0831 - Das Kemptener Stadtmagazin (März/April 2023)
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WARUM FRAUENHÄUSER
GERADE IN DER HEUTIGEN
ZEIT WICHTIG SIND
JUDITH PREISING, MITARBEITERIN DES
FRAUENHAUSES KEMPTEN IM INTERVIEW
Von Jasmin Kaiser
Am 08. März ist Weltfrauentag. Jedes Jahr
wird an diesem Tag durch Demonstrationen
oder Kundgebungen auf die Rechte von Frauen
aufmerksam gemacht. Leider in der heutigen
Zeit mit Blick auf die Situation im Iran ein
immer noch wichtiges und vernachlässigtes
Thema. Nicht nur im Iran werden Frauen unterdrückt
und Gewalt ausgesetzt. In Deutschland wird
jeden dritten Tag eine Frau durch ihren Mann, Partner oder
Expartner umgebracht. Es gibt unzählige Frauen und Kinder,
die Schutz suchen und in Frauenhäusern einen sicheren
Platz vor ihrem gewaltbestimmten Alltag finden. Wir haben
Judith Preising, die Leitung des Frauenhauses in Kempten,
befragt und bekommen einen Einblick in ihren Alltag mit den
Betroffenen.
Was ist ein Frauenhaus und wofür
sind diese Einrichtungen da?
Ein Frauenhaus ist ein Schutzhaus für von häuslicher Gewalt
betroffene Frauen und ihre Kinder. Dabei bietet es eine
geschützte Unterkunft, die durch eine anonyme Adresse und
Sicherheitskonzepte geschaffen wird. Außerdem bekommen die
Betroffenen, psychosoziale Beratung und Unterstützung, um
wieder in ein selbstbestimmtes Leben zu finden. Viele sind traumatisiert,
wir versuchen sie so gut wie möglich aufzufangen.
Oft müssen Dinge geregelt werden, wie die Beantragung eines
Kontakt- und Näherungsverbots, die Klärung der finanziellen
Situation, Jobcenteranträge, Kontakt zur Polizei, Anwält:innen
und/oder Gericht, zum Jugendamt und so weiter. Wir bieten
auch unabhängig von einer Aufnahme externe Beratung an.
Diese kann persönlich, telefonisch oder online stattfinden.
Außerdem sind wir auch an das Kemptener Interventionsmodell
– KIM angegliedert. Das ist ein proaktives Beratungsangebot
nach Polizeieinsätzen, bei dem unsere Mitarbeiter:innen, mit der
betroffenen Frau Kontakt aufnimmt, wenn diese das möchte.
Wie lang darf man in einem Frauenhaus
bleiben und wer übernimmt die Kosten?
Wir haben keine Frist, wann Frauen wieder ausziehen müssen.
Der Wohnungsmarkt ist immer noch so angespannt, dass viele
länger bei uns leben als notwendig wäre. Eine Dauer von neun
bis zehn Monaten ist mittlerweile normal. Leider werden so
Zimmer blockiert, die von Frauen in akuten Gewaltsituationen
dringend gebraucht würden. Die Knappheit an bezahlbarem
Wohnraum ist also auch für uns als Frauenhaus ein großes Problem.
Es gibt eine Pro-Kopf-Miete, so wird ein Teil der Mietkosten
gedeckt. Den Großteil der Finanzierung des Frauenhauses
übernimmt jedoch die Stadt Kempten, der Landkreis Oberallgäu
als unser Einzugsgebiet und das Land Bayern. Wir als Verein
Frauen helfen Frauen e.V. müssen allerdings rund 25 Prozent
unseres Gesamthaushalts selbst finanzieren. Deshalb sind wir
auch sehr froh, wenn an uns gespendet wird – darauf sind wir
als autonomes Haus einfach angewiesen.
Wie viele Frauen und Kinder wohnen
derzeit in eurem Haus?
Unser Haus bietet Platz für sieben Frauen und ihre Kinder. Im
Moment sind wir mit insgesamt 17 Personen voll ausgelastet. Es
gibt auch ein großes Familienzimmer oder die Möglichkeit einer
Familie zwei Zimmer zu geben. Wenn wir einen Platz frei haben,
ist dieser meist recht schnell wieder belegt, da die Aufnahmeanfragen
unsere Kapazität deutlich übersteigen. Durch die meist
lange Aufenthaltsdauer haben wir übers Jahr einen eher geringen
Turnover.
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Das Kemptener Stadtmagazin Ausgabe März/April 2023