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Bajour Magazin #2

Unsere journalistischen Perlen des letzten Jahres zusammengefasst in einem Magazin.

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<strong>Bajour</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>#2</strong> | 2021<br />

Mieterhöhungen in Basel<br />

bedeuten Dividende in Zürich<br />

Danach folgen weitere Pensionskassen, aber<br />

auch Immobilienfirmen und Anlagefonds mit<br />

ebenfalls Hunderten Wohnungen.<br />

Dem gegenüber stehen die privaten sowie die<br />

gemeinnützigen Immobilienbesitzer*innen: Sie<br />

besitzen noch immer zwei Drittel der Wohnungen.<br />

Das ist viel, könnte man denken. Doch ihr<br />

Anteil geht zurück – zugunsten der institutionellen<br />

Anleger*innen und mit Auswirkungen<br />

auf die Immobilienpreise.<br />

Denn, so sagt Beat Leuthardt vom Basler Mieterinnen-<br />

und Mieterverband: «Die grossen<br />

Firmen können viel mehr Druck ausüben und<br />

Rendite bolzen als die kleinen.» Resultat: «Die<br />

Kosten explodieren.»<br />

Tatsächlich: Seit 2005 haben sich die Immobilienpreise<br />

in allen<br />

Quartieren mehr<br />

als verdoppelt, so<br />

steht es in der jährlich<br />

erscheinenden<br />

Wohn-Studie der<br />

Basler Kantonalbank<br />

(BKB). Fabrice Lanz,<br />

der bei der BKB die<br />

Immobilienabteilung<br />

leitet, rechnet vor:<br />

«Vor zehn Jahren<br />

brauchte ein typischer<br />

Basler Haushalt<br />

mit einem Einkommen<br />

von 80’000<br />

Franken im Jahr rund<br />

370’000 Franken<br />

Eigenkapital für eine<br />

Vergleichswohnung.<br />

Heute sind 930’000<br />

Franken Eigenkapital nötig.» Die Studie kommt<br />

deshalb zum Schluss: «Ein Eigenheim in der<br />

Stadt ist inzwischen praktisch unerschwinglich<br />

geworden.»<br />

Diese Preise schlagen auch auf die Mieten.<br />

Durchschnittlich zahlen die Basler*innen heute<br />

20 Prozent mehr für die Miete als 2005, wie eine<br />

Erhebung des Statistischen Amts ergeben hat.<br />

Dabei schenkt auch die Lage ein: Vergleichbare<br />

Wohnungen auf dem Bruderholz sind gemäss<br />

Mietpreisraster 17 bis 18 Prozent teurer als in<br />

den günstigsten Wohnvierteln Klybeck und<br />

Kleinhüningen.<br />

Diese Zunahme bei den Mieten hat selbstverständlich<br />

mit der Wohnungsknappheit und den<br />

höheren Ansprüchen zu tun, die Leute leben<br />

lieber in grossen Wohnungen.<br />

Die steigenden Mietpreise hängen aber auch<br />

mit dem Renditedruck der Investor*innen zusammen.<br />

Das zeigen die Genossenschaften,<br />

die auf Kostenmiete setzen: Wer in einer Dreizimmerwohnung<br />

lebt, zahlt 38 Prozent mehr<br />

als jemand, der eine gleich grosse Genossenschaftswohnung<br />

hat.<br />

In diesen 38 Prozent versteckt sich die Rendite.<br />

Genossenschaften sind gemeinnützig und verlangen<br />

nur so viel Miete, wie sie für den Unterhalt<br />

brauchen, das nennt man Kostenmiete. Investor*innen<br />

dagegen schlagen noch Rendite<br />

darauf, um an den Wohnungen zu verdienen.<br />

Für Beat Leuthardt vom Basler Mieterinnenund<br />

Mieterverband<br />

ist klar: «Es sind vor<br />

allem die grossen Firmen,<br />

die Rendite bolzen,<br />

koste es, was es<br />

wolle.» Auch kleine<br />

Vermieter*innen können<br />

ihre «Macken»<br />

haben, sagt er. Aber:<br />

«Die leben in Basel<br />

und setzen sich im<br />

Allgemeinen mit uns<br />

und den Mieter*innen<br />

an einen Tisch und<br />

handeln Lösungen<br />

aus.» Firmen wie die<br />

CS oder UBS hätten<br />

ihren Sitz dagegen in<br />

Zürich und würden<br />

für Verhandlungen<br />

mit Mieter*innen nur<br />

noch ihre Anwält*innen vorbeischicken. «Denen<br />

ist egal, ob du Schimmel hast im Badezimmer<br />

oder der Kühlschrank nicht funktioniert.»<br />

Den harschen Befund teilt nicht nur der Mieter*innenvertreter.<br />

Auch Andreas Zappalà vom<br />

Hauseigentümerverband bestätigt, dass grosse<br />

Investor*innen bei den Preisen mehr ans Limit<br />

gehen als kleine Vermieter*innen.<br />

Ein*e Kleinunternehmer*in mit einer Liegenschaft<br />

schaue Ende Jahr, ob es noch ein Plus<br />

gebe, «dann ist gut». Ausserdem würden viele<br />

private Hauseigentümer*innen selbst in der<br />

Liegenschaft wohnen. «Dann kennt man seine<br />

Mieter vielleicht seit Jahren und geht nicht ständig<br />

mit der Miete rauf», sagt Zappalà.<br />

Gerade Pensionskassen, beispielsweise, müssen<br />

genug Einnahmen erwirtschaften, um ihre<br />

Renten zu finanzieren. «Deswegen analysieren<br />

sie regelmässig den Markt, vergleichen Mietpreise<br />

und schauen, wie die Ertragslage gehalten<br />

oder verbessert werden kann», sagt Zappalà.<br />

Die Credit Suisse sagt: Unsere<br />

Mietpreise sind quartierüblich<br />

Wir haben die Credit Suisse als grösste Immobilienbesitzerin<br />

der Stadt mit diesen Vorwürfen<br />

konfrontiert. Sprecherin Joya Martellosio hält<br />

fest: «Credit Suisse Asset Management verwaltet<br />

für seine Fonds ein breites Immobilienportfolio<br />

in der Stadt Basel. Die Mietpreise in<br />

diesen Immobilien bewegen sich in der Regel<br />

im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit<br />

für vergleichbare Objekte. Die Bewirtschaftung<br />

der Liegenschaften erfolgt durch vor Ort anwesende<br />

Immobilienverwaltungen, was eine<br />

professionelle Betreuung unserer Mieterinnen<br />

und Mieter sicherstellt.»<br />

Wie das vor sich geht, zeigt sich beispielsweise<br />

entlang der Verkehrsader Luzernerring. Eine<br />

gänzlich unspektakuläre Lage, an welcher sich<br />

Wohnungen im Besitz von Grossinvestor*innen<br />

aneinanderreihen.<br />

Offenbar verbergen sich dank des aufgeheizten<br />

Markts auch in eher schmucklosen Mehrfamilienhäusern<br />

Renditechancen für Immobilienfirmen.<br />

So erklärt Robert Weinert, Immobilienexperte<br />

bei Wuest Partner: «Grossstädte wie<br />

Basel, Zürich und Genf sind sehr attraktiv in<br />

Bezug auf Investments. Hier ist die Nachfrage<br />

nach Wohnungen hoch, die Wohnungen sind<br />

oft knapp und demzufolge die Leerstände sehr<br />

tief», auch durchschnittliche Mietobjekte würden<br />

sich langfristig lohnen, weil die Mieteinnahmen<br />

stabile und kalkulierbare Einnahmen darstellen<br />

würden. Wer also eine stetige Rendite erzielen<br />

will, kauft und baut Mehrfamilienhäuser, vermietet<br />

sie, saniert sie zum richtigen Zeitpunkt,<br />

kann so die Mieteinnahmen steigern und die<br />

Rendite erhöhen. Das lockt.<br />

Zwei der Gebäude in der Häuserzeile am Luzernerring<br />

gehören dem Lausanner Investmentfonds<br />

Realstone. 7,2 Millionen Franken hat die<br />

26 27<br />

Firma vor zwei Jahren für die acht Wohnungen<br />

bezahlt und erzielt damit jährliche Mieteinnahmen<br />

von einer Viertelmillion, wie aus dem Geschäftsbericht<br />

hervorgeht.<br />

Doch offenbar will Realstone noch mehr Rendite<br />

rausholen: mittels Totalsanierungen.<br />

Darauf weist ein Schreiben an die Investor*innen<br />

hin, das <strong>Bajour</strong> vorliegt. Nach einer geplanten<br />

Aufzonung 2022 sollen die acht grösseren,<br />

eher günstigen Wohnungen allenfalls in<br />

bis zu 34 kleinere Wohnungen umgewandelt<br />

werden, was die Rendite vervielfachen würde:<br />

«Je nach Szenario besteht ein substanzielles<br />

Wertschöpfungspotenzial», informiert ein<br />

Realstone-Manager die Investor*innen im Brief.<br />

<strong>Bajour</strong> wollte mit Realstone sprechen, die Anfrage<br />

wurde nicht beantwortet.<br />

Vor einigen Jahren berichtete die «Tageswoche»<br />

in einer Serie über die Firma Immro AG<br />

aus dem luzernischen Schötz. Diese verdiente<br />

ihr Geld mit dem Kaufen, Umbauen und Weiterverkaufen<br />

als Stockwerkeigentum von Basler<br />

Wohnungen. Im «Wem gehört Basel?»-Datensatz<br />

ist sie nur noch bei einer einzigen Liegenschaft<br />

als Besitzerin eingetragen, während sie<br />

von Mitte 2008 bis Mitte 2017 45 Objekte gekauft<br />

(und mittlerweile auch weiterverkauft) hat.<br />

Doch die Realität ist, wie so oft, nicht schwarzweiss.<br />

So sagt Rolf Borner, Chef von Immobilien<br />

Basel-Stadt: «Aus unserer Sicht gibt es gerade<br />

unter den Tausenden privaten Vermietern<br />

solche, die hauptsächlich auf den Gewinn aus<br />

sind.» Anders als grosse Immobilienfirmen: «Die<br />

grossen Player auf dem Markt treten professioneller<br />

auf und senken beispielsweise von sich<br />

aus die Mieten, wenn der Referenzzinssatz angepasst<br />

wird», sagt Borner. Immobilien Basel-<br />

Stadt verwaltet die Immobilien des Kantons,<br />

der Einwohner*innengemeinde der Stadt Basel<br />

und der Pensionskasse Basel-Stadt.<br />

Und was macht die Politik?<br />

Ob für eine Basler Kleinunternehmerin oder für<br />

eine Zürcher Grossbank: Das Kaufen und Verkaufen<br />

von Wohneigentum ist nicht verboten.<br />

Gerade Pensionskassen und Anlagefonds haben<br />

in Zeiten des Negativzinses oft gar keine<br />

andere Wahl, als Rendite auf dem Immobilienmarkt<br />

zu erwirtschaften.<br />

<strong>Bajour</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>#2</strong> | 2021

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