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Zukunft Forschung 02/2023

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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TITELTHEMA<br />

in Inns bruck, mit Sicherheit den Inn, um<br />

Truppen und Waren zu transportieren.<br />

„Sehr wahrscheinlich haben die Römer<br />

auch bereits damals Truppen von Innsbruck<br />

nach Passau – dort war das nächste<br />

Castell – befördert“, erklärt Florian Messner.<br />

Für Truppentransporte wurde der<br />

Inn laut Messner meist nur flussabwärts<br />

genutzt. „Es gab zwar die Möglichkeit,<br />

Transporte mit Hilfe von Zugtieren auch<br />

flussaufwärts durchzuführen, dies wurde<br />

laut meinen Quellenrecherchen aber nur<br />

für Warentransporte genutzt, da der Inn<br />

mit einem Gefälle von rund einem Promille<br />

doch ein recht steiler Fluss ist und<br />

somit flussaufwärts nur sehr schwer beschiffbar<br />

war. Militärische Truppen kamen<br />

hier zu Fuß viel schneller voran“,<br />

erläutert Messner.<br />

Ein einschneidendes Ereignis für die<br />

Nutzung des Inns war die Errichtung<br />

der Saline in Hall im Hochmittelalter.<br />

Um den enormen Holzbedarf für den Betrieb<br />

der Saline zu decken, wurde quer<br />

über den Inn eine Rechenanlage errichtet.<br />

„Diese Konstruktion diente dazu, das im<br />

Oberinntal und im Engadin geschlagene<br />

Holz, das flussabwärts getriftet wurde,<br />

aufzufangen“, erläutert Messner. Diese<br />

Rechenanlage führte dazu, dass der Inn<br />

bis Hall nicht mehr befahrbar war. „Eine<br />

Schleusenanlage war zwar vorhanden,<br />

diese war aber nahezu ausschließlich<br />

dem Landesfürsten vorbehalten“, fügt<br />

Messner hinzu. Hall entwickelte sich dadurch<br />

zu einer Art Frachthafen für Transporte<br />

auf dem Inn. Das dafür verantwortliche<br />

Salzmeieramt koordinierte hier die<br />

Lagerung und den Weitertransport der<br />

Waren von Hall nach Passau.<br />

Militärischer Vorteil<br />

Eine besondere militärische Rolle spielte<br />

der Inn im Jahr 1504 während der Belagerung<br />

Kufsteins. Im Landshuter Erbfolgekrieg<br />

wurde die Stadt im Kampf<br />

um die Nachfolge des Herzogs von Bayern-Landshut<br />

von den pfälzischen Wittelsbachern<br />

erobert. „Tirols Landesfürst<br />

Maximilian verfügte über die größten<br />

und besten Kanonen dieser Zeit. Diese<br />

im Zeughaus in Inns bruck stationierten<br />

Kanonen sollten zur Rückeroberung Kufsteins<br />

natürlich zum Einsatz kommen“,<br />

erklärt Florian Messner. Dank der Wasserstraße<br />

des Inns konnten die Kanonen<br />

schnell und effektiv innerhalb eines Tages<br />

nach Kufstein transportiert werden und<br />

DER KUPFERSTICH von 1679 zeigt den Schiffsverkehr am Inn vor Hall in Tirol.<br />

sorgten so für eine rasche Rückeroberung<br />

der Stadt. Ein Beweis dafür, wie der Inn<br />

nicht nur als Handelsweg, sondern auch<br />

als strategischer Vorteil in Kriegszeiten<br />

genutzt wurde.<br />

Truppentransporte<br />

Auch im Kontext des Dreißigjährigen<br />

Krieges wurde der Inn zu einem strategischen<br />

Transportweg für die Kriegsführung.<br />

„Obwohl Tirol von den direkten<br />

Kriegshandlungen weitgehend verschont<br />

blieb, zogen dennoch Verstärkungstruppen<br />

aus Italien durch das Land“, erläutert<br />

Florian Messner. Die logistischen<br />

Herausforderungen dieser Zeit waren<br />

enorm, denn die Versorgung der Soldaten<br />

war problematisch und die Versorgungsstationen<br />

rar. „Es kam daher häufig<br />

vor, dass die Truppen auf ihrem Weg die<br />

Dörfer plünderten“, beschreibt Messner.<br />

Um die Bevölkerung zu schützen und<br />

FLORIAN MESSNER (*1985) studierte<br />

Geschichte und Archäologie an der Universität<br />

Inns bruck und ist wissenschaftlicher<br />

Projektmitarbeiter an der Universität<br />

Inns bruck. Seine <strong>Forschung</strong>sinteressen<br />

liegen unter anderem in der Blankwaffenund<br />

Rüstungskunde in Mittelalter und<br />

Früher Neuzeit sowie in der Geschichte<br />

der mittelalterlichen Kriegsführung.<br />

die Ordnung aufrechtzuerhalten, wurden<br />

die Soldaten ab Hall möglichst rasch<br />

auf Schiffen durch das Land befördert.<br />

„Diese Maßnahme sollte die Interaktion<br />

zwischen den durchziehenden Truppen<br />

und der lokalen Bevölkerung minimieren<br />

und so Plünderungen verhindern“, fügt<br />

Messner hinzu. Im Jahr 1557 wurde zudem<br />

eine Versorgungsordnung erlassen,<br />

welche die Städte entlang des Inns – Hall,<br />

Kufstein, Rosenheim und Wasserburg –<br />

in die Pflicht nahm, für die Verpflegung<br />

der Soldaten zu sorgen.<br />

Auch die Türkenkriege, die vor allem<br />

im Mittelmeer geführt wurden, haben indirekt<br />

mit dem Inn zu tun. „Für die Galeeren,<br />

die die Kämpfe am Mittelmeer<br />

ausfochten, wurden zahlreiche Ruderer<br />

benötigt. Deshalb hat man in der frühen<br />

Neuzeit begonnen, Todesstrafen in sogenannte<br />

Galeerenstrafen umzuwandeln.<br />

Die Gefangenen wurden also als Ruderer<br />

auf den Galeeren eingesetzt“, erklärt Florian<br />

Messner. Zuerst wurden nur italienische<br />

Strafgefangene dafür eingesetzt,<br />

doch nach und nach begann auch das<br />

Heilige Römische Reich, seine Strafgefangenen<br />

zu verkaufen. „Um diese Hundertschaften<br />

an Gefangenen möglichst<br />

schnell zu transportieren, wurden sie<br />

über den Inn aufwärts bis Hall geschifft<br />

und dann zu Fuß über den Brenner in die<br />

Adriahäfen gebracht, wo sie auf die Galeeren<br />

verfrachtet wurden“, so Messner,<br />

der davon überzeugt ist, dass Flüsse<br />

mehr als Landschaftsmerkmale sind.<br />

„Der Inn zeigt durch seine vielfältige<br />

Nutzung, dass Flüsse dynamische Akteure<br />

sein können, die die Geschichte ihrer<br />

Region mitgestalten“, so der Archäologe<br />

abschließend.<br />

sr<br />

zukunft forschung <strong>02</strong>/23 13

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