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kunst KULTUR JOKER 11

Ästhetisch faszinierende

Bildwelten, die

nachdenklich machen

Katharina Sieverdings Fotokunst von den 1960er Jahren

bis heute im Museum Frieder Burda in Baden-Baden

Es ist eine ausgesprochen

selbstbewusste Frau, die einem

aus den großformatigen Fotos

entgegen blickt. Mal blau

metallisch leuchtend, wie in

der Serie „Transformer“, die

sich über alle Stockwerke des

Museums Frieder Burda zieht.

Oder ganz direkt in die Kamera

blickend als sähe sie den

Betrachter, wie in „The great

white way goes black“ und der

Wand aus 336 Fotos von Katharina

Sieverding und ihrem

Künstler-Lebensgefährten

Klaus Mettig („Motorkamera“,

1973-74). Unter dem Titel „Die

Sonne um Mitternacht schauen“

bietet das Museum Frieder

Burda in Baden-Baden bis zum

9. Januar eine weit gefächerte

Übersicht über Katharina Sieverdings

Fotokunst, vom Ende

der 1960er Jahren bis heute.

Ihre Arbeiten sind raumfüllend,

die Farben oft leuchtend.

So plakativ die Fotos auf den

ersten Blick wirken, so verwirrend

sind sie, wenn man

anfängt nachzudenken. Und

manches erhält nach Jahrzehnten

eine neue, aktuelle

Deutung. Auf einem der Bilder

sieht man Mao einen afrikanischen

Staatsgast begrüßen.

Heute hat China über Handelsund

Kreditverträge seine Vorherrschaft

in Afrika gesichert.

Nicht, dass die Künstlerin

einem eine bestimmte Interpretation

aufdrängen würde.

Sieverding ist eine Meisterin

wenn es darum geht, Zusam-

Katharina Sieverding: Großfoto XIII/79 „We have friends all over

the world“ 1979 Digitaldruck 252 x 356 cm © Katharina Sieverding,

VG Bild-Kunst Bonn 2021

Foto: © Klaus Mettig, VG Bild-Kunst Bonn 2021

menhänge und Gegensätze

aufzuzeigen.

In „Global Desire II“ von

2017 überblendet sie das Foto

des Flüchtlingslagers Zaatari

an der syrisch-jordanischen

Grenze mit einer Aufnahme

von zwei russischen Soldaten,

die einen Jagdbomber

mit einem Sprengsatz beladen.

„Gefechtspause II“ besteht

aus einer Überblendung

zweier Pressefotos: eines von

der Eröffnung einer großen

Konferenz durch den chinesischen

Staatschef Xi Jinping

und eine Aufnahme von Polizisten,

die in den USA vor

Demonstranten knien. In beiden

Fällen sind Regierung

und Volk keine Einheit. China

unterdrückt massiv die Demokratiebewegung

in Hongkong,

in den USA fühlen sich People

of colour diskriminiert. Hinzu

kommt, dass viele Menschen

in beiden Ländern, immerhin

die amtierenden Großmächte

dieser Welt, in Armut leben.

So unterschiedlich China und

die USA sind, in diesen Dingen

offenbaren sich Ähnlichkeiten.

Katharina Sieverding hat

sich als 68erin und Beuys-

Schülerin natürlich immer mit

Politik auseinandergesetzt.

Ihre Kunst geht allerdings

darüber hinaus. Ästhetisch

faszinierende Bildwelten hat

die Künstlerin in den Werken

geschaffen, in denen sie mit

Röntgentechnik gearbeitet hat. Als Tochter eines Radiologen

kennt sie keine Scheu

vor Röntgenstrahlen, sondern

setzt sie für raffinierte Effekte

ein wie die rotgolden leuchtende

Silhouette eines Menschen,

der auf einem geraden Strich

balanciert. In der Reihe der

„Steigbilder“, 1997 auf der Biennale

in Venedig vorgestellt,

scheint die Röntgenaufnahme

eines menschlichen Schädels

in Flammen zu stehen.

Nicht zuletzt greift die

Künstlerin nach den Sternen.

Als Resultat erscheint eine

blaue Sonne auf der Fassade

des Museums. Und wie in eine

strahlend blau ummantelte

Seifenblase eingehüllt, lässt

Sieverding die „Interplanetarische

Arbeitsbesprechung zur

Weltraumzukunft“ erscheinen.

Katharina Sieverding: „ The great white way goes black“, IX/1977, Farbfotografie,

Acryl, Stahlrahmen 300 x 500 cm Installationsansicht der Ausstellung: Katharina

Sieverding – „Close Up“, KW Institute for Contemporary Art Berlin, 2005

© Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Katharina Sieverding „Eigenwerbung“, 1967-1969, digitale Bildprojektion © Katharina Sieverding,

VG Bild-Kunst Bonn 2021 Foto: © Klaus Mettig, VG Bild-Kunst Bonn 2021

Der rotglühende Planet auf

dem schwarzen Bildschirm

basiert auf nicht weniger als

200.000 NASA-Daten aus dem

Zeitraum 2011 bis 2014. Dank

des NASA-Satelliten SDO und

Katharina Sieverding können

Ausstellungsbesucher zu den

Öffnungszeiten „Die Sonne

um Mitternacht schauen“. Man

kann die reine Schönheit der

Sonne in diesen digitalen Filmprojektionen

genießen. Oder

über den Klimawandel und die

Endlichkeit der Ressourcen der

Erde nachdenken.

„Katharina Sieverding. Die

Sonne um Mitternacht schauen“,

Museum Frieder Burda,

Baden-Baden, Di-So 10-18

Uhr. www.museum-friederburda.de.

Bis 09.01.2021

Nike Luber

Schopfheimerstraße

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