Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 21/22
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SPOTLIGHT: 30 JAHRE FABW<br />
die Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart.<br />
Sie hat zehn Jahre existiert, aber wirklich vor sich<br />
hingedämmert, bis sie irgendwann von einem Finanzminister<br />
liquidiert wurde. Jedenfalls hat das Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
damals argumentiert: Wir haben jetzt<br />
gerade noch die Universität in Ulm und die Universität<br />
in Konstanz gegründet, das ist vielleicht ein bisschen<br />
viel für uns.<br />
Die Gründung der <strong>Filmakademie</strong> erfolgte also in einer<br />
Zeit der knappen Kassen im Land, auch bedingt durch<br />
die Kosten der Wiedervereinigung, an denen sich das<br />
Land beteiligen musste. Es gab jedoch immer eine kleine,<br />
aber sehr überzeugte Gruppe, die das Projekt unterstützt<br />
hat. Vor allen Dingen der Direktor des Wissenschaftsministeriums<br />
Dr. Ehrhardt und der Ministerialrat<br />
Dr. Bessey.<br />
Zur Klärung der Standortfrage war ich beim Stuttgarter<br />
Oberbürgermeister Rommel, der mir aber nur zwei<br />
weit auseinander liegende Bauplätze in Hedelfingen,<br />
ehemalige Gießereien, anbieten konnte. Dann wurde<br />
ich auf die Kasernen in Ludwigsburg aufmerksam gemacht,<br />
die ich mir ein paar Tage später mit dem damaligen<br />
OB Henke angeschaut habe. Mit Kasernen verbindet<br />
man ja in Deutschland nicht unbedingt einen ganz<br />
glücklichen Zustand. Aber es waren wertvolle und geeignete<br />
Gebäude. Mindestens vier Kasernen entsprachen<br />
meinen Vorstellungen. Wichtig war mir, nicht zu weit<br />
entfernt vom Stadtzentrum zu sein. Ich habe mich dann<br />
für die Mathilden-Kaserne und die anschließende Panzerkaserne<br />
entschieden. Von offizieller Seite wurde das<br />
auch akzeptiert und es hieß: Dann kommt die <strong>Filmakademie</strong><br />
eben nach Ludwigsburg, ins Exil, in die Provinz.<br />
Die Stuttgarter Nachrichten haben dann auch einen Artikel<br />
geschrieben mit der Headline: „Ein Professor der<br />
Kunstakademie und ein Ministerialbeamter wollen in<br />
Ludwigsburg die Landesmedienwüste bewässern.“<br />
Es gab also Widerstände, Spott und Hohn für die kühnen<br />
Pläne. Ich wurde zunächst durchaus als Phantast<br />
und Glücksritter apostrophiert. Das inzwischen erstellte<br />
72-seitige Konzept wurde allerdings vom Ministerium<br />
für Wissenschaft und Kunst gründlich analysiert<br />
und als sehr professionell, absolut sachkundig und aussichtsreich<br />
bezeichnet. Aus dem Staatsministerium hieß<br />
es: „Die Zeichen stehen jetzt auf Start.“ In einem funktionierenden<br />
Staat gibt es eben typische Zeitfenster, in die<br />
neue Ideen passen. Aber alle neuen Ideen haben auch<br />
Konkurrenten, Neider und Besserwisser und auch vernünftige<br />
Gegenargumente.<br />
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Politisch und finanziell war es also nicht ganz einfach<br />
in diesen Zeiten. Anders sah es mit der Technologie aus.<br />
Denn da fing es gerade mit der Computeranimation an.<br />
Auf einmal wurde alles digital und wir hatten schon einen<br />
Fuß in der Tür. Noch an der Kunstakademie hatte<br />
ich für ein Forschungsprojekt vom Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
1,2 Millionen Mark bekommen. Das war damals<br />
sehr viel Geld. Davon konnten wir einen Animationscomputer<br />
aus England kaufen. Der wurde sogar, ohne<br />
dass es die <strong>Filmakademie</strong> schon gab, in Ludwigsburg<br />
aufgestellt, in der Firma TC Studios. Dort hat Thomas<br />
Haegele (erster Leiter der Animationsabteilung an der<br />
FABW, Anm. d. Red.) gearbeitet, einer meiner ehemaligen<br />
Studenten aus Wuppertal und später auch Assistent<br />
an der Kunstakademie Stuttgart. Als die <strong>Filmakademie</strong><br />
gegründet wurde, habe ich ihn als ersten Lehrenden an<br />
das Institut geholt. Andreas Hykade (heutiger Leiter des<br />
Animationsinstituts, Anm. d. Red.) war ebenfalls Student<br />
an der Kunstakademie und einer von denen, die mit mir<br />
nach Ludwigsburg mitgingen, um an der <strong>Filmakademie</strong><br />
zu studieren.<br />
Wir waren die ersten an einer Filmhochschule, die ein<br />
solches Gerät hatten. Man hat gestaunt, was dieser Computer<br />
alles kann, aber auch, wie kompliziert die Arbeit<br />
mit dem Computer war. Aber man konnte Animationsfilme<br />
machen, die man anders, also handmade, niemals<br />
hätte realisieren können.<br />
Glauben Sie, dass ein solcher Coup unter den heutigen<br />
wirtschaftlichen und politischen Bedingungen noch einmal<br />
möglich wäre?<br />
Einerseits wäre es nicht möglich, weil die Zeiten für solche<br />
Ideen immer anders sind. Heute könnte man keine<br />
<strong>Filmakademie</strong> gründen in der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Weil es genug gibt und eine Gründung deshalb<br />
nicht verständlich wäre. Aber auf der anderen Seite ist<br />
damit ja nicht erledigt, dass irgendjemand eine Akademie<br />
gründet, die nicht gerade dasselbe Thema hat. Aber<br />
derjenige muss kompetent sein und muss ein Konzept<br />
machen können, das funktioniert. In einem einigermaßen<br />
intakten Staat muss es immer möglich sein, dass<br />
Neues entsteht. Das gehört dazu, sonst schläft er ein.<br />
Der Staat muss nur die vielen Schaumschläger abhalten.<br />
Denn in den Ministerien liegen Schränke voller substanzloser<br />
Ideen herum.<br />
Ich habe mein Konzept für eine <strong>Filmakademie</strong> so niedergeschrieben,<br />
wie sie dann später auch realisiert wurde.<br />
Das hat den Überprüfungen über die Jahre standgehalten.