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Bajour Magazin #2

Unsere journalistischen Perlen des letzten Jahres zusammengefasst in einem Magazin.

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tet, dass die Erfahrung nicht gewaltvoll war.<br />

Damit ist man auch schon bei der schwierigen<br />

Antwort: Es ist nicht immer alles gut.<br />

Die Doula (Geburtsbegleiterin) Monika Di Benedetto<br />

ist eine, die das Wort «Gewalt» bewusst<br />

braucht. In einem Artikel für die Angst- und<br />

Panikhilfe Schweiz schreibt sie im April 2020,<br />

dass Gewalt unter der Geburt sowohl psychischer<br />

wie auch physischer Natur sein kann.<br />

Dazu gehören folgende Handlungen – unter<br />

zahlreichen anderen:<br />

̺ Das Hinwegsetzen über die Rechte und<br />

Wünsche der Gebärenden<br />

̺ Druck ausüben<br />

̺ Der Gebärenden Angst machen oder<br />

sie zu einer Handlung manipulieren<br />

̺ Beleidigen, Anschreien, Auslachen oder<br />

Beschimpfen<br />

Di Benedetto ist Präsidentin von Roses Revolution,<br />

einer Aktion, die sich gegen Respektlosigkeit<br />

und Gewalt in der Geburtshilfe einsetzt. In<br />

ihrer Aufzählung ist die Bezeichnung «Gewalt<br />

unter der Geburt» mannigfaltig – und komplex:<br />

Wenn eine Frau sich unangemessen behandelt<br />

fühlt – gilt das dann schon als Gewalt? «Das<br />

Problem», sagt Monika Di Benedetto am Telefon,<br />

«ist der Zusammenhang zwischen Gewalt<br />

und Geburt. Der wird nur zögerlich gemacht,<br />

weil bei vielen Frauen das Wissen darüber fehlt,<br />

was unter der Geburt ok ist und was nicht.»<br />

Gewalt? Ich weiss nicht<br />

Das deckt sich mit meinen Erfahrungen in dieser<br />

Recherche. Als ich mich auf die Suche nach<br />

Betroffenen machte, meldeten sich über 40<br />

Baslerinnen, die negative Erfahrungen unter<br />

der Geburt gemacht hatten. Kaum eine sprach<br />

aktiv von Gewalt.<br />

Viele sagten: «Was ich erlebt habe, war zwar<br />

schlimm, aber Gewalt? Ich weiss nicht.» Die<br />

Mehrheit erzählte nicht von physischer Gewalt<br />

wie Dammschnitten oder Herausreissen<br />

der Plazenta, sondern von der gefühlten Respektlosigkeit,<br />

die ihnen während der Geburt<br />

entgegengebracht worden sei.<br />

Von Sätzen wie:<br />

«Sie sind zu<br />

intelligent zum<br />

Gebären»<br />

«Wer vögeln<br />

kann, kann<br />

auch ein Kind<br />

bekommen»<br />

«So geht das<br />

nicht, machen Sie<br />

die Beine breit»<br />

«Sie pressen<br />

einfach nicht<br />

genug»<br />

Jede Erzählung war anders, aber alle hatten<br />

eines gemeinsam: Die Gebärenden fühlten sich<br />

nicht ernst genommen. Eine Frau sagte: «Ich<br />

wurde behandelt, als wäre ich eine Hülle, aus<br />

der ein Baby genommen werden muss.»<br />

Um zu verstehen, wie es zu solchen Erlebnissen<br />

kommt, reicht es nicht, mit Betroffenen zu<br />

reden. Diese Geschichte lässt sich nicht über<br />

Opfer und Täter*innen erzählen, dafür sind die<br />

Vorgänge, die während einer Geburt ablaufen,<br />

viel zu komplex. Was die Frauen in dieser Geschichte<br />

erfahren haben, ist das Ergebnis einer<br />

Struktur, die solche Situationen begünstigt. Die<br />

wirkliche Frage also lautet: Wie sieht das Gefüge<br />

aus, in dem sich die heutige Geburtshilfe<br />

bewegt? Und was lässt sich machen, damit<br />

Frauen selbstbestimmter gebären können?<br />

Totgeburten und<br />

Säuglingssterblichkeit<br />

Jährliche Rate pro 1000<br />

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<strong>Bajour</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>#2</strong> | 2021<br />

«Sie sind nicht<br />

fürs Gebären<br />

gemacht»<br />

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<strong>Bajour</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>#2</strong> | 2021

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