Zukunft Forschung 02/2023
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TEXTILCHEMIE<br />
dieses Verfahren so weit zu optimieren, dass<br />
die Industriepartner die Pigmente für unterschiedliche<br />
Anwendungen in der Praxis testen<br />
können.“<br />
IM RAHMEN des von der österreichischen<br />
<strong>Forschung</strong>sförderungsgesellschaft (FFG) geförderten<br />
Projekts PiColor arbeitet Judith Deriu<br />
mit den Industriepartnern AGRANA Research<br />
& Innovation Center, Buntwerk Textildruck,<br />
Kelheim Fibres, Offsetdruckerei Schwarzach,<br />
RUEFF Textil, Sun Chemical Group und Verpackungszentrum<br />
Graz zusammen. Ziel ist die<br />
Entwicklung von Pflanzenpigmenten als nachhaltige<br />
und biologisch abbaubare Farbmittel<br />
zur Kolorierung von Textil und Papier.<br />
Farben der Natur<br />
Judith Deriu ist vor allem auf der Suche nach<br />
roten und blauen Farbtönen, denn diese<br />
fehlen bisher weitgehend in der auf Naturfarbstoffen<br />
basierenden Farbpalette. „Daran<br />
arbeiten wir noch, denn diese Pigmente sind<br />
chemisch sehr instabil“, erzählt die Forscherin.<br />
Für Gelb, Ocker, Olivgrün, Braun, Beige<br />
und Schwarz gibt es hingegen bereits Rezepturen,<br />
die für einen industriellen Einsatz interessant<br />
sind. Als Basis für die Pigmente dienen<br />
Reststoffe aus der Forst- und Landwirtschaft<br />
und der Lebensmittelindustrie sowie weitere<br />
Pflanzen, die nicht als Nahrungsmittel dienen.<br />
Schwarz lässt sich etwa aus Holzabfällen<br />
von Sägewerken gewinnen, Olivgrün aus<br />
Zwiebelschalen, Blau aus Heidelbeeren und<br />
Blaualgen und Rot aus Trauben und Beeren.<br />
Indigo und Färbekrapp werden bewusst nicht<br />
verwendet, weil diese in Mitteleuropa nicht<br />
effizient produziert werden können. Wegen<br />
der langen Transportwege und der damit<br />
verbundenen CO 2 -Emissionen vermeidet Judith<br />
Deriu pflanzliche Rohstoffe aus fernen<br />
Ländern.<br />
Aber nicht nur die Farbpigmente basieren<br />
auf nachwachsenden Rohstoffen, auch die<br />
für die Herstellung der Druckfarben notwendigen<br />
Bindemittel und die Trägerfasern sollen<br />
umgestellt werden. Hier ist Judith Deriu<br />
auf der Suche nach natürlichen Alternativen<br />
zu den aus Erdöl produzierten Industrieprodukten.<br />
„Materialien aus fossilen Rohstoffen<br />
belasten die Natur in hohem Ausmaß“, sagt<br />
die Chemikerin. „Aus synthetischen Textilien<br />
lösen sich Mikrofasern, die nicht abgebaut<br />
werden können, und von den auf Textilien gedruckten<br />
Motiven gelangen künstliche Bindemittel<br />
mit Pigmenten als Mikroplastik in die<br />
Umwelt.“ Die Dornbirner Wissenschaftler:innen<br />
kolorieren mit ihrer Pflanzenpigmenten<br />
zum Beispiel biobasierte Zellulosefasern, die<br />
über ein industrielles Verfahren aus Holz hergestellt<br />
werden. Für den Druck auf Textil und<br />
Papier testet Deriu nachhaltige Bindemittel<br />
auf Basis biologisch abbaubarer Polysaccharide,<br />
um die Entstehung von Mikroplastik zu<br />
vermeiden.<br />
Vermarktbare Produkte<br />
Durch Zusammenarbeit mit Industriepartnern<br />
werden verschiedene Druckfarben entwickelt.<br />
Papierdruckfarben für den Offsetdruck aus<br />
„Materialien aus fossilen Rohstoffen belasten die Natur in hohem<br />
Ausmaß. Aus synthetischen Textilien lösen sich Mikrofasern,<br />
die nicht abgebaut werden können, und von den auf<br />
Textilien gedruckten Motiven gelangen künstliche Bindemittel<br />
mit Pigmenten als Mikroplastik in die Umwelt.“ <br />
Judith Deriu<br />
nachhaltigen pflanzlichen Ölen und Harzen<br />
können mit den Pflanzenpigmenten vollständig<br />
nachhaltig gemacht werden. „Unsere<br />
Pigmentpartikel sind für den Papierdruck jedoch<br />
noch zu groß, dafür müssen sie kleiner<br />
als drei Mikrometer werden“, sagt die Chemikerin.<br />
Sehr vielversprechend sind hingegen<br />
die Ergebnisse im Textildruck. „Hier sind wir<br />
gemeinsam mit unseren Partnern aktuell auf<br />
der Suche nach Produkten, die sich vermarkten<br />
lassen.“ In Frage kommen dafür zum<br />
Beispiel Einkaufsbeutel oder Event-T-Shirts.<br />
Im Papierbereich sind Geschenkpapier, Verpackungsmaterialien<br />
und Papiertaschen mögliche<br />
Einsatzgebiete der neuen Farbpigmente<br />
und Druckfarben. Für Kleidung müssen die<br />
Farben noch deutlich weiterentwickelt werden,<br />
damit sie dem häufigen Waschen standhalten<br />
können.<br />
Die Zusammenarbeit mit der Industrie<br />
schafft auch die Basis für ein Netzwerk aus<br />
Wissenschaft, Wirtschaft und allen Beteiligten<br />
entlang der Wertschöpfungskette. Mit im Projektteam<br />
von Judith Deriu sind zum Beispiel<br />
die Textildrucker Buntwerk aus Vorarlberg,<br />
Kelheim Fibres, der weltweit führende Hersteller<br />
von Viskose-Spezialfasern, Sun Chemical,<br />
der wichtigste Hersteller von Druckfarben,<br />
und das Verpackungszentrum Graz, der österreichische<br />
Spezialist für ökologische Verpackungen.<br />
„Um wirklich eine Kreislaufwirtschaft<br />
in der Textil- und Druckindustrie zu<br />
etablieren, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten:<br />
Wissenschaft, Industrie und Konsument:innen.<br />
Meine <strong>Forschung</strong> ist ein kleines<br />
Puzzleteilchen in diesem gemeinsamen Bemühen“,<br />
sagt Judith Deriu. <br />
cf<br />
JUDITH DERIU (*1986)<br />
wurde in der Schweiz geboren<br />
und hat in Amsterdam Biomedizin<br />
und Pharmazeutische<br />
Toxikologie studiert. 2016 kam<br />
sie für ein Doktoratsstudium<br />
an das <strong>Forschung</strong>sinstitut für<br />
Textilchemie und Textilphysik<br />
der Universität Inns bruck und<br />
forscht hier seit der Promotion<br />
als Postdoc. Sie ist Leiterin<br />
eines FFG-Projekts zu Pflanzenpigmenten<br />
als nachhaltige<br />
und biologisch abbaubare<br />
Farbmittel zur Kolorierung von<br />
Textil und Papier (PiColor).<br />
zukunft forschung <strong>02</strong>/23 35