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IMMOBILIENWIRTSCHAFT<br />
WOHNUNGSBAU<br />
WOHNUNGSNOT –<br />
NOT DER POLITIK?<br />
Ein Schlagwort macht im Wahljahr<br />
die Runde: «Wohnungsnot». Die Politik<br />
will mit mehr Unterstützung für die<br />
Wohnbaugenossenschaften dagegen<br />
steuern. TEXT— MARCO SALVI*<br />
Anstatt das Wohnangebot<br />
zu erweitern, heizt die Politik<br />
lieber die Nachfrage an.<br />
BILD: 123RF.COM<br />
ZU WENIG ANGEBOT<br />
Eine im langjährigen Vergleich überdurchschnittliche<br />
Leerstandsquote; die<br />
Mehrheit der Haushalte, seit zwanzig Jahren<br />
ohne Mieterhöhung; Wohnkosten, die im<br />
Einklang mit den Einkommen steigen, und<br />
immer mehr Wohnfläche pro Person – ist<br />
dies Wunschdenken oder Wirklichkeit? Es<br />
ist eine Beschreibung der aktuellen Lage auf<br />
dem Schweizer Wohnungsmarkt. Wer daran<br />
zweifelt, kann sich beim Bundesamt für Statistik<br />
informieren.<br />
Dennoch erwecken die hiesigen Medien<br />
oft den Eindruck einer akuten Wohnungsnot<br />
– eine Einschätzung, die selbst den Bundesrat<br />
zur kurzfristigen Organisation eines<br />
Runden Tisches veranlasst hat. Alles nur Panikmache?<br />
Eine solche Behauptung wäre genauso<br />
vermessen. Die gegenwärtigen Sorgen<br />
der Mieter sind real, wenn auch in erster Linie<br />
zukunftsgerichtet. Es besteht das Risiko,<br />
dass steigende Hypothekarzinsen eine Erhöhung<br />
der Bestandsmieten auslösen werden<br />
(das sind die Mieten bestehender Mietverträge).<br />
Das ist umso wahrscheinlicher, als<br />
dass dank guter Konjunktur die Marktmieten<br />
in den grösseren Städten deutlich höher liegen<br />
als die Bestandsmieten.<br />
Am meisten Sorgen macht aber das Angebot,<br />
sprich, die schwächere Bautätigkeit.<br />
Schweizweit bräuchte es momentan rund<br />
10 000 Wohnungen mehr pro Jahr, um zu<br />
verhindern, dass die Mieten stärker als die<br />
Inflation steigen. Natürlich könnte diese Investitionsschwäche<br />
temporärer Art sein.<br />
Zinserhöhungen und stark gestiegene Baukosten<br />
haben die Pläne einiger Investoren<br />
durchkreuzt.<br />
Wie dem auch sei: Die Politik sprüht bereits<br />
vor Ideen, mit der sie die drohende Verknappung<br />
an Wohnraum bekämpfen will.<br />
Für die einen geht es nur darum, mit neuen<br />
Regulierungen Mietanpassungen zusätzlich<br />
zu erschweren, etwa nach einer Sanierung.<br />
Wer wissen will, wohin dies führt, muss nur<br />
nach Westen blicken. Als Folge der Wohnungsnot<br />
der 1980er-Jahre hat Genf genau<br />
reguliert, wie teuer die Mieten nach einem<br />
Umbau sein dürfen. Das Ergebnis: Investoren<br />
scheuen Renovationen und die Stadt<br />
hat heute qualitätsmässig den schlechtesten<br />
Wohnungsbestand der Schweiz. Neubauten<br />
wurden in den meisten Fällen auf der grünen<br />
Wiese geplant. Nun kommen diese Wohnungen<br />
endlich auf den Markt – mit zwanzig Jahren<br />
Verspätung.<br />
FABELWESEN WOHNBAU<br />
GENOSSENSCHAFT<br />
Manche streben eine intensivere Förderung<br />
des genossenschaftlichen Wohnungsbaus<br />
an, weil Genossenschaftsmitglieder<br />
tatsächlich niedrigere Mieten entrichten als<br />
der Grossteil der Bevölkerung. Zum Beispiel<br />
liegen in der Stadt Zürich die Mieten für gemeinnützige<br />
Wohnungen gut ein Drittel unter<br />
den Mieten für marktorientiert vermietete<br />
Immobilien.<br />
Die tieferen Mieten sind nicht die Folge<br />
von geringeren Erstellungskosten, denn<br />
Baugenossenschaften bauen in der Regel<br />
nicht günstiger als private Immobilieninvestoren.<br />
Im Gegenteil: Das Bewusstsein<br />
für Kosteneffizienz dürfte bei privaten Akteuren<br />
aufgrund ihrer Gewinnmaximierung<br />
stärker ausgeprägt sein. Das Kostenmietmodell<br />
der Wohnbaugenossenschaften sieht die<br />
Überwälzung auf die Mieter aller Anlagekosten<br />
vor – auch wenn diese höher als nötig<br />
sind.<br />
Subventionen der öffentlichen Hand, beispielsweise<br />
durch Bürgschaften des Bundes<br />
oder Unterstützungen der Wohnbauförderung,<br />
helfen den Aufwand für Fremdkapitalkosten<br />
tief zu halten. Doch dürften diese<br />
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IMMOBILIA / Juni <strong>2023</strong>