TOPFIT Herbst 2023
Bescheid wissen - gesund leben
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Diagnose & Therapie<br />
11<br />
Zertifiziertes Uro-Onkologisches Zentrum in München<br />
Die Urologie hat im Krankenhaus Barmherzige<br />
Brüder eine über 100-jährige Tradition:<br />
»Sie ist praktisch die Keimzelle unseres<br />
Hauses«, sagt Dr. Nadine Schmid-Pogarell.<br />
Daher sei es nur konsequent gewesen,<br />
beständig an der Weiterentwicklung der<br />
Klinik für Urologie zu arbeiten und sie auf<br />
dem medizinisch modernsten und qualitativ<br />
höchsten Stand zu halten, so die Geschäftsführerin<br />
des Krankenhauses. Beispielsweise<br />
verfügt die Klinik für Urologie<br />
über das derzeit modernste System des da<br />
Vinci-Programms, das sogenannte XI System.<br />
»Insbesondere auf dem Gebiet der<br />
Prostatektomie haben sich Operationen<br />
mit dem da Vinci-Robotersystem als besonders<br />
schonende Alternative zu offenen<br />
Operationen etabliert«, erklärt Prof Karl.<br />
Hinzu kommt ein Höchstmaß an Präzision:<br />
Im Gegensatz zur herkömmlichen Schlüssellochtechnik<br />
sind die Instrumente des da<br />
Vinci-Systems mehrgelenkig und in allen<br />
Richtungen beweglich. Diese enorme Flexibilität<br />
ermöglicht es dem Operateur, auf<br />
kleinstem Raum hoch komplexe Bewegungen<br />
auszuführen und somit minimal-invasiv<br />
auch an sonst nur schwer erreichbare Stellen<br />
zu gelangen.<br />
Die Klinik für Urologie ist von der Deutschen<br />
Krebsgesellschaft (DKG) als Uro-Onkologisches<br />
Zentrum zertifiziert: Ihr wird<br />
speziell in den Bereichen Prostatakrebs-,<br />
Harnblasenkrebs- und Nierenkrebsversorgung<br />
bescheinigt, dass die notwendige<br />
Therapie auf den neuesten wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen und aktuellsten Leitlinien<br />
basiert - und damit eine besonders hohe<br />
Versorgungsqualität gewährleistet ist.<br />
NACHGEFRAGT<br />
Wie wird Blasenkrebs behandelt? Welche<br />
Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit<br />
organerhaltend operiert werden kann?<br />
Diese und andere Fragen stellte <strong>TOPFIT</strong><br />
dem renommierten Chefarzt der Klinik für<br />
Urologie im Krankenhaus Barmherzige<br />
Brüder München, Prof. Dr. Alexander Karl.<br />
Herr Prof. Karl, wie wird ein nicht-muskelinvasiver<br />
Blasentumor behandelt?<br />
Prof. Karl: Bei der sogenannten TUR-Blase wird<br />
der Tumor über die Harnröhre zunächst endoskopisch<br />
abgetragen. Hierbei wird versucht,<br />
den Tumor von Anfang an komplett zu entfernen.<br />
Die Fluoreszenzendoskopie kann dabei<br />
helfen, das Ausmaß des Tumors genauer<br />
zu definieren und manchmal nur schwer zu<br />
erkennende flache Läsionen besser darzustellen<br />
und vollständig zu entfernen. Das entnommene<br />
Tumorgewebe wird dann in die Pathologie<br />
zur weiteren Analyse gesandt. Hier entscheidet<br />
sich, welche Art von Tumor vorliegt.<br />
Wie wichtig ist es für die Behandlungsstrategie,<br />
dass die Art des Tumors genau bekannt ist?<br />
Prof. Karl: Sehr wichtig. Es gibt in der Blase<br />
sehr unterschiedliche Tumorvarianten, wobei<br />
die Therapie etwa bei einem einzelnen sogenannten<br />
Ta low grade Tumor in der alleinigen<br />
Abtragung des Tumors besteht und zunächst<br />
keine weiterführenden Maßnahmen notwendig<br />
sind. In diesem Fall raten wir lediglich<br />
zur regelmäßigen Nachsorge mit Ultraschall,<br />
Urinuntersuchung und Blasenspiegelung. Bei<br />
aggressiveren nicht-muskelinvasiven Tumoren,<br />
den Ta high grade Tumoren, ist meist<br />
eine Nachresektion (erneute TUR-Blase) nach<br />
drei bis vier Wochen angezeigt. Denn hier<br />
kann das Ausmaß des Tumors unterschätzt<br />
werden; außerdem sprechen die Therapien<br />
nach aktueller Studienlage besser an, wenn<br />
eine Nachresektion stattgefunden hat. Bei<br />
neu diagnostiziertem high grade Tumor kann<br />
beispielsweise eine lokale Immuntherapie der<br />
Harnblase mit BCG (Bacille Calmette Guerin)<br />
sinnvoll sein. Leider ist die Rezidivrate auch<br />
bei den nicht-muskelinvasiven Tumoren in den<br />
ersten zwei Jahren nach Erstdiagnose relativ<br />
hoch, weshalb engmaschige Nachsorgeuntersuchungen<br />
unbedingt notwendig sind.<br />
Wann ist eine Entfernung der Harnblase<br />
notwendig?<br />
Prof. Karl: Eine Entfernung der Harnblase ist<br />
dann anzuraten, wenn der Tumor bereits die<br />
Harnblasenmuskulatur erfasst hat (T2-Stadium<br />
oder höher) oder therapeutische Maßnahmen<br />
bei einem mehrfach wiederkehrenden<br />
aggressiven nicht-muskelinvasiven Tumor (Ta<br />
high grade) nicht zum Erfolg geführt haben.<br />
Wichtig vor einer Operation ist aber, dass der<br />
Tumor lokal begrenzt bleibt, d. h. noch nicht<br />
in Lymphknoten oder andere Organe gestreut<br />
hat. Dies wird vor einer möglichen Entfernung<br />
der Harnblase mittels CT bzw. MRT abgeklärt.<br />
Man nennt diese Art der Untersuchung auch<br />
»Staging«. Hat sich nun herausgestellt, dass<br />
der Tumor auf die Blase begrenzt geblieben<br />
ist, wird eine radikale Zystektomie (komplette<br />
Entfernung der Harnblase) empfohlen. Gegebenenfalls<br />
ist auch eine neoadjuvante Chemotherapie<br />
(Chemotherapie im Vorfeld der<br />
Operation) mit dem Patienten zu diskutieren,<br />
wobei hier individuelle Faktoren eine große<br />
Rolle spielen.<br />
Wie gelangt der Urin aus dem Körper, wenn die<br />
Harnblase fehlt?<br />
Prof. Karl: Wird bei der Operation die Harnblase<br />
entfernt, muss für eine entsprechende<br />
Harnableitung gesorgt werden. Unsere Nieren<br />
produzieren kontinuierlich Urin, der dann<br />
über die Harnleiter in Richtung Blase transportiert<br />
wird. Fehlt die Blase, muss der Urin in der<br />
Folge entweder über ein Stoma über die Haut<br />
nach außen geleitet werden: Ein Stoma beutel<br />
fängt den Urin auf, und der Patient kann diesen<br />
Beutel über einen Ventilmechanismus<br />
selbst entleeren. Oder es kann eine Neoblase<br />
zum Einsatz kommen. Hierbei werden in der<br />
Regel ca. 60 Zentimeter Dünndarm des Patienten<br />
für die Schaffung einer neuen Blase verwendet,<br />
die dann an die Stelle der ursprünglichen<br />
Blase angeschlossen wird. Die Patienten<br />
können so willkürlich den Urin speichern und<br />
entleeren. Diese Form der Blase kommt der<br />
Funktion der eigenen Blase am nächsten.<br />
Welche Rolle spielt die Immuntherapie in der<br />
Blasenkrebsbehandlung?<br />
Prof. Karl: Man unterscheidet die lokale Immuntherapie<br />
innerhalb der Blase bei nicht-muskelinvasiven<br />
Tumoren mit BCG von einer systemischen<br />
Immuntherapie bei fortgeschrittenen<br />
Tumoren. Bei der lokalen Therapie wird das<br />
Medikament über einen Katheter in die Blase<br />
verabreicht und ruft hier eine lokale Immunreaktion<br />
hervor, die den Körper zur Bekämpfung<br />
der Tumorzellen anregen soll. Die systemische<br />
Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren<br />
kommt bei Patienten mit metastasierten<br />
Tumoren zum Einsatz, die entweder nicht für<br />
eine Chemotherapie geeignet sind oder aber<br />
nach einer Chemotherapie einen Tumorprogress<br />
erleiden.<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. med. Alexander Karl<br />
ist Chefarzt der Klinik für Urologie<br />
im Krankenhaus Barmherzige<br />
Brüder München und seit<br />
fast 20 Jahren sowohl klinisch<br />
als auch wissenschaftlich auf<br />
dem Gebiet der Blasentumorforschung<br />
tätig. Er zählt weltweit<br />
zu den Operateuren mit der<br />
größten Erfahrung bei der Behandlung von Harnblasentumoren.<br />
Mit mehr als 2 000 durchgeführten<br />
transurethralen Blasentumorresektionen und einer<br />
einzigartigen Expertise auf dem Gebiet der Fluoreszenzendoskopie<br />
gehört Prof. Karl zu den Experten<br />
in Deutschland und Europa. Nach Angaben des<br />
unabhängigen Projekts WEISSE LISTE (weisse-liste.<br />
de) führt die Klinik für Urologie des Krankenhauses<br />
Barmherzige Brüder München unter seiner Leitung<br />
die meisten Harnblasenentfernungen bei Harnblasenkrebs<br />
in ganz Deutschland durch.<br />
Nähere Infos:<br />
www.barmherzige-muenchen.de<br />
Bildnachweis: Krankenhaus Barmherzige Brüder München<br />
<strong>TOPFIT</strong> 3 / <strong>2023</strong>