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IMMOBILIENWIRTSCHAFT<br />
WOHNUNGSBAU<br />
ZINSEN UND BAU<br />
KOSTEN DÄMPFEN<br />
NACHFRAGE<br />
Die Wohnbautätigkeit lag in den<br />
vergangenen zwei Jahren aufgrund<br />
steigender Zinsen und Baukosten<br />
deutlich unter dem Niveau der Vorjahre.<br />
Alles deutet darauf hin, dass<br />
mittelfristig kaum mit einem substanziellen<br />
Anstieg der Neubautätigkeit zu<br />
rechnen ist. TEXT— DOMINIK MATTER*<br />
ANTEIL 1½–3½-ZIMMER-WOHNUNGEN AM TOTAL DER NEU ERSTELLTEN WOHNUNGEN IN MEHRFAMILIENHÄUSERN<br />
Quelle: BFS, Auswertung FPRE<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Vor 1919 1919–1945 1946–1960 1961–1970 1971–1980 1981–1985 1986–1990 1991–1995 1996–2000 2001–2005 20<strong>06</strong>–2010 2011–2015 Ab 2016<br />
LEERSTÄNDE SIND GESUNKEN<br />
Bis vor drei Jahren wurde viel darüber<br />
berichtet, wie der Anlagenotstand und die<br />
fehlenden Opportunitäten an zentralen Lagen<br />
die Investoren und Entwickler dazu veranlassten,<br />
Wohnbauprojekte an immer periphereren<br />
Standorten zu erstellen, trotz<br />
bescheidener Nachfrage. Von der «Huttwilisierung<br />
der Schweiz» war die Rede und von<br />
der fortschreitenden Zersiedelung des Landes.<br />
Wie schnell sich die Zeiten ändern! Die<br />
Netto-Zuwanderung hat 2022 wieder das Niveau<br />
von 80 000 Personen erreicht, wobei in<br />
diesen Zahlen die ukrainischen Kriegsflüchtlinge<br />
nicht eingerechnet sind. Gleichzeitig<br />
sind die Leerstände beinahe flächendeckend<br />
deutlich zurückgegangen und der Begriff<br />
«Wohnungsnot» ist inzwischen – wieder einmal<br />
– in aller Munde.<br />
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings,<br />
dass sich die Situation doch nicht so<br />
stark geändert hat: In vielen peripheren Regionen<br />
sind die Leerstände nach wie vor enorm,<br />
und in den Zentren und inneren Agglomerationen<br />
– wie schon seit Jahren – verschwindend<br />
gering. Der generelle Rückgang der Leerstände<br />
zeigt jedoch, dass gegenwärtig in der<br />
Schweiz eher zu wenige als zu viele Wohnungen<br />
gebaut werden. Ein weiteres Indiz für die<br />
zunehmende Anspannung auf den Mietwohnungsmärkten<br />
ist die stark rückläufige Angebotsmenge,<br />
welche gegenwärtig rund 30% unter<br />
dem Vor-Pandemie-Niveau liegt.<br />
Tatsächlich erreicht die Wohnbautätigkeit<br />
seit Beginn der Pandemie bei Weitem<br />
nicht das Niveau der Vorjahre von jährlich<br />
weit über 50 000 Einheiten. Begründen<br />
lässt sich die Zurückhaltung der Entwickler<br />
und Investoren mit den wirtschaftlichen<br />
und planerischen Rahmenbedingungen, die<br />
sich in einem Wort zusammenfassen lassen:<br />
Unsicherheit. Unsicherheit über die mittelfristige<br />
Konjunktur- und Zinsentwicklung,<br />
Unsicherheit über die Entwicklung der Baukosten<br />
und Unsicherheit über die Ergebnisse<br />
der in vielen Gemeinden hängigen Revision<br />
der Bau- und Zonenordnung drücken auf die<br />
Stimmung der Entwickler und Investoren.<br />
STEIGENDE ZINSEN UND<br />
BAUKOSTEN DÄMPFEN NEU<br />
BAUTÄTIGKEIT<br />
Insbesondere die Zinsentwicklung bzw.<br />
die damit zusammenhängende Reduktion<br />
der Marktwerte von Neubauprojekten sowie<br />
die steigenden Baukosten haben vielen Entwicklern<br />
einen Strich durch die Rechnung<br />
gemacht. Sinkende Marktwerte und steigende<br />
Kosten haben einen kumulativ negativen<br />
Einfluss auf die Landwerte. Wenn ein<br />
Entwickler zum Beispiel im Jahr 2020 eine<br />
Parzelle erworben hat, wurde der Landpreis<br />
basierend auf den damaligen Rahmenbedingungen<br />
(Marktwert, Baukosten) kalkuliert.<br />
Die Rentabilität einer Entwicklung dieser<br />
Parzelle unter den aktuellen Rahmenbedingungen<br />
ist dann infrage gestellt, und sofern<br />
der Planungsprozess noch nicht weit fortgeschritten<br />
ist, dürfte der Eigentümer wohl<br />
eher auf bessere Zeiten warten.<br />
Ist die Parzelle noch nicht im Besitz des<br />
Entwicklers, so stellt sich diese Frage nicht,<br />
denn die tieferen Marktwerte und höheren<br />
Baukosten schlagen sich dann im Landpreis<br />
nieder. Ob allerdings der Landeigentümer bereit<br />
ist, zu einem tieferen Preis zu verkaufen,<br />
ist fraglich, insbesondere wenn er mit mittelfristig<br />
sinkenden Zinsen bzw. steigenden<br />
Markt- und Landwerten rechnet. Die Teilnehmer<br />
einer Umfrage des HEV Schweiz und<br />
Fahrländer Partner gehen allerdings mehrheitlich<br />
davon aus, dass die Marktwerte von<br />
MFH in den kommenden 12 Monaten weiter<br />
sinken werden. Es könnte also noch etwas<br />
dauern, bis gewisse Projekte rentabel<br />
entwickelt werden können. Es bleibt aber<br />
die Hoffnung, dass vermehrt nicht mehr davon<br />
ausgegangen wird, dass die Landpreise<br />
hoch bleiben und eine Verflüssigung des Baulandangebots<br />
eintritt.<br />
Einiges spricht dafür, dass der Tiefpunkt<br />
in der Marktwertentwicklung erreicht ist<br />
und sich die Rentabilität auf etwas tieferem<br />
Niveau wieder einpendelt. Einerseits<br />
ist davon auszugehen, dass der für Juni zu<br />
erwartende Zinsschritt in den Diskontierungssätzen<br />
bereits weitgehend eingepreist<br />
ist. Zudem wird aufgrund der hohen Nachfrage<br />
von steigenden Mieten und sinkenden<br />
18<br />
IMMOBILIA / Juni <strong>2023</strong>