ELMA, Juni Juli 2023

44 BILDUNG & ERZIEHUNG
© Max Kegfire
MAMMA MIA - DIE KITA-KOLUMNE
ZWISCHEN TÜR
UND ANGEL
Text Jasmin Fink
Neulich saß ich auf dem Weg zur Arbeit in
der Straßenbahn. Der erste Kaffee am Morgen
zeigte Wirkung, und so erlebte ich putzmunter,
wie ein ca. 4-jähriges Mädchen mit
wütendem Geschrei seiner Mutter klarmachte,
dass es ihm egal sei, dass es „Anna“ bereits
habe, es möchte „Elsa“, und zwar sofort. Mit
Engelszungen redete die Mutter auf ihre Tochter
ein, doch das zeigte keine Wirkung. Laut
schreiend, um sich schlagend und der Mutter
Vorwürfe machend, zog dieses Mädchen die
Aufmerksamkeit aller Insassen auf sich. Erst
als die Mutter versprach, die gewünschte Puppe
beim Abholen mit in die Kita zu bringen,
war Ruhe. Beide stiegen aus, und ich vernahm
die Worte eines anderen Mitfahrers: „So ein
Tyrannenkind.“ Im ersten Moment wollte
ich dieser Äußerung doch glatt zustimmen.
Manch einer mag auch sagen, dass diese Kinder
es weit bringen werden, denn bereits jetzt
zeigt sich doch deutlich die Willensstärke. Und
ja, dies sagen meist die Eltern, die solch ein Exemplar
ihr Eigen nennen. Dabei liegt es doch
klar auf der Hand. Da sich in den letzten 30 Jahren
bei uns Menschen genetisch nicht wirklich viel verändert
hat, müsste es ja an der Erziehung liegen,
oder nicht? Doch wie entsteht so ein Tyrannenkind
denn überhaupt?
Als Pädagogin kann ich Ihnen mitteilen, dass wir uns
derzeit in einem pädagogischen Irrenhaus befinden.
Hier wird die Kita-Konzeption mit Modewörtern wie
kindzentrierte bedürfnisorientierte Bindungsebene
bestückt. Neueste Erziehungsratgeber teilen den
Eltern mit, dass diese lediglich eine Beziehung zu
ihrem Kind aufbauen sollen. Lob und Konsequenzen
dürften dabei nicht angewandt werden, da diese ja
das Kind bevormunden und ihm seine intrinsische
Motivation mindern würden. Und dann sind da
noch die anderen Eltern, die einem sagen, wie man
mit seinem Kind umzugehen hat. Alles Bullshit?!
Man hat es heutzutage wahrlich nicht leicht. Unsere
bestehende Gesellschaft möchte weitestgehend Kinder,
die der gesellschaftlichen Norm entsprechen,
und man selbst möchte, dass sich das eigene Kind
frei entfalten kann. Kein Wunder, dass es da mal
kracht. Doch freie Entfaltung bedeutet auch inner-