DER BIEBRICHER, Nr. 366, Mai 2022
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich
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„Kiez-Kisten“ für Biebrich<br />
Eine Fassade kann nicht nur<br />
Optik sein, sondern auch ein<br />
Aufenthaltsort? Davon ist Guido<br />
Rech vom Verein „Biebrich<br />
203 gemeinsam.machen“ überzeugt.<br />
Er hat sich mit seinem Architekturbüro<br />
schon mit einem<br />
kreativen Gestaltungsvorschlag<br />
am Fassadenwettbewerb „Die<br />
Wand gehört dir“ der Hessen-<br />
Agentur beteiligt (siehe Beitrag<br />
im <strong>BIEBRICHER</strong> 365, April <strong>2022</strong>).<br />
Aber er hat sich mit seinen Vereinskolleginnen<br />
und -kollegen<br />
noch einen weiteren Vorschlag<br />
ausgedacht – eben jenen zum<br />
Thema „Aufenthaltsqualität“.<br />
Denn er hat zahlreiche Fassaden<br />
mit Fensterbänken und Nischen<br />
wahrgenommen – in Biebrich<br />
wie auch im Westend – wo sich<br />
Menschen zum Plaudern hinsetzen.<br />
Das könnte man auch noch etwas<br />
aufwerten, ist Rech überzeugt.<br />
Und so möchte er zum<br />
einen das Sitzen durch Holzoder<br />
Kissenauflagen bequemer<br />
machen, zum anderen so genannte<br />
„Kiez-Kisten“ installieren,<br />
mit denen man Gegenstände,<br />
Bücher, Pflanzen aber auch<br />
Ideen tauschen kann. Dazu gehört<br />
natürlich, dass der Eigentümer<br />
oder Nutzer des Gebäudes,<br />
zu dem die „Kiez-Kiste“ gehört,<br />
sich dafür verantwortlich fühlt,<br />
abends zu einem festen Zeitpunkt<br />
das Ganze abräumt und<br />
ein Auge auf das Geschehen<br />
hat. „Das kann eine neue Kultur<br />
des Miteinanders schaffen“, ist<br />
Rech überzeugt. Und schwärmt<br />
von Projekten wie jenem aus<br />
Kopenhagen, wo in einem<br />
Stadtviertel 200 gelbe Stühle<br />
verteilt wurden, die für die<br />
Kommunikation der Menschen<br />
untereinander da sein sollten.<br />
Das habe prima geklappt.<br />
Die Kisten und die Sitzauflagen<br />
möchte man vom Facettenwerk<br />
oder den BauHaus-Werkstätten<br />
herstellen lassen und so auch<br />
noch einen guten Zweck erfüllen.<br />
„Das kann den Stadtteil<br />
bereichern“, meint Guido Rech.<br />
Das Konzept habe man zwar<br />
zum Wettbewerb eingereicht,<br />
„aber wir machen das auf jeden<br />
Fall.“ Gibt es keinen Wettbewerbsgewinn,<br />
will man andere<br />
Sponsoren, beispielsweise<br />
die Ortsbeiräte, ansprechen.<br />
Das Ganze soll ein sehr niedrigschwelliges<br />
Projekt werden.<br />
Mitbringen müsse man sich sein<br />
Getränk selbst, wenn man eines<br />
haben möchte. Die Sachen zum<br />
Tauschen, nach dem Prinzip<br />
der öffentlichen Bücherschränke,<br />
können auch mitgebracht<br />
und entnommen werden. Über<br />
Nacht kommen sie auch in die<br />
Gebäude. „Ein bisschen soziale<br />
Kontrolle braucht es natürlich,<br />
damit wir dem Vandalismus vorbeugen.“<br />
Die ersten beiden „Kiez-Kisten“<br />
sollen im Westend vor dem<br />
Architekturbüro Marum in der<br />
Scharnhorststraße 12 und in<br />
Biebrich am Büro von Rech-<br />
Architekten in der Breslauer<br />
Straße 26 aufgebaut werden.<br />
So soll die erste „Kiez-Kiste“ mit Sitzecke in der Breslauer Straße 26<br />
demnächst aussehen.<br />
„Hier werden wir erste Erfahrungen<br />
sammeln und danach<br />
konkret weitere Projekte angehen.<br />
Gemeinsam mit den<br />
beiden Quartiersmanagerinnen<br />
haben wir uns schon auf die<br />
Suche gemacht und in unseren<br />
Stadtteilen weitere Stellen gefunden,<br />
die von der ‚Kiez-Kiste‘<br />
zu besonderen Orten gemacht<br />
werden sollen.“ Rund fünf<br />
Standorte kann sich Rech allein<br />
in Biebrich schon vorstellen.<br />
Getragen wird das Projekt von<br />
den Vereinen „Brückenschlag-<br />
Westend e.V.“ und „Biebrich203<br />
gemeinsam.machen<br />
e.V.“, die sich beide für das<br />
Leben in ihrem Kiez engagieren.<br />
Vom Nutzen des Projekts<br />
sind die Vereinsmitglieder überzeugt:<br />
„Nicht nur die Straße,<br />
nicht nur der Bürgersteig dient<br />
dem öffentlichen Austausch –<br />
die Fassade wird mit einbezogen<br />
und wird so zum lebendigen<br />
Ort. Sie erhält eine weitere<br />
Bedeutung – genauso, wie die<br />
Dinge, die man dort tauschen,<br />
verschenken und genießen<br />
kann. Die Nutzung der Fassade<br />
schafft neue Freiheiten in der<br />
Gestaltung solcher Orte. Der<br />
Ladenbesitzer, der Eigentümer<br />
der Immobilie, der Gastronom,<br />
der Bewohner kann so privat<br />
initiiert einen halböffentlichen<br />
Raum schaffen, der das Miteinander<br />
bereichert.“<br />
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22 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / MAI <strong>2022</strong>