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immobilia 2023/06 - SVIT

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IMMOBILIENWIRTSCHAFT<br />

WOHNUNGSBAU<br />

WOHNUNGSNOT –<br />

NOT DER POLITIK?<br />

Ein Schlagwort macht im Wahljahr<br />

die Runde: «Wohnungsnot». Die Politik<br />

will mit mehr Unterstützung für die<br />

Wohnbaugenossenschaften dagegen<br />

steuern. TEXT— MARCO SALVI*<br />

Anstatt das Wohnangebot<br />

zu erweitern, heizt die Politik<br />

lieber die Nachfrage an.<br />

BILD: 123RF.COM<br />

ZU WENIG ANGEBOT<br />

Eine im langjährigen Vergleich überdurchschnittliche<br />

Leerstandsquote; die<br />

Mehrheit der Haushalte, seit zwanzig Jahren<br />

ohne Mieterhöhung; Wohnkosten, die im<br />

Einklang mit den Einkommen steigen, und<br />

immer mehr Wohnfläche pro Person – ist<br />

dies Wunschdenken oder Wirklichkeit? Es<br />

ist eine Beschreibung der aktuellen Lage auf<br />

dem Schweizer Wohnungsmarkt. Wer daran<br />

zweifelt, kann sich beim Bundesamt für Statistik<br />

informieren.<br />

Dennoch erwecken die hiesigen Medien<br />

oft den Eindruck einer akuten Wohnungsnot<br />

– eine Einschätzung, die selbst den Bundesrat<br />

zur kurzfristigen Organisation eines<br />

Runden Tisches veranlasst hat. Alles nur Panikmache?<br />

Eine solche Behauptung wäre genauso<br />

vermessen. Die gegenwärtigen Sorgen<br />

der Mieter sind real, wenn auch in erster Linie<br />

zukunftsgerichtet. Es besteht das Risiko,<br />

dass steigende Hypothekarzinsen eine Erhöhung<br />

der Bestandsmieten auslösen werden<br />

(das sind die Mieten bestehender Mietverträge).<br />

Das ist umso wahrscheinlicher, als<br />

dass dank guter Konjunktur die Marktmieten<br />

in den grösseren Städten deutlich höher liegen<br />

als die Bestandsmieten.<br />

Am meisten Sorgen macht aber das Angebot,<br />

sprich, die schwächere Bautätigkeit.<br />

Schweizweit bräuchte es momentan rund<br />

10 000 Wohnungen mehr pro Jahr, um zu<br />

verhindern, dass die Mieten stärker als die<br />

Inflation steigen. Natürlich könnte diese Investitionsschwäche<br />

temporärer Art sein.<br />

Zinserhöhungen und stark gestiegene Baukosten<br />

haben die Pläne einiger Investoren<br />

durchkreuzt.<br />

Wie dem auch sei: Die Politik sprüht bereits<br />

vor Ideen, mit der sie die drohende Verknappung<br />

an Wohnraum bekämpfen will.<br />

Für die einen geht es nur darum, mit neuen<br />

Regulierungen Mietanpassungen zusätzlich<br />

zu erschweren, etwa nach einer Sanierung.<br />

Wer wissen will, wohin dies führt, muss nur<br />

nach Westen blicken. Als Folge der Wohnungsnot<br />

der 1980er-Jahre hat Genf genau<br />

reguliert, wie teuer die Mieten nach einem<br />

Umbau sein dürfen. Das Ergebnis: Investoren<br />

scheuen Renovationen und die Stadt<br />

hat heute qualitätsmässig den schlechtesten<br />

Wohnungsbestand der Schweiz. Neubauten<br />

wurden in den meisten Fällen auf der grünen<br />

Wiese geplant. Nun kommen diese Wohnungen<br />

endlich auf den Markt – mit zwanzig Jahren<br />

Verspätung.<br />

FABELWESEN WOHNBAU­<br />

GENOSSENSCHAFT<br />

Manche streben eine intensivere Förderung<br />

des genossenschaftlichen Wohnungsbaus<br />

an, weil Genossenschaftsmitglieder<br />

tatsächlich niedrigere Mieten entrichten als<br />

der Grossteil der Bevölkerung. Zum Beispiel<br />

liegen in der Stadt Zürich die Mieten für gemeinnützige<br />

Wohnungen gut ein Drittel unter<br />

den Mieten für marktorientiert vermietete<br />

Immobilien.<br />

Die tieferen Mieten sind nicht die Folge<br />

von geringeren Erstellungskosten, denn<br />

Baugenossenschaften bauen in der Regel<br />

nicht günstiger als private Immobilieninvestoren.<br />

Im Gegenteil: Das Bewusstsein<br />

für Kosteneffizienz dürfte bei privaten Akteuren<br />

aufgrund ihrer Gewinnmaximierung<br />

stärker ausgeprägt sein. Das Kostenmietmodell<br />

der Wohnbaugenossenschaften sieht die<br />

Überwälzung auf die Mieter aller Anlagekosten<br />

vor – auch wenn diese höher als nötig<br />

sind.<br />

Subventionen der öffentlichen Hand, beispielsweise<br />

durch Bürgschaften des Bundes<br />

oder Unterstützungen der Wohnbauförderung,<br />

helfen den Aufwand für Fremdkapitalkosten<br />

tief zu halten. Doch dürften diese<br />

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IMMOBILIA / Juni <strong>2023</strong>

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