ruc_2-2023
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aufs Amt gegangen sei, um zu fragen, ob sie das Zürcher<br />
Bürgerrecht nicht doch behalten könne, habe sie<br />
der Beamte getröstet: «Immerhin sind doch die Farben<br />
der Wappen Zürich und Luzern die gleichen – blau und<br />
weiss.» Die Rechnung Bürgerrecht verloren, aber Herbert<br />
Mattle gewonnen, schien für Fabienne aufzugehen, wie<br />
43 Ehejahre beweisen: «Meine Frau ist wie ein Vulkan»,<br />
gesteht der bewährte Ehegatte schmunzelnd. Da könne<br />
es schon mal passieren, dass sie beim Einkaufen aneinandergeraten,<br />
weil er sich traue anzumerken, dass sie<br />
dies oder jenes nicht bräuchten. Die beiden haben sich<br />
auf einem Parkplatz kennengelernt und nach drei Monaten<br />
geheiratet. Nach der Heirat beschlossen sie: «Ich mache<br />
Karriere, du kümmerst dich um die Kinder und den Haushalt»,<br />
erzählt Herbert Mattle. Dann bricht wieder der Gourmet<br />
in ihm durch: «Meine Frau kocht gut und probiert viel<br />
aus. Was schmeckt, kommt in ihr Repertoire, was nicht<br />
schmeckt, wird gestrichen.» An ihrem Wohnort in Ascona<br />
verbringt das Ehepaar seine Ferien und Freizeit, da seien<br />
sie ja fast an der Mittelmeerküste. Kein Wunder liegt hier<br />
auch ihr Boot «True Love» im Hafen. Am Lago Maggiore<br />
gäbe es auch mal einen Branzino in Sale, schwärmt der<br />
Mann und versichert: «Ich esse alles und besuche nie ein<br />
falsches Restaurant.» Den ganzen Winter über zieht es das<br />
Paar samt ihren Hunden Obelix, Russel und Santana nach<br />
Grächen ins Wallis. Im exquisiten Restaurant Walliserkanne<br />
sind sie Stammgäste und geniessen dort traditionelle<br />
und regionale Küche auf hohem Niveau.<br />
«Ich bin nicht im Ruhestand!»<br />
Auf die Frage, was er denn mit all seiner freien Zeit mache,<br />
die auf ihn zukomme, reagiert der 71-Jährige fast<br />
empört: «Ich bin nicht im Ruhestand!» Denn er werde<br />
weiter Mandate haben und Präsident des Trägervereins<br />
der Prüfungen bleiben. Er sei früher sehr viel geflogen<br />
von Sitzung zu Sitzung, heute brauche er das nicht mehr.<br />
Die Pandemie habe auch etwas Gutes gehabt. Seit dem<br />
Zoom-Boom hätten die Leute kapiert, dass man vieles<br />
auch online kommunizieren könne. Er sei erleichtert, den<br />
Präsidentenposten in die Hände von Dieter Pfaff legen zu<br />
dürfen. Die freie Zeit, die jetzt entsteht, nutzt er für neue<br />
Projekte, die er noch nicht kennt – noch nicht! Dann stehe<br />
auch seine umfangreiche Langspielplatten-Sammlung aus<br />
den 60er- und 70er-Jahren an, die er unbedingt digitalisieren<br />
will. Auf Frank Zappa habe er aber keinen Bock<br />
mehr, schwenkt der Musikliebhaber auf seine bevorzugten<br />
Stile um. Auch Free-Jazz gehöre nicht mehr in sein Leben.<br />
Dafür schwärmt er von klassischen Jazzkonzerten im Cat<br />
Jazz Club in Ascona. Jedenfalls wolle er jetzt bei solchen<br />
Anlässen sitzen. Er fände es nur blöd, dass man in der<br />
Tonhalle nicht klatschen dürfe, wenn ihm danach sei ...<br />
Etwas spitzbübisch packt er lächelnd eine Anekdote aus<br />
seinem Leben aus. Er habe vor seiner Ehe ein paar Monate<br />
in London verbracht, um eine Sprachschule zu besuchen<br />
und dort in der Buchhaltung des grössten Diamantenkonzerns<br />
zu arbeiten. Die Bewertungsfrage war übrigens<br />
einfach gelöst: 1 Karat = 1 USD. «Ich hatte gerade etwas<br />
Stress mit Freundinnen». Da sei er froh gewesen nach<br />
England abhauen zu können. «Ich habe gelebt und lebe<br />
gerne!» stellt Mattle fest. Er findet es schlicht unakzeptabel,<br />
irgendwann sterben zu müssen: «Sollen doch andere<br />
gehen. Ich nicht.»<br />
Text: Christina Burghagen<br />
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