ruc_2-2023
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Porträt Herbert Mattle<br />
Ein Genussmensch bringt es auf den Punkt<br />
Beim Blick auf ein erfolgreiches Leben stellt sich immer auch die<br />
Frage nach einem Erfolgsrezept. Herbert Mattle wuchs in Gastrobetrieben<br />
seiner Eltern in Luzern auf und beobachtete Menschen,<br />
die Arbeitsabläufe und deren Resultate. Mit diesen Eindrücken<br />
machte er sich von Kindesbeinen an auf den Weg an die Spitze.<br />
Wenn Herbert Mattle an einer Bäckerei vorbeikommt, hebt<br />
er geniesserisch den Kopf, um warmes Brot und frischen<br />
Kuchen zu erschnuppern. Es ist der Duft seiner Kindheit,<br />
denn sein Vater übernahm die Bäckerei seiner Eltern, die<br />
er zunächst weiterbetrieb. Schon bald kam ein Tea-Room<br />
dazu, wo sich die Gäste zu Kaffee, Kuchen und hausgemachtem<br />
Eis niederlassen konnten. Er fand es immer<br />
sehr beeind<strong>ruc</strong>kend, wenn 50 Tafeln Cailler-Schokolade<br />
geliefert wurde.<br />
Später kauften seine Eltern ein kleines Hotel mit Restaurant<br />
in der Altstadt in Luzern, um ganz in der Gastlichkeit<br />
aufzugehen. «Um mich als kleinen Jungen waren immer<br />
viele Menschen», erinnert sich Mattle gut. Restaurants<br />
seien sozusagen sein Spielplatz gewesen. «Ich habe die<br />
Serviertöchter immer geplagt, weil ich ihnen die Schleifen<br />
von ihren weissen Schürzen regelmässig aufgezogen<br />
habe», grinst er. Der bekannte Luzerner Künstler Poldi<br />
Häfliger bezahlte seine Rechnungen gerne mal mit Ölbildern:<br />
«Die hängen immer noch bei uns an der Wand.»<br />
am Herzen. Und es lässt eine Parallele zur Gastronomie<br />
und damit zu Mattles genialer Draufsicht auf die Dinge<br />
vermuten: «Wer sich zu wichtig für kleinere Arbeiten hält,<br />
ist meist zu klein für wichtige Aufgaben.»<br />
Er ist zwar ein Experte in Rechnungslegung und Controlling<br />
und Revisionsexperte – aber er habe das Gefühl,<br />
als Gastgeber geboren zu sein, erklärt Herbert Mattle.<br />
Auch als Gast eigne er sich aber ganz gut, schmunzelt der<br />
71-jährige Weinkenner munter: «Ich esse zu viel und trinke<br />
zu viel, doch alles nur vom Besten!» Er habe auch nicht<br />
vor, dies zu ändern: «Vor zwölf Jahren hatte ich Krebs. Als<br />
ich den überstanden hatte, nahm ich mir vor, mein Leben<br />
komplett umzukrempeln.» Doch dann winkt Herbert<br />
Mattle ab und sagt: «Das dauerte ein, zwei Monate, dann<br />
waren die Umkrempel-Pläne Geschichte.» Er vertraue auf<br />
Geniale Draufsicht auf die Dinge<br />
Der Sound seiner Kindheit hörte sich an wie eine Sinfonie<br />
aus klapperndem Geschirr, Sinatra-Hits aus dem Musikautomaten<br />
und Menschenstimmen aus allen Ländern.<br />
«Noch heute spüre ich sofort, wenn in einem Restaurant<br />
etwas nicht stimmt», erzählt Mattle, und er wisse auch<br />
ziemlich schnell, was man in einem Lokal bestellen sollte,<br />
und was nicht.<br />
Im Mikrokosmos der Gastronomie aufzuwachsen, schuf<br />
wohl eine entscheidende Grundlage dafür, warum Herbert<br />
Mattle Dinge treffsicher auf den Punkt bringen kann und<br />
kaum je den klaren Blick verliert. Eines seiner Lieblingszitate<br />
von Charles de Gaulle lautet: «Es ist besser, unvollkommene<br />
Entscheidungen zu treffen, als ständig nach<br />
vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals<br />
gibt.» Auch ein Zitat von Jacques Tati liegt ihm besonders<br />
52 I rechnungswesen & controlling 2 I <strong>2023</strong> Porträt