Zukunft Forschung 02/2023
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA<br />
die Menge der vorhandenen Sedimente<br />
im Einflussbereich der Gewässer und deren<br />
Zusammensetzung eine Rolle.<br />
Alpine Gegebenheiten<br />
Bestehende Modelle und Untersuchungen<br />
zu Naturgefahrenprozessen im Nahbereich<br />
von Zusammenflüssen zweier<br />
Fließgewässer beschränken sich bis dato<br />
überwiegend auf große Talflüssen beziehungsweise<br />
Voralpenflüsse, die nicht unmittelbar<br />
den topografischen Verhältnissen<br />
von alpinen Wildbächen und Gebirgsflüssen<br />
entsprechen. „Unser Ziel beim<br />
Projekt ECOSED_TT war es, bestehende<br />
Erkenntnisse und Modelle um Daten für<br />
die in alpinen Einzugsgebieten typischerweise<br />
vorherrschenden steilen Gerinne zu<br />
erweitern“, erklärt Bernhard Gems.<br />
Um die Ausprägungen der Gefahrenprozesse<br />
an diesen neuralgischen Punkten<br />
genauer untersuchen zu können, haben<br />
die Wissenschaftler:innen um Gems<br />
einen groß angelegten, adaptierbaren<br />
physikalischen Modellversuch im Wasserbaulabor<br />
der Universität Inns bruck<br />
geplant und errichtet. Anhand des Modells<br />
können Einmündungssituationen<br />
mit verschiedenen Gerinne-Neigungen<br />
und Einmündungswinkeln sowie mit<br />
unterschiedlichen Prozesseigenschaften<br />
und -intensitäten untersucht werden. „In<br />
unserem Modellversuch haben wir zahlreiche<br />
mögliche Szenarien nachgestellt,<br />
wie Einmündungen aussehen können.<br />
Durch die Variation der einzelnen Prozesseigenschaften<br />
sehen wir, wie sich einzelne<br />
Faktoren im Einmündungsbereich<br />
im Sinne räumlich variabler Ablagerungsund<br />
Ero sionsdynamiken auswirken“, beschreibt<br />
Bernhard Gems.<br />
Geländestudien<br />
Um ihre Modelle und Experimente mit<br />
entsprechenden Daten aus der Natur zu<br />
hinterlegen, haben die Wissenschaftler:innen<br />
um Gems auch Erhebungen im Gelände<br />
durchgeführt. „Wir haben anhand<br />
von Ereignis-Chroniken über 135 neuralgische<br />
Einmündungsbereiche in Tirol und<br />
Südtirol ausgewählt, dort die topografischen<br />
Gegebenheiten dokumentiert und<br />
auch Proben entnommen, um detaillierte<br />
Informationen über die Kornverteilungen<br />
der Sedimente zu erhalten“, so Gems.<br />
Daneben kamen auch Daten aus GIS-<br />
Kartierungen zum Einsatz, um genaue<br />
Informationen über die topografischen<br />
Gegebenheiten im Umfeld der Gewässer<br />
miteinzubeziehen. Zusätzlich führten die<br />
Wissenschaftler:innen im Rahmen des<br />
Projektes auch Befliegungen von zwei Gewässerabschnitten<br />
in Nord- und Südtirol<br />
durch. „Herkömmliche Laserscan-Daten,<br />
die uns in der GIS-Datenbank zur Verfügung<br />
stehen, bilden zwar das Umfeld<br />
der Gewässer sehr gut ab, die Gewässer<br />
selbst werden hier aber nur oberflächlich<br />
gescannt“, erklärt Gems. Um auch Daten<br />
über die topografische Beschaffenheit<br />
der Gerinne miteinbeziehen zu können,<br />
griffen die Wissenschaftler:innen auf das<br />
Know-how von Airborne Hydro Mapping<br />
– einem Spin-Off der Universität<br />
Inns bruck – zurück.<br />
„Mithilfe eines sogenannten grünen Lasers,<br />
der anders als herkömmliche Laser<br />
die Wasseroberfläche durchdringen kann,<br />
haben wir so detaillierte Daten über die<br />
Beschaffenheit der Gerinne über insgesamt<br />
zehn Kilometer entlang der Passer in<br />
Südtirol und der Rosanna im Tiroler Oberinntal<br />
erhalten“, erklärt Gems. Wichtige<br />
Daten, die auch in die Verbesserung bestehender<br />
numerischer Modelle einfließen.<br />
„Wir verwenden alle von uns gesammelten<br />
Daten und in der Folge auch unsere<br />
Laborversuche als Benchmark, um numerische<br />
Modelle zu kalibrieren und auf<br />
ihre Qualität zu überprüfen“, verdeutlicht<br />
Bernhard Gems. „Diese numerischen Berechnungen<br />
haben im Vergleich zu den<br />
Experimenten im Wasserbau-Labor den<br />
Vorteil, dass sie mögliche Ereignisse und<br />
deren Folgen auf einer räumlich viel größeren<br />
Skala abbilden können, als es im<br />
Labor möglich ist“, so Gems. „Erkenntnisse,<br />
die einerseits das grundlegende Verständnis<br />
fluviatiler Prozesse erweitern<br />
und andererseits auch wichtige Informationen<br />
beispielsweise für die Gefahrenzonenplanung<br />
darstellen.“ sr<br />
3<br />
DAS VON DER Autonomen Provinz Bozen –<br />
Südtirol finanzierte Projekt ECOSED_TT untersuchte<br />
die Verlagerung von Feststoffen bei<br />
Hochwasserprozessen in alpinen Gewässern<br />
– etwa beim Schnanner Bach, der im Stanzertal<br />
in die Rosanna mündet. ECOSED_TT<br />
wurde von Bernhard Gems (re.) vom Arbeitsbereich<br />
Wasserbau an der Uni Inns bruck in<br />
Kooperation mit der Freien Universität Bozen<br />
geleitet. Im Rahmen des Projekts wurden<br />
zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten erstellt,<br />
so wird Thèo St. Pierre Ostrander (li.) in Kürze<br />
seine Dissertation abschließen.<br />
1 Schnanner Bach: Massiver murartiger<br />
Feststoffeintrag in Folge eines Starkregenereignisses<br />
im August 2018. 2 Einmündung<br />
unter normalen Bedingungen. 3 Am<br />
konfigurierbaren Modell im Wasserbau-Labor<br />
der Uni Inns bruck lässt sich nachstellen, wie<br />
sich einzelne Faktoren im Einmündungsbereich<br />
auswirken.<br />
zukunft forschung <strong>02</strong>/23 15