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Zukunft Forschung 02/2023

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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ARCHITEKTUR<br />

„Das Werkzeug unterstützt beim<br />

Experimentieren mit komplexen<br />

Materialien und Formen.“ <br />

<br />

Stefan Rutzinger<br />

Volumetrisches Entwerfen erlaubt<br />

es, die architektonische Form<br />

gleichzeitig mit ihrer inneren Materialverteilung<br />

bereits in frühen Phasen<br />

der Ideenfindung zu entwickeln.<br />

Einer der Pioniere auf diesem Gebiet des<br />

„Raumplans“ war der österreichische<br />

Architekt Adolf Loos (1870–1933), der es<br />

strikt ablehnte, seine Bauten zweidimensional<br />

zu entwerfen. Diese Denkweise bildete<br />

die Grundlage für seinen charakteristischen,<br />

in sich verschachtelten Baustil.<br />

Bis heute gilt seine Herangehensweise als<br />

wichtiger Weg der Formfindung in der<br />

Architektur. Zwar bieten leistungsstarke<br />

Computer Architekt:innen rund 100<br />

Jahre später ganz andere technologische<br />

Möglichkeiten, als sie Loos zur Verfügung<br />

standen, doch werden diese aktuell noch<br />

nicht so umfassend genutzt, wie man<br />

meinen möchte: „Im Vergleich zu den<br />

meisten anderen Branchen hat die Baubranche<br />

einen vergleichsweise niedrigen<br />

Digitalisierungsindex“, berichten Stefan<br />

Rutzinger und Kristina Schinegger vom<br />

Institut für Gestaltung an der Fakultät für<br />

Architektur.<br />

In ihrem <strong>Forschung</strong>sprojekt Computational<br />

Immediacy möchten die beiden nun<br />

die Entwicklung einer volumetrischen<br />

Entwurfsmethode vorantreiben, die das<br />

volle Potenzial computergestützter Technologien<br />

schon in frühen Entwurfsphasen<br />

nutzt. Eingebunden sind sie dabei<br />

in dem am Zentrum für Geometrie und<br />

Computational Design (GCD) der Technischen<br />

Universität Wien angesiedelten<br />

FWF-Spezialforschungsbereich (SFB)<br />

Advanced Computational Design, der das<br />

Wissen von Projektpartner:innen aus verschiedensten<br />

Disziplinen wie Mathematik,<br />

Bauingenieurwissenschaften, Computergrafik<br />

oder eben Architektur vereint.<br />

schaffen will. Es soll vage Vorstellungen<br />

und Formen, aber auch die Eigenschaften<br />

innovativer Materialien in hoher räumlicher<br />

Tiefe abbilden. Mithilfe von 3D-<br />

Punktwolken-Modellierungen werden Ergebnisse<br />

am Computer unmittelbar sichtund<br />

bearbeitbar. Aber auch Rückmeldungen<br />

zu Materialaufwand, CO 2 -Bilanz und<br />

weiteren Faktoren sind bereits in dieser<br />

frühen Entwurfsphase durch die Anwendung<br />

möglich. „Das Werkzeug unterstützt<br />

beim Experimentieren mit komplexen Materialien<br />

und Formen“, weist Rutzinger auf<br />

das Anwendungsgebiet hin, „und erlaubt<br />

es Architekten, gestalterisch anspruchsvolle<br />

und nachhaltige Gebäudekonzepte<br />

zu entwerfen.“<br />

Kanonische Gebäude<br />

Ein wichtiges Feature, mit dem das Werkzeug<br />

Entwerfer:innen außerdem unterstützen<br />

soll, ist eine Autocomplete-Funktion.<br />

Diese kann man sich ähnlich wie<br />

einen auf Künstlicher Intelligenz basierenden<br />

Textgenerator vorstellen, der aus<br />

ein paar wenigen Informationen einen<br />

Text formuliert: Mit einfachen Inputs –<br />

zum Beispiel einer physisch modellierten<br />

Grundform – errechnet das Entwurfswerkzeug<br />

ein hochaufgelöstes Modell<br />

mit vielen Details und macht so eine Idee<br />

räumlich erkundbar. Dazu braucht es im<br />

Hintergrund Algorithmen, welche die<br />

räumliche Struktur, die architektonischen<br />

Elemente und weitere für die Darstellung<br />

relevante Faktoren abbilden, aber auch<br />

eine solide Datengrundlage. Derzeit besteht<br />

diese aus über 200 nach Material und<br />

Bauteilen differenzierten Referenzmodellen<br />

kanonischer Gebäude, aus denen die<br />

Künstliche Intelligenz ihr Wissen über<br />

Architektur beziehen kann. Ein Teil dieser<br />

Referenzmodelle wurde im Rahmen von<br />

Lehrveranstaltungen aufbereitet. „Unsere<br />

Studierenden haben sich in Seminaren mit<br />

diesen kanonischen Bauten auseinandergesetzt<br />

und schließlich in Kleingruppen<br />

Modelle davon erstellt“, erzählt Schinegger.<br />

„So erwerben sie sich grundlegendes<br />

Architekturverständnis, können aber auch<br />

an einem innovativen <strong>Forschung</strong>sprozess<br />

teilhaben“, erklärt sie den Ansatz forschungsgeleiteter<br />

Lehre, wie er am Institut<br />

gelebt wird.<br />

Erste Anwendungen liefern bereits gute<br />

Ergebnisse: Schinegger und Rutzinger zeigen<br />

dazu – wie am Foto auf der linken<br />

Seite – ein von Studierenden aus einfachen<br />

Holzwürfeln angefertigtes Modell<br />

und als Vergleichsobjekt das mithilfe der<br />

Autocomplete-Funktion vom Computer<br />

erzeugte, wesentlich detailreichere Modell,<br />

das auch als 3D-Ausdruck gut funktioniert.<br />

„Der Machine-Learning-Workflow<br />

muss allerdings noch mit zusätzlichen<br />

Referenzmodellen weiter trainiert<br />

werden“, berichten Stefan Rutzinger und<br />

Kristina Schinegger, die gerade das Hearing<br />

für die Verlängerung des SFB-Projektes<br />

absolviert haben.<br />

ef<br />

Raum für frische Ideen<br />

„In frühen Phasen des Entwerfens arbeiten<br />

Architekt:innen und Designer:innen noch<br />

sehr intuitiv und auf Basis ihres impliziten<br />

Wissens. Was entstehen kann, ist oft noch<br />

schwer greifbar“, beschreibt Schinegger<br />

jenes Entwurfsstadium, für welches das<br />

neue Entwurfswerkzeug einen Raum<br />

ERSTE FORSCHUNGSERGEBNISSE wurden als hybride Modellierungsumgebung in<br />

einer öffentlichen Installation im aut (Ausstellung Potenziale 3 im Adambräu) mit dem Titel<br />

Clouder vorgestellt und mit einem Laienpublikum getestet: Die Besucher:innen der Ausstellung<br />

konnten auf einem Tisch mit farbigen Blöcken eine Konstruktion bauen. Mit dem eingescannten,<br />

als Punktwolke dargestellten Ergebnis konnten sie in einem zweiten Schritt weiter<br />

experimentieren. – Die Installation bestand im Wesentlichen aus Bauklötzen, zwei MS-Kinect<br />

Scannern, Ringlichtern, einem Bildschirm, einer Arduino Steuerkonsole und einem Computer.<br />

Fotos: Andreas Friedle, Schinegger / Rutzinger<br />

zukunft forschung <strong>02</strong>/23 33

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