes lediglich sechs Monate gedauert hatte, brauchte es<br />

danach zehn Jahre, um es kommunalpolitisch und planrechtlich zu<br />

verifizieren.<br />

<br />

Barberá Nolla eine Art Mutter Courage als Bürgermeisterin, die<br />

<br />

staltung der Hafenviertel mit einem internationalen Wettbewerb<br />

auszuschreiben. Da musste nicht hinter den Kulissen ein Überraschungscoup<br />

geplant werden. Die konservative Bürgermeisterin<br />

scheute auch nicht den Konflikt mit der sozialistischen Zentralregierung<br />

in Madrid, der die Hafenbehörde unterstellt ist. Unser<br />

Wettbewerbsvorschlag war die Kunst des Möglichen und für beide<br />

Seiten ein passabler Kompromissvorschlag. So kann also eine gute<br />

Synthese aus Hafen und Stadt gelingen. In Anlehnung an die sieben<br />

Weltwunder der Antike, von denen zwei direkt ans Mittelmeer ge-<br />

<br />

<br />

geben: einen etwa 250 Meter hohen, V-förmigen Doppelturm. Dieses<br />

Symbol im Sinne des Mottos ‹Valencia del mar› wird gemäss<br />

klassischem <strong>Städte</strong>bau durch die verlängerte Achse der Avenida<br />

Francia mit dem eigentlichen Stadtzentrum verbunden.<br />

Wieder anders ist die Aufgabenstellung bei der Planung der<br />

<br />

vor dem gleichen Entwicklungssprung wie Europa vor 130 Jahren.<br />

1,3 Milliarden Chinesen lebt sehr<br />

<br />

aus, dass in den nächsten 25<br />

rung in die Stadt ziehen wird. Das bedeutet rund 20-<br />

<br />

<br />

Credit Suisse Bulletin 2/<strong>07</strong>

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