0831 - Das Kemptener Stadtmagazin (März/April 2023)
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Mehrwert
Vanessa bei einem Workshop mit Jugendlichen im BindungsRaum Kempten
KOMMUNIKATION IST KING
GEMEINSAM DURCH SCHWIERIGE ZEITEN
Von Dominik Baum
Vanessa Frontzeck arbeitet seit über 15 Jahren
mit Kindern und Jugendlichen, ob in Schulen,
Jugendzentren oder als Jugend- und Familiencoach.
Dadurch erfährt sie tagtäglich von den
Sorgen und Ängsten, die junge Menschen beschäftigen.
Welche Übungen bei akuten Stresssituationen
helfen können, auf welche Warnsignale
Eltern bei ihren Kindern achten sollten und welche professionellen
Anlaufstellen es für Hilfesuchende gibt – all das hat sie
uns im Interview erzählt.
Vanessa, wie du weißt, haben wir ein Interview mit Simon
Schnetzer geführt. Thema: Wie geht es unserer Jugend? Dir
vertrauen sich Jugendliche als Jugend- und Familiencoach
und langjährige pädagogische Mitarbeiterin noch mal in
einem ganz anderen Kontext an. Spiegelt sich deine Erfahrung
in den Forschungsergebnissen der Jugendstudie
wider?
Ja, auf jeden Fall! Die Jugendlichen, mit denen ich arbeite, sind
häufig sehr unsicher in ihrem Selbstbild. Sie erklären sich
selbst zu machtlosen Geschöpfen ohne Handlungsoptionen. Die
meisten sind extrem verwirrt von der gesellschaftlichen und
politischen Lage, von der permanenten Reizüberflutung, von
zu vielen Optionen. Gleichzeitig kann der gestiegene Betreuungsbedarf
nicht abgefangen werden: Bei Kinder- und Jugendtherapeuten
gibt es Wartezeiten von bis zu einem Jahr, auch in
Jugendhilfeeinrichtungen herrscht Personalmangel. An Schulen
sieht es kaum besser aus, während die Anzahl an Kindern mit
auffälligem Sozialverhalten steigt.
Welche Themen brennen den Jugendlichen
aktuell besonders unter den Nägeln?
Sie wissen auf der einen Seite nicht so recht, was sie mit ihrer
Freizeit und ihrem Leben anfangen sollen und sind schwer für
Neues zu begeistern, sind andererseits jedoch völlig reizüberflutet,
vergleichen sich sehr stark und ziehen dabei Rückschlüsse
auf ihren eigenen Wert. Das hat mitunter zur Folge, dass viele
junge Menschen schildern, sie hätten keinen Zugang zu ihrer
Gefühlswelt, fühlten sich leer, hätten Konzentrationsschwierigkeiten
und seien unglücklich. Sie trauen sich selbst leider viel
zu wenig zu und ziehen sich zurück, schildern Ängste vor dem
Kontakt zu Gleichaltrigen und anderen Menschen.
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Das Kemptener Stadtmagazin Ausgabe März/April 2023