Zukunft Forschung 02/2023
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA<br />
FLÜSSEN EINE<br />
STIMME GEBEN<br />
Die Lernplattform Aqua MOOC will ein anderes Bewusstsein für Wasser schaffen und<br />
junge Menschen motivieren, Flüsse zu erforschen, zu dokumentieren und neu zu erleben.<br />
AQUA MOOC vermittelt Wissen über das biosoziale, adaptive System Fluss, in dem alles mit<br />
allem zusammenhängt (im Bild Schüler:innen in der Marzoller Au / Saalach / Bad Reichenhall).<br />
Der Legende nach verließ der Mount<br />
Taranaki, ein spitzkegeliger Vulkan,<br />
einst nach einem Streit seine<br />
Heimat im heutigen Tongariro National<br />
Park und zog in den Westen der Nordinsel<br />
Neuseelands. Auf dem Weg dorthin grub<br />
er eine tiefe Furche in das Land, die sich<br />
bald mit klarem Wasser füllte – der Whanganui.<br />
Der 320 Kilometer lange Fluss, der<br />
relativ naturbelassen durch zwei Nationalparks<br />
fließt, erhielt 2017 aufgrund<br />
seiner kulturellen Bedeutung für die indigene<br />
Bevölkerung den Status einer juristischen<br />
Person – als erster Fluss weltweit.<br />
Zwei eigens eingesetzte Vertreter können<br />
seither beispielsweise den Fluss bei Gerichtsverfahren<br />
vertreten: Sie geben dem<br />
Whanganui eine Stimme.<br />
„Dieses Verständnis von Flüssen – zum<br />
Beispiel als Ahne – ist ein anderer Umgang<br />
mit Wasser als bei uns. Unserer ist<br />
von einem modernen, europäischen und<br />
funktionalistischen Denken geprägt“,<br />
sagt Reingard Spannring, Soziologin am<br />
Institut für Erziehungswissenschaft der<br />
Universität Inns bruck. Europäische Flüsse<br />
– wie zum Beispiel der Inn – wurden<br />
in den letzten Jahrhunderten reguliert,<br />
um sie schiffbar zu machen, um Ufergebiete<br />
landwirtschaftlich zu nutzen,<br />
um mit ihrer Hilfe Energie zu gewinnen.<br />
„Wir können hier eine Art Generation Gap<br />
beobachten. Eine ältere Generation hat<br />
an Flüssen etwas verändert, die nachfolgende<br />
Generation nimmt dies aber nicht<br />
als Veränderung wahr, sondern erlebt sie<br />
als Umwelt oder Natur“, erklärt Spannring.<br />
Doch können wir Natur, können<br />
wir Wasser auch anders, nicht anthropozentrisch,<br />
als biosozialen Raum, den sich<br />
Menschen, Tiere und Pflanzen teilen, sehen?<br />
Mit dieser Frage hat sich, auf Anregung<br />
der australischen Nachhaltigkeitsforscherin<br />
Shé Hawke, das Projekt Überleben<br />
im Anthropozän auseinandergesetzt,<br />
18 zukunft forschung <strong>02</strong>/23<br />
Fotos: Reingard Spannring, Andreas Friedle