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aus den Bezirken und Kreisen 57<br />
Dieses Ziel hatten sich die „Wildunger Jungs“ um die Brüder Alexander<br />
und Waldemar Hoyer sowie Alexander Abdo gesetzt als sie<br />
2020 vom Verbandsligisten Eintracht Felsberg in die Niederungen<br />
des Tischtennissports hinabstiegen, um den VfL wieder in höhere<br />
sportliche Gefilde zu führen. „Wir haben in Bad Wildungen mit dem<br />
Tischtennis angefangen und wollen hier wieder etwas aufbauen“,<br />
sagte Alexander Hoyer damals. Als die Pandemie den Sport ausbremste<br />
sprang Alexander Abdo aber wieder ab und kehrte nach<br />
Felsberg zurück. Er wurde aber gut durch Bernd Nagel ersetzt,<br />
der vom TTC Kellerwald kam. Auch wenn Hoyer & Co derzeit fast<br />
alles mit links machen, neigen sie weder zum Leichtsinn noch<br />
zum Ausruhen auf den Meisterlorbeeren. „Wie trainieren regelmäßig<br />
zwei bis dreimal pro Woche“, erzählt Alexander Hoyer.<br />
Vermutlich ist allein schon das Training ein Wettbewerbsvorteil für<br />
sie, denn das ist im Tischtennissport nicht immer selbstverständlich.<br />
Aber auch die Wildunger haben keinen Trainer, das wiederum<br />
ist selbstverständlich in dieser Sportart, außer im Nachwuchsbereich<br />
und in höheren Ligen. Und Hoyer weiß auch nicht, warum<br />
sich im Tischtennis eine Tradition der Trainerlosigkeit breitgemacht<br />
hat. „Vielleicht liegt es am Geld“, mutmaßt der 36-Jährige,<br />
der es in seiner Karriere bis in die Hessenliga geschafft hat.<br />
Allerdings weiß er, was im Training zu tun ist, um voranzukommen.<br />
„Auch wer dreimal die Woche trainiert, aber immer nur dasselbe<br />
macht, also keine speziellen Übungen, um sich zu verbessern,<br />
oder nur gegen seine Mannschaftskollegen spielt, der wird<br />
auch nicht besser“, betont Hoyer, der sich mit seinen 36 Jahren<br />
noch ins mittlere Tischtennisalter einstuft. „Ich denke, mit 40 Jahren<br />
kann man immer noch so gut spielen wie mit 20, aber mit 50<br />
nicht mehr, dann lassen Reaktionsfähigkeit, Beweglichkeit und<br />
Schnelligkeit schon merklich nach.“<br />
Auch im Tischtennis gibt es den Spielertyp Angreifer und Verteidiger.<br />
Hoyer stuft sich in die Kategorie Angriffsspieler ein. „Diesen<br />
typischen Defensivspieler wie es ihn früher gab, der weit hinter<br />
der Platte stand, gibt es heute eigentlich nicht mehr“, erzählt Hoyer.<br />
Er könne die Bälle ganz gut blocken, aber mehr habe seine<br />
Verteidigungskunst nicht zu bieten.<br />
Auf die Frage, bei welcher Aktion einem Tischtennisspieler das<br />
Herz aufgeht, fällt ihm keine Antwort ein. Diese inneren Freuden,<br />
die ein Fußballer bei einem Schuss ins Dreieck empfindet, scheinen<br />
Tischtennisspieler nicht zu kennen. „Ein bestimmter Schlag<br />
löst solch einen Gefühl bei uns nicht aus, dann schon eher ein<br />
Sieg, wenn man 2:8 hinten liegt und noch 11:9 gewinnt.“<br />
Allerdings hat Hoyer durchaus eine Schlagkombination, die er so<br />
oft wie möglich einsetzt, vielleicht nicht, weil er sie so sehr mag,<br />
sondern weil er sie kann. „Mit der Vorhand Topspin vorbereiten<br />
und dann mit dem Rückhandschuss den Punkt holen.“<br />
Hoyer hat kein Problem damit, eigene Schwächen zu offenbaren,<br />
die er einfach nicht los wird: Bei einigen Gegnern fällt es ihm<br />
schwer die Angabe anzunehmen. „Wenn der Rückschlag nicht<br />
klappt, ärgert mich das bis heute.“<br />
Angaben seien zwar kein Geheimnis mehr, seit sie nicht mehr verdeckt<br />
gespielt werden dürften, dennoch gebe es noch Gegner, die<br />
wegen ihres Aufschlags gefürchtet seien, die spielten aber nicht<br />
in unteren Ligen.<br />
Eine andere Schwäche ist Hoyer allerdings losgeworden. „Wenn es<br />
eng wurde im Spiel war ich nur auf Blocken eingestellt, war immer<br />
ein Ticken zu passiv, heute spiele ich trotzdem mein Angriffsspiel<br />
weiter. Das ist alles nur Kopfsache.“ Seine mentale Stärke ist<br />
gefragt, wenn Hoyer im Spiel bemerkt, es läuft nicht. Es ist sehr<br />
schwer da wieder rauszukommen. Selbstgespräche helfen dabei:<br />
„ Ich sage mir jetzt vor jedem Ballwechsel, hey jetzt konzentrieren,<br />
sobald man gedanklich abschweift ist der Punkt schon verloren“,<br />
erzählt Hoyer, der sich um die Zukunft des Tischtennissport in<br />
Waldeck-Frankenberg große Sorgen macht. „Im Jugendbereich<br />
kommt einfach zu wenig nach.“<br />
Er weiß mittlerweile auch wieder wie sich eine Niederlage anfühlt.<br />
Denn im Finale des Bezirkspokals hat es Hoyer im Einzel auch mal<br />
erwischt. Nicht schlimm. Er ist auch ein guter Verlierer.<br />
Text: Reinhard Schmidt<br />
Foto: privat<br />
SPIELFELD<br />
Die Guten spielen Tischtennis<br />
Wie stellt man sich den allgemeinen Tischtennisspieler vor, wenn<br />
man ihn noch nie hat spielen sehen? Die Männer und Frauen, die<br />
den kleinen Ball übers Netz schlagen, wirken im Leben neben der<br />
Tischtennisplatte und am Telefon dieser Sportredaktion immer so<br />
ruhig und ausgeglichen. Vielen von ihnen haben noch altmodischschöne<br />
Angewohnheiten, die die meisten Fußballer leider schon<br />
längst über Bord geworfen haben: Tischtennisspieler und -spielerinnen<br />
setzen sich nach dem Spiel oft noch mit dem Gegner von<br />
vorhin zusammen und trinken mit ihm ein oder zwei Bierchen.<br />
Erst kürzlich sagte der Korbacher Spieler Andreas Boltner etwas<br />
schwärmerisch, dass er sich mit seinen Teamkollegen wieder<br />
eine 0:9-Klatsche abgeholt habe, aber das gemeinsame Zusammensein<br />
gleiche das alles wieder aus. Der gleiche Tenor erklingt<br />
aus Wetterburg. Da haben die Frauen des TSV des Spitzenspiel<br />
in Morschen vor sich und die TSV-Kapitänin Saadia Kniwel sagt<br />
dazu: „Egal, wie das Spiel auch ausgehen mag, danach gegen wir<br />
mit den Morschenerinnen beim Thailänder Essen. Das sind gute<br />
Freundinnen von uns.“ So viel Harmonie, so wenig Rivalität, Worte,<br />
die wie ein Monolog in einem Rosemunde-Pilcher-Film klingen.<br />
Aber genauso stellen wir uns Tischtennisspieler vor, denn die Großen<br />
dieser Sportart leben uns auch diesen Charakter vor, ob Timo<br />
Boll, Dimitrij Ovtcharov oder Nina Mittelham. Nicht einmal bei<br />
Olympia sieht man einen, der während des Spiels ausrastet oder<br />
den Schiedsrichter beschimpft. Die Gelbe oder gar Rote Karte ist<br />
in diesen einfühlsamen Kreisen nicht notwendig. Aber stimmt das<br />
so? Vermutlich nicht, denn es muss sie geben, die cholerischen,<br />
die unfairen Tischtennisspieler. Diese Spielverderber gibt es doch<br />
in jeder Sportart. Allerdings kann der Tischtennissport seine<br />
Schreihälse, Quertreiber und die anderen Schwarzen Schafe wirklich<br />
gut verstecken.<br />
Text: Reinhard Schmidt