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Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 21/22

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DOZIERENDE IM PORTRÄT<br />

Momente der Geschichte sein können. Oder eben andersherum:<br />

Was trägt in der Geschichte nicht, was bleibt<br />

blass. So ein Recherchedreh ist wie ein offenes Buch,<br />

aus dem man herauslesen kann, in welche Richtung<br />

der Film weiterentwickelt werden soll. Und gleichzeitig<br />

muss man aufpassen, weil dieses Material dann oft auch<br />

in den fertigen Film Eingang findet und ihm damit früh<br />

eine Form vorgibt. Man muss mit diesem Recherchematerial<br />

kritisch umgehen, denn die Bilder sind natürlich<br />

noch aus der Perspektive einer anderen inneren Einstellung<br />

gedreht.<br />

Dynamiken zwischen Filmemacher*in und Protagonist*in<br />

muss man immer sehr gut analysieren – das gehört<br />

zur Arbeit im Vorfeld. Ich glaube allerdings, dass<br />

man manipulierende Tendenzen relativ früh beim Kennenlernen<br />

der Protagonist*innen erkennen kann, also<br />

lange, bevor es zu spät ist.<br />

Wie schaffst du es, deinen Filmen abseits von Tagesaktualität<br />

eine Allgemeingültigkeit zu verleihen?<br />

In Sachen Tagesaktualität sind die journalistischen Kolleg*innen<br />

besser aufgestellt. Sie sind schneller und können<br />

unmittelbar arbeiten. Gerade bei CAHIER AFRI-<br />

CAIN habe ich das sehr zu schätzen gewusst. Fragen, wo<br />

z.B. die Zentralafrikanische Republik liegt, welcher Konflikt<br />

hier verhandelt wird und welche Parteien beteiligt<br />

sind, konnte ich immer mit dem Hinweis auf journalistische<br />

Formate beantworten. Ich selbst konnte mich dadurch<br />

in meinem Film auf die Hintergründe und die<br />

Zusammenhänge konzentrieren. In dem Segment, in<br />

dem ich arbeite, fällt es sehr schwer, tagesaktuell zu sein.<br />

Dafür brauche ich einfach zu viel Zeit, nicht nur, um<br />

das Material zu drehen. Ich war jetzt ein halbes Jahr im<br />

Schneideraum - da hat sich in jedem Land der Welt die<br />

Lage verändert. Insofern suche ich nach Geschichten,<br />

die über die reine Tagesaktualität hinausgehen, universell<br />

sind, uns berühren und bereichern in unserer Sicht<br />

auf die Welt oder auch nur auf ein einzelnes Leben.<br />

Hattest du in deiner beruflichen Laufbahn je das Gefühl,<br />

als Frau weniger ernst genommen zu werden oder mehr<br />

leisten zu müssen als männliche Kollegen?<br />

aus CAHIER AFRICAIN<br />

Hast du manchmal Sorge, dass du eventuell von den<br />

interviewten Leuten selbst manipuliert wirst?<br />

Klar! In einem Gespräch kann Vertrauen entstehen und<br />

ein gegenseitiges, offenes Sich-aufeinander-einlassen,<br />

aber gleichzeitig hat auch jede und jeder eigene Interessen.<br />

Und je nachdem, wen man als Gegenüber hat,<br />

will sie oder er das auch für sich selbst nutzen. Wenn<br />

man dann von dieser Person abhängig ist, kann man<br />

doch relativ schnell in die Lage geraten, dass man sich<br />

fragen muss, hat man hier eine Plattform geboten bzw.<br />

wie kommt man aus dieser Situation wieder raus. Solche<br />

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Das kam vor, aber eher selten. Allerdings ist es so, dass<br />

Frauen und auch Männern bestimmte Eigenschaften per<br />

se zugeschrieben werden. Es gibt eine gewisse Voreingenommenheit,<br />

dass Frauen beispielsweise bestimmte<br />

Themen besonders gut bearbeiten können, weil dafür<br />

eine besondere Sensibilität nötig ist oder Geduld - das<br />

nennt man Framing. Dass man in eine bestimmte Schublade<br />

gesteckt wird, die nicht unbedingt falsch sein muss<br />

- aber sie macht eben nur einen kleinen Teil von dem<br />

aus, was ich als Regisseurin kann und bin. Ich kann viel<br />

mehr als nur sensibel zuhören. Ich kann auch groß und<br />

laut und gewaltig. Darüber hinaus ist ein entscheidender<br />

Punkt, dass ich schon sehr früh meine Filme selber<br />

produziert habe. Ich konnte dadurch die Arbeitsbedingungen<br />

selbst bestimmen und mir damit auch die nötige

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