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26 KULTUR JOKER Mixtape

„Viele haben hart Bock endlich was zu reißen“

Ein Besuch bei Franklin Moonway (Mix & Master) verrät, was Freiburgs Rapszene wirklich zu bieten hat

Zwischen Industrie- und Plattenbauten versteckt sich im Industriegebiet

Nord eine Perle des Freiburger Hip-Hops. Benjamin Kempter

aka Franklin Moonway begrüßt mich im Hinterhof. Ein dampfender

Kaffee und eine qualmende Zigarette später, geht’s auch schon in

den Keller. Echtes Undergroundfeeling überkommt mich, als wir

durch ein absurd großes Industrielager laufen, links und rechts überdimensionierte

Rohrleitungen. Dann, einmal um die Ecke gebogen,

stehen wir vor weißen Wänden, die sich containerartig den Raum

erschließen. „Das ist mein Studio“, sagt Franklin stolz, während er

die Tür aufschließt, wohinter sich ein Vorraum mit alkoholischen und

nichtalkoholischen Drinks befindet, der direkt in das neonbeleuchtete

Tonstudio führt. „Das Studio habe ich geplant, mein Vermieter

machte den Bau und die Umsetzung möglich.“

Das „Moonway – Urban Music Studio“ gibt es seit gut einem Jahr

und ist die Erfüllung eines Lebenstraums. „Mit 14 habe ich meinen

ersten Text geschrieben, dann war ich 10 Jahre in einer Rapcrew, mit

der wir sogar einmal vor Haftbefehl auftreten durften“, erinnert er

sich. Er gibt zu, nie wirklich zufrieden mit seinem Rap gewesen zu

sein. „Mit 20 habe ich mit dem Mixen und Mastern angefangen. 12

Jahre später sitze ich in meinem eigenen Tonstudio!“.

Während unseres Gesprächs wird klar, wie viel Ehrgeiz und Herzblut

hinter diesem Projekt steckt. Er erzählt von Jobs, die er in den

letzten 12 Jahren machen musste, um sich und seine Familie neben

der Musik über Wasser zu halten.Erzieherausbildung, Versicherungskaufmann,

Gebäudereinigung, Stage Hand, Burger King, Briefträger,

ein Studium in Mediengestaltung. „Diese Jobs waren für mich

nur Mittel zum Zweck. Ich wollte immer Musik machen“, Franklin

wird kurz nachdenklich. „Zum Teil habe ich das auch gemacht, um

meine Familie zufriedenzustellen. Jeder möchte, dass die Eltern stolz

sind, oder?“.

Grund zum Stolz gibt es allemal. „In der kurzen Zeit ist das alles

hier echt schnell gewachsen. Das Feedback ist krass, meine Youtube-

Formate für Deutschrap79 finden Anklang.“ In diesem einen Jahr

ist das Moonway Studio zu einem Anlaufpunkt für Rapper*innen

geworden, nicht zuletzt durch #79connected. „#79connected ist dafür

da, dass sich die Szene gegenseitig pusht. In Freiburg soll eine

Community entstehen, die sich auf Businessebene in Rapdeutschland

behaupten kann. Gute Künstler sollen nicht mehr gezwungen sein

Freiburg zu verlassen, um weiter zu wachsen. Ich muss nicht jeden

Scheiß geil finden, aber sich auf Business ebene Respekt und Support

zu geben, dafür steht #79connected.“

Es geht ihm um kommerzielle Strukturen für Rapper*innen, Produzent*innen und Veranstaltende,

darum, Freiburg endlich auf die Karte zu bringen. „Viele haben hart Bock endlich was zu reißen“.

Franklin erzählt von Iron Hawk, Rapper und einer der ersten, der seine Moonwayvision teilte und ihr

durch „79connected“ einen Namen gab. „Er steckt genauso viel Herzblut in die Musik wie ich.“ Auf die

Frage hin, wie sich der Freiburger Sound für ihn anhört, überlegt er kurz. „In Freiburg sind ganz klar

die Streetsachen populär, Geschichten aus der Hood. Ich versuche aber den Sound aus meinem Studio

vielseitig zu halten.“ Da sei ein Zombie, der ursprünglich aus der Punkszene kommt, eine Henessy106,

die mit reflektierter Streetattitude und Tiefgang überzeugt, ein überkrasser Kany mit der nötigen Portion

Arroganz sowie JemDoc, den er z.B mit Megaloh oder MoTrip vergleicht. Einige Hörproben unveröffentlichter

Tracks folgen. Neben Kopfnickerbeats, Hoodattitude und arroganten Lines werden Geschichten

erzählt. Über Depressionen und Liebe, Freundschaft und Chancen, Drogen und Gewalt. Die Tracks

sind krass, hören sich erst gar nicht nach Freiburg an, vielmehr nach den nächsten großen Sternen aus

Frankfurt oder Hamburg. Was Freiburg raptechnisch tatsächlich zu bieten hat, wird Franklins und Iron

Hawks nächstes Projekt zeigen: Ein 79connected-Mammuttrack, auf dem 26 Rapper*innen aus Freiburg

vertreten sind.

Mehr zu Franklin: Insta: @franklin_moonway

Elisabeth Jockers

Foto: privat

Parallelwelten auf dem Stühlinger Kirchplatz

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Bekanntermaßen gilt der Stühlinger Kirchplatz als Treffpunkt geflüchteter Menschen und

bekanntermaßen ist auch die Polizei dort oft vertreten. Im idyllischen Grün vor dem beliebten

Fotomotiv der Herz-Jesu-Kirche treffen beide Gruppen aufeinander und schon seit langem ist

der Vorwurf laut, dass diesen Begegnungen „Racial Profiling“ zugrunde liege. In dem im Frühjahr

2020 in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ veröffentlichten Artikel „Stühlinger für Alle“

verweist der Anwohner*innen-Verein Stühlinger darauf, dass Menschen auf dem Kirchplatz

bei Polizeikontrollen „wegen ihres Aussehens rassistisch diskriminiert und entwürdigend behandelt“

würden. Mehr als eineinhalb Jahre später, am 29. September 2021 trafen im Rahmen

einer Podiumsdiskussion im E-Werk, veranstaltet vom Freiburger Verein CaPoA (Cooperation

and Progress of Africans) Polizei und kritische Zivilgesellschaft direkt aufeinander. Die Veranstaltung

gab einen beunruhigenden Blick auf zwei Parallelwelten, auf zwei Parteien, die

miteinander keine Sprache gefunden haben.

Dabei wäre ein Blick auf die Zahlen verbindlich genug.Doch Statistiken zu Racial Profiling

in Freiburg gibt es nicht. Entsprechend schwebend verblieb der Begriff innerhalb der Debatte.

Matthias Zeiser, der die Freiburger Polizei als deren Vizepräsident in der Diskussion vertrat,

wollte den Begriff keinem Verhalten der Polizei zuordnen. Er sprach vielmehr von einem respektvollen

Umgang der Polizei bei den Kontrollen. Selbstbewusst

sprach er für die Beamt*innen im Dienst: „Wir führen

verhaltensorientierte Kontrollen durch. Wir kontrollieren nicht

aufgrund des Aussehens einer Person.“ Die Freiburger Polizei

habe sich der „Charta der Vielfalt“ verschrieben und biete

intern Fortbildungen im Bereich interkulturelle Kompetenz

an.

Beunruhigend war die Veranstaltung deshalb, weil dieser

versöhnlichen Darstellung eine geschlossene Front von Vorwürfen

aus dem Publikum gegenüberstand. Schon früh wurde

der Behauptung des Vizepräsidenten, bei den genannten

Formen des Racial Profiling müsse es sich um Einzelfälle

handeln, Erfahrungen verschiedener Beobachter*innen solcher

Kontrollen entgegen gehalten. Als sich Nelson Momoh,

Nigerianer, Erster Vorsitzender von CaPoA und Streetworker

auf dem Stühlinger Kirchplatz, selbst als Betroffener einer verhaltensunabhängigen

Kontrolle äußerte, war die Spannung im

Saal überdeutlich. Auch weil Momoh direkt neben Zeiser saß,

eine Vermittlung zwischen beiden Welten aber nicht stattfand.

Momoh klagte indes nicht an, sondern wertete sein Erlebnis

auch positiv. Durch die Polizeikontrolle, die er schon am ersten

Tag erleben musste, konnten die jungen Männer auf dem Platz

gleich sehen, dass er nicht zur Stadt gehöre. Der Kommentar

des Streetworkers verrät eine Tragik: Wie kann es sein, dass

jene, die nach Deutschland geflüchtet sind in grundsätzlicher

Skepsis gegenüber der Stadt und ihren ausführenden Organen

verbleiben? Bleibt es da nicht bei einer Fluchtbewegung? Solche

Fragen dürften und sollten die Freiburger Polizei nach diesem

Abend weiter beschäftigen. Dass Matthias Zeiser seine

Kritiker*innen auf ein klärendes Gespräch zum Kaffee eingeladen

hat, dürfte die Lage voraussichtlich nicht entspannen.

Fabian Lutz

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