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Zukunft Forschung 02/2023

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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STANDORT<br />

Wir haben intern sehr viele Freiheiten, zu<br />

bestimmen, welche Professuren geschaffen<br />

werden und wie wir sie besetzen. Größtmögliche<br />

Autonomie und Unabhängigkeit<br />

der Institution sind daher zentrale Aspekte<br />

– und die ETH hat in dieser Beziehung<br />

einen gewissen Vorteil gegenüber einer<br />

typischen österreichischen Universität.<br />

ZUKUNFT: Und die finanziellen Mittel?<br />

DISSERTORI: Am Ende kommt man natürlich<br />

nicht ums Geld herum. Denn wie<br />

ziehe ich die besten Leute an? Indem ich<br />

gute Bedingungen offeriere. Gute Bedingungen<br />

heißt auch gute Gehälter, den<br />

wirklichen Top-Leuten geht es aber um die<br />

gute Infrastruktur. Das heißt, Geld muss<br />

in gute Infrastruktur fließen. Da sind wir<br />

in der glücklichen Lage, dass die Grundfinanzierung<br />

der Schweizer Universitäten<br />

und speziell der ETH Zürich schon sehr,<br />

sehr gut ist. Vor allem in Hinblick auf die<br />

Grundfinanzierung: Jede Professorin, jeder<br />

Professor wird von Anfang an sehr<br />

gut ausgestattet und muss nicht jedes Jahr<br />

neu um Ressourcen anfragen. Gut dotierte<br />

Professuren erlauben, Dinge zu verfolgen,<br />

die unmöglich erscheinen und dauern.<br />

An scheinbar verrückten Ansätzen über<br />

Jahre zu forschen, liefert manchmal aber<br />

auch Durchbrüche. Ich möchte aber nochmals<br />

betonen: Ich hatte an der Universität<br />

Inns bruck eine Top-Ausbildung, man sieht<br />

also, dass Top-Ausbildung nicht immer<br />

direkt mit Rankings korreliert. Es sind die<br />

Menschen.<br />

ZUKUNFT: Die Schweiz ist nicht Teil großer<br />

EU-Programme wie Horizon Europe. Wie<br />

sehr schmerzt dieser fehlende Zugang?<br />

DISSERTORI: Es schmerzt aus verschiedensten<br />

Gründen. Es geht nicht nur allein<br />

um Geld, da gibt es Notlösungen – man<br />

kann etwa beim Schweizer Nationalfonds<br />

ähnliche Projekte einreichen. Dieser Wettbewerb<br />

ist allerdings ein anderer, er ist<br />

national, nicht international – den hohen<br />

Level eines ERC Grants kann man innerhalb<br />

eines Landes nicht erreichen. Es<br />

schmerzt auch wegen großer Kooperationsprojekte<br />

in Europa, unter anderem<br />

hatten ETH-Forscherinnen und -Forscher<br />

bei gewissen Projekten die Führung und<br />

mussten diese abgeben. Was das bedeutet,<br />

ist klar. Wenn man Projekte nicht mehr leitet,<br />

kann man sie nicht mehr entsprechend<br />

prägen. Es schmerzt auch, weil immer die<br />

Gefahr besteht, dass auf lange Sicht die<br />

besten Leute nicht mehr in die Schweiz<br />

kommen. Diesen Effekt spüren wir aktuell<br />

noch nicht sehr stark, man darf ihn aber<br />

nicht vernachlässigen. Die Politik unterschätzt<br />

bei Bildung und <strong>Forschung</strong> immer,<br />

wie langfristig die Wertschöpfungsketten<br />

sind – Auswirkungen sieht man nicht in<br />

ein, zwei Jahren, sondern in zehn. Sieht<br />

man sie dann, ist es schon zu spät, denn<br />

es braucht dann wieder zehn Jahre, um zu<br />

GÜNTHER DISSERTORI (*1969 in Meran)<br />

studierte an der Uni Inns bruck Physik.<br />

Für sein Doktorat ging er in die Schweiz<br />

ans CERN und dissertierte über den ALEPH-<br />

Detektor. Am CERN half Dissertori mit, das<br />

CMS-​Experiment am großen Teilchenbeschleuniger<br />

aufzubauen, eines jener beiden<br />

Experimente, mit denen es gelang, das<br />

Higgs-​Teilchen nachzuweisen. 2001 wurde<br />

er Assistenzprofessor an der ETH Zürich,<br />

2007 ordentlicher Professor. Seit Februar<br />

2<strong>02</strong>2 ist Dissertori Rektor der ETH Zürich<br />

und zeichnet damit für die Lehre an der<br />

Schweizer Hochschule verantwortlich.<br />

korrigieren. Diese systematische Erosion<br />

macht uns große Sorgen.<br />

ZUKUNFT: Gibt es dennoch Kooperationen<br />

mit europäischen Universitäten?<br />

DISSERTORI: Ja, die ETH Zürich ist z. B. als<br />

Mitglied einer der European University<br />

Alliances eingeladen worden und ist<br />

ENHANCE, dem Zusammenschluss von<br />

weiteren neun technischen Universitäten,<br />

beigetreten. Bezüglich der Fördermittel<br />

sind wir assoziiertes Mitglied, bezüglich<br />

der Zusammenarbeit sind wir aber vollkommen<br />

anerkannt – das ist sehr positiv.<br />

Wir sind ENHANCE auch beigetreten, um<br />

der Schweizer Politik zu zeigen, dass wir<br />

nicht am Spielfeldrand stehen, sondern<br />

mitspielen wollen. Schauen wir, wie lange<br />

uns dieses Thema noch beschäftigt.ah<br />

zukunft forschung <strong>02</strong>/23 25

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