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immobilia 2023/06 - SVIT

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IMMOBILIENWIRTSCHAFT<br />

WOHNUNGSBAU<br />

ZINSEN UND BAU­<br />

KOSTEN DÄMPFEN<br />

NACHFRAGE<br />

Die Wohnbautätigkeit lag in den<br />

vergangenen zwei Jahren aufgrund<br />

steigender Zinsen und Baukosten<br />

deutlich unter dem Niveau der Vorjahre.<br />

Alles deutet darauf hin, dass<br />

mittelfristig kaum mit einem substanziellen<br />

Anstieg der Neubautätigkeit zu<br />

rechnen ist. TEXT— DOMINIK MATTER*<br />

ANTEIL 1½–3½-ZIMMER-WOHNUNGEN AM TOTAL DER NEU ERSTELLTEN WOHNUNGEN IN MEHRFAMILIENHÄUSERN<br />

Quelle: BFS, Auswertung FPRE<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Vor 1919 1919–1945 1946–1960 1961–1970 1971–1980 1981–1985 1986–1990 1991–1995 1996–2000 2001–2005 20<strong>06</strong>–2010 2011–2015 Ab 2016<br />

LEERSTÄNDE SIND GESUNKEN<br />

Bis vor drei Jahren wurde viel darüber<br />

berichtet, wie der Anlagenotstand und die<br />

fehlenden Opportunitäten an zentralen Lagen<br />

die Investoren und Entwickler dazu veranlassten,<br />

Wohnbauprojekte an immer periphereren<br />

Standorten zu erstellen, trotz<br />

bescheidener Nachfrage. Von der «Huttwilisierung<br />

der Schweiz» war die Rede und von<br />

der fortschreitenden Zersiedelung des Landes.<br />

Wie schnell sich die Zeiten ändern! Die<br />

Netto-Zuwanderung hat 2022 wieder das Niveau<br />

von 80 000 Personen erreicht, wobei in<br />

diesen Zahlen die ukrainischen Kriegsflüchtlinge<br />

nicht eingerechnet sind. Gleichzeitig<br />

sind die Leerstände beinahe flächendeckend<br />

deutlich zurückgegangen und der Begriff<br />

«Wohnungsnot» ist inzwischen – wieder einmal<br />

– in aller Munde.<br />

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings,<br />

dass sich die Situation doch nicht so<br />

stark geändert hat: In vielen peripheren Regionen<br />

sind die Leerstände nach wie vor enorm,<br />

und in den Zentren und inneren Agglomerationen<br />

– wie schon seit Jahren – verschwindend<br />

gering. Der generelle Rückgang der Leerstände<br />

zeigt jedoch, dass gegenwärtig in der<br />

Schweiz eher zu wenige als zu viele Wohnungen<br />

gebaut werden. Ein weiteres Indiz für die<br />

zunehmende Anspannung auf den Mietwohnungsmärkten<br />

ist die stark rückläufige Angebotsmenge,<br />

welche gegenwärtig rund 30% unter<br />

dem Vor-Pandemie-Niveau liegt.<br />

Tatsächlich erreicht die Wohnbautätigkeit<br />

seit Beginn der Pandemie bei Weitem<br />

nicht das Niveau der Vorjahre von jährlich<br />

weit über 50 000 Einheiten. Begründen<br />

lässt sich die Zurückhaltung der Entwickler<br />

und Investoren mit den wirtschaftlichen<br />

und planerischen Rahmenbedingungen, die<br />

sich in einem Wort zusammenfassen lassen:<br />

Unsicherheit. Unsicherheit über die mittelfristige<br />

Konjunktur- und Zinsentwicklung,<br />

Unsicherheit über die Entwicklung der Baukosten<br />

und Unsicherheit über die Ergebnisse<br />

der in vielen Gemeinden hängigen Revision<br />

der Bau- und Zonenordnung drücken auf die<br />

Stimmung der Entwickler und Investoren.<br />

STEIGENDE ZINSEN UND<br />

BAUKOSTEN DÄMPFEN NEU­<br />

BAUTÄTIGKEIT<br />

Insbesondere die Zinsentwicklung bzw.<br />

die damit zusammenhängende Reduktion<br />

der Marktwerte von Neubauprojekten sowie<br />

die steigenden Baukosten haben vielen Entwicklern<br />

einen Strich durch die Rechnung<br />

gemacht. Sinkende Marktwerte und steigende<br />

Kosten haben einen kumulativ negativen<br />

Einfluss auf die Landwerte. Wenn ein<br />

Entwickler zum Beispiel im Jahr 2020 eine<br />

Parzelle erworben hat, wurde der Landpreis<br />

basierend auf den damaligen Rahmenbedingungen<br />

(Marktwert, Baukosten) kalkuliert.<br />

Die Rentabilität einer Entwicklung dieser<br />

Parzelle unter den aktuellen Rahmenbedingungen<br />

ist dann infrage gestellt, und sofern<br />

der Planungsprozess noch nicht weit fortgeschritten<br />

ist, dürfte der Eigentümer wohl<br />

eher auf bessere Zeiten warten.<br />

Ist die Parzelle noch nicht im Besitz des<br />

Entwicklers, so stellt sich diese Frage nicht,<br />

denn die tieferen Marktwerte und höheren<br />

Baukosten schlagen sich dann im Landpreis<br />

nieder. Ob allerdings der Landeigentümer bereit<br />

ist, zu einem tieferen Preis zu verkaufen,<br />

ist fraglich, insbesondere wenn er mit mittelfristig<br />

sinkenden Zinsen bzw. steigenden<br />

Markt- und Landwerten rechnet. Die Teilnehmer<br />

einer Umfrage des HEV Schweiz und<br />

Fahrländer Partner gehen allerdings mehrheitlich<br />

davon aus, dass die Marktwerte von<br />

MFH in den kommenden 12 Monaten weiter<br />

sinken werden. Es könnte also noch etwas<br />

dauern, bis gewisse Projekte rentabel<br />

entwickelt werden können. Es bleibt aber<br />

die Hoffnung, dass vermehrt nicht mehr davon<br />

ausgegangen wird, dass die Landpreise<br />

hoch bleiben und eine Verflüssigung des Baulandangebots<br />

eintritt.<br />

Einiges spricht dafür, dass der Tiefpunkt<br />

in der Marktwertentwicklung erreicht ist<br />

und sich die Rentabilität auf etwas tieferem<br />

Niveau wieder einpendelt. Einerseits<br />

ist davon auszugehen, dass der für Juni zu<br />

erwartende Zinsschritt in den Diskontierungssätzen<br />

bereits weitgehend eingepreist<br />

ist. Zudem wird aufgrund der hohen Nachfrage<br />

von steigenden Mieten und sinkenden<br />

18<br />

IMMOBILIA / Juni <strong>2023</strong>

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