TOPFIT Herbst 2023
Bescheid wissen - gesund leben
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12 Diagnose & Therapie<br />
Jahre vergehen, bis die betroffene Frau die endgültige<br />
Diagnose »Endometriose« erhält. Denn<br />
auch wenn die Erkrankung in letzter Zeit verstärkt<br />
in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt<br />
ist: Immer noch fehlt bei der Behandlung von<br />
Frauen mit ausgeprägten Menstruationsschmerzen,<br />
die sich kaum durch schmerzstillende oder<br />
krampflösende Medikamente mildern lassen,<br />
allzu oft das Verständnis dafür, dass höchstwahrscheinlich<br />
von einer krankhaften Ursache<br />
ausgegangen werden muss.<br />
Foto oben: © Halfpoint / Adobe Stock<br />
Endometriose<br />
häufig verkannt,<br />
zu selten angemessen behandelt<br />
Endometriose ist eine der häufigsten chronischen Frauenkrankheiten<br />
– und ein häufiger Grund für ungewollte Kinderlosigkeit. Leider<br />
ist der Weg zur Diagnose oft lang. Umso wichtiger ist es, sich nicht<br />
mit den Beschwerden abzufinden und ärztliche Hilfe zu suchen – am<br />
besten in einem Endometriose-Zentrum, wo spezialisierte Frauenärztinnen<br />
und Frauenärzte arbeiten.<br />
Von Dr. Nicole Schaenzler<br />
»Da muss ich halt durch!« Wenn Frauen jeden<br />
Monat aufs Neue mit ärgsten Menstruationsschmerzen<br />
zu kämpfen haben, versuchen viele,<br />
irgendwie damit zurecht zu kommen. Auch<br />
wenn das bedeutet, tagelang kaum aktiv am Leben<br />
teilhaben zu können. Dass sich hinter ihren<br />
Beschwerden eine manifeste gynäkologische Erkrankung<br />
– eine Endometriose - verbirgt, die<br />
zwar nicht geheilt, aber gut behandelt werden<br />
kann, erfahren sie oft erst nach Jahren.<br />
Schätzungsweise rund zehn Prozent aller Frauen<br />
zwischen 15 und 50 Jahren sind hierzulande von<br />
Endometriose betroffen. Und jedes Jahr kommen<br />
etwa 40 000 Neuerkrankungen dazu. »Die<br />
Dunkelziffer dürfte jedoch sehr viel höher sein«,<br />
vermutet Oberarzt Prof. Dr. Thomas Kolben<br />
und Zentrumskoordinator des zertifizierten Endometriose-Zentrums<br />
der LMU Frauenklinik.<br />
Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass vom<br />
Auftreten der Symptome im Mittel ganze 10,4<br />
Eine solche Ursache können gutartige Veränderungen<br />
von gebärmutterschleimhautartigem<br />
Gewebe sein, die jedoch außerhalb der Gebärmutterhöhle<br />
wachsen, die Ärzte sprechen auch<br />
von Endometrioseherden. Häufige Orte sind<br />
zum Beispiel die Muskelwand der Gebärmutter,<br />
die Eierstöcke oder die Region zwischen<br />
Gebärmutter und Mastdarm. Aber auch in der<br />
Bauchhöhle, an Harnblase, Nieren und sogar<br />
am Zwerchfell sowie in der Lunge können sich<br />
Gewebeinseln angesiedelt haben. Anhand der<br />
Lokalisation der Herde unterscheiden die Ärzte<br />
dann verschiedene Endometriosetypen.<br />
Chamäleon der Gynäkologie<br />
Je nach befallenem Organ oder Gewebe können<br />
die Beschwerden ganz unterschiedlich sein. Deshalb<br />
wird Endometriose auch als »Chamäleon<br />
der Gynäkologie« bezeichnet. So kann es sein,<br />
dass neben starken Menstruationsschmerzen<br />
auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, bei<br />
der gynäkologischen Untersuchung, beim Wasserlassen<br />
oder beim Stuhlgang, aber auch chronische<br />
Schmerzen im Beckenraum (Chronic<br />
Pelvic Pain Syndrom), Durchfall, Übelkeit, Erbrechen,<br />
ausgeprägte Erschöpfung, Ohnmachtsanfälle,<br />
Migräne und viele weitere Beschwerden<br />
zum Krankheitsbild gehören. Für die Intensität<br />
der Schmerzen spielt die Ausdehnung einer Endometriose<br />
jedoch allenfalls eine untergeordnete<br />
Rolle: »Schon sehr kleine Endometrioseherde<br />
können massive Beschwerden verursachen,<br />
wohingegen wir auch Patientinnen mit sehr<br />
ausgedehntem Befall kennen, die nur über sehr<br />
geringe Symptome berichten«, erklärt Prof. Kolben.<br />
Vor allem aber ist die Erkrankung eine der<br />
Hauptursachen für ungewollte Kinderlosigkeit:<br />
»Fast die Hälfte der Patientinnen in der reproduktionsmedizinischen<br />
Betreuung wegen unerfüllten<br />
Kinderwunsches leidet unter Endometriose«,<br />
sagt Prof. Kolben. Insgesamt seien etwa 30<br />
Prozent der Betroffenen von Sterilität betroffen,<br />
so der Endometrioseexperte.<br />
Spekulationen über die<br />
Entstehungsmechanismen<br />
Noch fehlt eine schlüssige Erklärung, was Zellen,<br />
die der Gebärmutterschleimhaut sehr ähnlich<br />
sind oder womöglich sogar von ihr abstammen,<br />
dazu veranlasst, sich an fremden Gewe-<br />
<strong>TOPFIT</strong> 3 / <strong>2023</strong>