rik April/Mai 2022
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FILM<br />
INTERVIEW<br />
DER MÜTTERVERSTEHER<br />
Nicht zum ersten Mal erzählt<br />
der spanische Oscar-Gewinner<br />
Pedro Almodóvar in seinem<br />
neuen Film „Parallele Mütter“ von<br />
unterschiedlichen Mutterfiguren rund um<br />
seine Stammschauspielerin Penélope Cruz.<br />
Doch gleichzeitig betritt er neues Terrain<br />
und widmet sich erstmals dezidiert politischen<br />
Themen und Spaniens Geschichte.<br />
Wir sprachen darüber im Videotelefonat<br />
mit dem schwulen Filmemacher, dem vor<br />
vierzig Jahren mit seinem zweiten Spielfilm<br />
„Labyrinth der Leidenschaften“ der große<br />
Durchbruch gelang.<br />
Herr Almodóvar, nach Ihrem bislang<br />
persönlichsten Film „Leid und Herrlichkeit“<br />
legen Sie nun mit „Parallele<br />
Mütter“ Ihren politischsten vor.<br />
Besteht da ein Zusammenhang?<br />
Nicht wirklich. Höchstens in dem Sinne, dass<br />
mir diese autobiografische Auseinandersetzung<br />
unwiederbringlich gezeigt hat, dass<br />
ich alt werde. Weswegen ich mir wohl mehr<br />
Gedanken denn je über die Vergangenheit<br />
und das Vergehen von Zeit mache. Aber<br />
lange Rede, kurzer Sinn: „Parallele Mütter“<br />
ist nicht irgendwie eine Reaktion auf den<br />
Film davor oder so. Im Gegenteil hatte ich<br />
die Geschichte für den neuen schon lange<br />
mit mir herumgetragen und bereits vor<br />
zehn Jahren eine erste Drehbuchfassung<br />
geschrieben.<br />
Haben Sie in früheren Filmen politische<br />
Themen bewusst gemieden?<br />
Nein, aber mich trieben andere Sachen um.<br />
Ich begann meine Karriere als Filmemacher<br />
in einer sehr besonderen Zeit, als Spanien<br />
sich gerade neu erfand und zur Demokratie<br />
wurde. Da war es uns jungen Menschen<br />
wichtiger, im Hier und Jetzt zu leben und auf<br />
die Gegenwart zu schauen, als in die Vergangenheit<br />
zu blicken. Und unsere neue Freiheit<br />
zu genießen. Wobei das ja gar nicht heißt,<br />
dass wir damals unpolitisch waren. Mir ging<br />
es, auch in meiner Arbeit, um Drogen und<br />
Sex, aber auch um Gleichberechtigung und<br />
die Rechte von Homo- und Transsexuellen.<br />
In „Parallele Mütter“ geht es nun – in<br />
einem von zwei Handlungssträngen –<br />
um die Aufarbeitung von Verbrechen<br />
aus der Franco-Zeit und das Öffnen<br />
anonymer Massengräber. Ist das<br />
heutzutage in Spanien noch ein<br />
kontroverses Thema?<br />
Auf jeden Fall eines, das uns seit einiger Zeit<br />
endlich mehr umtreibt denn je. Spanien war<br />
schon immer ein sehr geteiltes Land, nicht<br />
zuletzt deswegen gab es ja damals den<br />
Bürgerkrieg. Inzwischen gibt es, zumindest<br />
in den jüngeren Generationen, eigentlich<br />
eine große Mehrheit von Menschen, die<br />
dringend dafür sind, dass wir uns mit<br />
unserer Geschichte des 20. Jahrhunderts<br />
auseinandersetzen und dass vor allem die<br />
Opfer des Bürgerkrieges und der Franco-Zeit