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THEATER KULTUR JOKER 5

Durch Mark und Bein

Die elsässische Rheinoper begeistert in Straßburg mit Giuseppe Verdis „Stiffelio“

Ein eifersüchtiger Pastor trifft

auf einen schwächlichen Nebenbuhler,

der vom jähzornigen

Schwiegervater getötet wird.

Die untreue Gattin bittet ihren

frisch geschiedenen Ex-Mann

um eine Beichte. Am Ende steht

das christliche Verzeihen – nur

der getötete Liebhaber hat nicht

mehr viel davon. Giuseppe

Verdis „Stiffelio“ nach einem

wenig schlüssigen Libretto von

Francesco Maria Piave steht nur

selten auf dem Spielplan. Zur

Entstehungszeit 1850 musste

der Komponist im katholischen

Italien mit der Zensur kämpfen.

Jetzt hat die Opéra national du

Rhin in Straßburg die Rarität

auf die Bühne gebracht und in

einer musikalisch und szenisch

starken Produktion den Stoff

konzentriert. Schon zu Beginn

der hellen, tänzerischen Ouvertüre

ist in Bruno Ravellas ästhetischer

Inszenierung ein Kreuz

auf die dunkle Bühne projiziert.

Die spartanische Holzkirche

(Ausstattung: Hannah Clark)

hat keinen Ausgang ins Freie,

wo ein bewölkter Himmel das

kommende Unheil andeutet.

Hier ist es eng und karg. Die

Gemeinde trägt Schwarz. Kein

Platz für Sinnlichkeit in dieser

ganz homogenen, sektenähnlichen

Gemeinschaft. Der heimkehrende

Pastor Stiffelio, der

auf seiner Reise „einen Ozean

der Sünde“ erlebt hat, wettert

gegen Ehebruch, ehe zunächst

seinem Schwiegervater Stankar

dämmert, dass er selbst damit

zu tun haben könnte. Jonathan

Tetelman gibt Stiffelio als charismatischen

Prediger, dessen

salbungsvolle Worte er mit

seinem dunkel leuchtenden Tenor

veredelt. Aber wehe, dieser

beherrschte Geistliche verliert

seine Fassung wie am Ende des

ersten Aktes, als er mitten in der

Öffentlichkeit von Eifersucht

getrieben wird. Dann härtet sich

sein Tenor, dann gehen seine

durchdringenden Spitzentöne

durch Mark und Bein. Auch im

zweiten Akt ist dieser Stiffelio

außer sich und kurz davor,

den Nebenbuhler Raffaele (mit

hellem, leichtem Tenor: Opernstudiomitglied

Tristan Blanchet)

zu töten – erst die Orgel und der

Gemeindegesang, der aus der

Kirche dringt, lassen seine Emotionen

wieder abkühlen. Diesen

Job übernimmt der Schwiegervater

Stankar (bedrohlich: Dario

Solari): Seine blutigen Hände

künden von der Gewalttat. Die

armenische Sopranistin Hrachuhí

Bassénz komplettiert als Stiffelios

Ehefrau Lina das herausragende

Solistenensemble.

Dirigent Andrea Sanguineti

verdichtet mit dem Orchestre

symphonique de Mulhouse die

Emotionen. Die effektvollen

Kontraste lässt er aufeinanderprallen,

aber auch im Fortissimo

bleibt das Orchester geschmeidig.

Der Chor (Leitung: Alessandro

Zuppardo) zeigt ebenfalls

große Bandbreite – vom innigen

Choral bis zum kernigen Lobgesang.

Diese Verdichtung ist auch

in der Regie von Bruno Ravella

zu erleben. Das fröhliche Fest im

1. Akt, das emotional eskaliert,

erinnert mit seiner langen Tafel

an das letzte Abendmahl. Auch

hier sitzt mit Raffaele der Verräter

am Tisch. Für das starke

Schlussbild mit viel christlicher

Symbolik setzt der italienische

Regisseur die Bühne unter Wasser,

so dass die Kirche und ihre

Gemeinde noch stärker von der

Welt getrennt sind. Angeregt

durch Jesus‘ barmherzigen Umgang

mit der Ehebrecherin verzeiht

auch Stiffelio seiner Frau

und schreitet in den dunklen,

knöcheltiefen See. Die Gemeinde

folgt ihm aus der engen Kirche

heraus. Wasser als Reinigung

von Schuld – und vielleicht auch

Hoffnung auf einen Neuanfang.

Weitere Aufführungen: 7./9.

Nov. (Mulhouse: La Filature),

Tickets unter www.operanationaldurhin.eu

Georg Rudiger

Jonathan Tetelman (Stiffelio) und Hrachuhi Bassénz Foto: Klara Beck

Eine kleine Operettengeschichte

Mit der Revue „Operette sich wer kann“ eröffneten die Schönen ihre

Saison und nehmen sie im November wieder auf

Leicht, turbulent und spritzig,

gefühlvoll bis frivol und auch mal

frech – davon kann man gerade

nicht genug haben! „Die Schönen“

eröffneten im Juni ihre Saison

mit der Revue „Operette sich

wer kann“ (Regie, Bühne, Licht:

Herbert Wolfgang. Konzeption,

Co-Regie: Leopold Kern, musikalische

Leitung: Max Langer).

Vom 19. November bis 18. Dezember

steht die Reue nun wieder

auf dem Spielplan.

Blauer Sommerwolkenhimmel

als Hintergrundprospekt, links

der versierte Max Langer am

Klavier, rechts Klaus Gülker als

geschmeidiger Conférencier im

schwarzen Rolli auf biederem

50er-Jahre- Sessel: heiter-beschauliche

Nachmittagstee-Atmosphäre.

Doch schon flackert

das Licht, dröhnt Blitzgewitter

aus dem Off (Technik: Paulo

da Silva)und zwei Gestalten in

schwarzen Kapuzen-Umhängen

stürmen die Bühne und schmettern

„Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst

bin ich verloren!“ aus Mozarts

Zauberflöte. Drama pur! – „Ich

halt die Oper für gesponnen!“,

kommentiert Gülker lakonisch.

– Solch ironische Brechungen

gibt’s in den folgenden zwei

Stunden zuhauf, weshalb Katrin

Mayer (Sopran) und Rubén

Olivares (Tenor) auch gleich

die Mäntel zum schmissigen

Operetten-Medley abwerfen. Da

brennt Leidenschaft heißer als

Gulaschsaft, da fliegt der Kopf

wie ein Luftballon davon, es wird

gejodelt und geschmachtet. Spätestens

mit „Strahlender Mond“

von Paul Linke aus „Der Vetter

aus Dingsda“ packt einen der

rosarote Glamour-Herzschmerz.

Operette – das Disneyland für

große Menschenkinder.

Während Gülker immer wieder

den süffisanten Erklär-Onkel

samt Kalauer gibt und auch den

ein oder anderen Gassenhauer

wie „Was kann der Siegesmund

dafür, dass er so schön ist“ trällert,

zeigen die beiden Jungtalente

Bühnenpräsenz, Ausdauer und

Bandbreite: Katrin Mayer aus

Schramberg überzeugt vor allem

in tieferen Stimmlagen und bei

kessen Liedern wie „Warum soll

eine Frau kein Verhältnis haben“

(Oscar Straus). Eine Entdeckung

ist der Chilene Rubén Olivares,

der mit Schmachtsongs wie „Dein

ist mein ganzes Herz“ einen tollen

Tenor mit viel Ausstrahlung

und wandelbarer, starker Stimme

zeigt. Mit wenig Requisite und

Kostümwechseln (Norbert Wild)

wirbeln die beiden so dynamisch

wie spielfreudig über die kleine

Bühne (Choreografie: Stefanie

Verkerk). Es macht Spaß ihnen

dabei zuzusehen!

Klar, darf bei den Schönen

neben „Die Blume aus Hawaii“

auch „Im Weißen Rössl“ nicht

fehlen, letzteres sogar als Medley

in schunkellauniger Rosamunde-

Pilcher-Ästhetik. Überhaupt,

Wien und nochmals Wien: Ob

Ohrwürmer aus „Die Csárdásfürstin“,

„Die Fledermaus“ oder

„Die lustige Witwe“ – es gibt

Turbulenzen und amouröse Verwicklungen

ohne Ende. – Alles

nur „Wiener Schmarrn“ kontert

Friedrich Holländer in seinem

gleichnamigen Schmählied und

ordert Rattengift gegen diesen

„Kitsch im Dreivierteltakt“.

Umso kontrastreicher die Reise

ins Berlin der 20er Jahre, auch

dort amüsiert man sich, dass die

Balken krachen: Denn „Es ist

schön am Abend bummeln zu

gehen“! Und so wird hier auch

eine kleine Operettengeschichte

erzählt, zu der es gerne noch ein

paar Infos mehr geben dürfte.

19. November bis 18. Dezember.

Karten und Infos unter:

www.dieschoenen.com

Marion Klötzer

Siri Karoline Thornhill, Sopran

Katharina Magiera, Mezzosopran

Johannes Mayer, Tenor

Manfred Biner, Bass

Camerata Vocale Freiburg

Camerata Freiburg

Leitung: Winfried Toll

Tickets an den Vorverkaufsstellen der

Badischen Zeitung, bei Reservix oder unter

www.cameratavocalefreiburg.de

Werke von J.S. Bach, Giovanni Gabrieli,

Antonio Vivaldi und Ottorino Respighi

27.11.2021

20 Uhr

St. Gallus, Merzhausen

2G

Einlass nur

mit 2G-

Nachweis

Unsere

Veranstaltungen

sind barrierefrei

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