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TOPFIT Herbst 2023

Bescheid wissen - gesund leben

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Diagnose & Therapie<br />

13<br />

Illu oben: © isn5000 / 123rf.com<br />

ben und Organen anzusiedeln. Einer Theorie<br />

zufolge kommt es zu übermäßigen Kontraktionen<br />

der Gebärmuttermuskulatur und damit zu<br />

Verletzungen in tieferen Schleimhautschichten.<br />

Dies führt dann womöglich dazu, dass Zellen<br />

aus diesen Schichten im Sinne eines Rückflusses<br />

von Menstruationsblut (retrograde Menstruation)<br />

über die Eileiter in den Bauchraum gelangt<br />

und sich dort ansiedeln. Aber auch Zellumwandlungen<br />

könnten eine Rolle spielen.<br />

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass<br />

Zellen des Bauchfells die Fähigkeit besitzen, sich<br />

eigenständig in Gebärmutterschleimhautzellen<br />

umzuwandeln. Es gibt noch einige weitere Theorien<br />

zur Entwicklung einer Endometriose; abschließend<br />

geklärt sind die Entstehungsmechanismen<br />

bislang nicht.<br />

Geschlechtshormone als Taktgeber<br />

Fest steht jedoch, dass die Endometrioseherde<br />

denselben hormonellen Einflüssen unterworfen<br />

sind wie die Gebärmutterschleimhaut: Unter<br />

dem Einfluss der Geschlechtshormone wachsen<br />

sie zu Beginn des Monatszyklus genauso wie<br />

die Schleimhaut der Gebärmutter – und bei jeder<br />

Menstruation bluten sie mit. Problematisch<br />

kann es werden, wenn das Blut nicht abfließen<br />

kann. Dann können große blutgefüllte Zysten<br />

entstehen. »Hinzu kommen weitere Komplikationen<br />

wie lokale Entzündungsreaktionen sowie<br />

eine daraus resultierende Überempfindlichkeit<br />

von schmerzübermittelnden Nerven. Ebenso<br />

kann es zu einer Neueinsprossung derartiger<br />

Nerven kommen. Zudem führt der wiederkehrende<br />

Schmerz zu Lern- und Anpassungsprozessen<br />

im Gehirn, dies spielt in der Schmerzchronifizierung<br />

eine wichtige Rolle«, erklärt<br />

Prof. Kolben.<br />

Auffällige Symptome können bereits mit der<br />

ersten Monatsblutung beginnen. Häufiger treten<br />

sie jedoch im Alter zwischen 20 und 30 Jahren<br />

auf – und sie werden dann zu ständigen Begleitern,<br />

die nicht mehr von selbst wieder ver-<br />

Spezialsprechstunde<br />

Das Endometriosezentrum des<br />

LMU Klinikums bietet jeden<br />

Montag und Mittwoch von 8.30<br />

Uhr bis 14.30 Uhr eine Endometriosesprechstunde<br />

an. Interessierte<br />

Frauen können sich entweder<br />

von ihrer Frauenärztin<br />

oder ihrem Frauenarzt überweisen<br />

lassen oder selbst einen Termin<br />

ausmachen.<br />

Nähere Infos unter<br />

www.lmu-klinikum.de<br />

schwinden. Erst mit Beginn der Wechseljahre<br />

tritt meist eine deutliche Besserung ein. »Aber<br />

es kommt auch vor, dass Frauen jenseits der<br />

Menopause noch mit Symptomen zu kämpfen<br />

haben«, weiß Prof. Kolben.<br />

Weshalb Frauen überhaupt an Endometriose<br />

erkranken, ist unklar. Obwohl die Krankheit<br />

schon seit über hundert Jahren bekannt ist<br />

und so viele Frauen betroffen sind, weiß man<br />

bislang nur wenig über die Ursachen. Auffällig<br />

ist, dass Töchter von Endometriosepatientinnen<br />

deutlich häufiger erkranken als Töchter<br />

von gesunden Frauen. Doch müssen, so die<br />

einhellige Expertenmeinung, noch andere Faktoren<br />

hinzukommen, damit es zum Ausbruch<br />

der Erkrankung kommt. »Zu verstehen, wie<br />

Endometriose entsteht, ist letztlich die grundsätzliche<br />

Voraussetzung, eine kausale Therapie<br />

zu entwickeln«, sagt Professor Kolben. Deshalb<br />

hat die Bundesregierung gerade fünf Millionen<br />

Euro zur Erforschung der Erkrankung bereitgestellt.<br />

Bis erste Ergebnisse vorliegen, wird es<br />

jedoch noch eine Weile dauern.<br />

Schwierige Diagnose<br />

Leicht zu diagnostizieren ist Endometriose<br />

nicht, gerade in frühen Stadien basiert die Diagnosestellung<br />

vor allem auf der entsprechenden<br />

Krankengeschichte. Ein erfahrener Arzt oder<br />

eine erfahrene Ärztin kann jedoch durch eine<br />

Tast- und Ultraschalluntersuchung insbesondere<br />

tief infiltrierende Endometrioseherde relativ<br />

gut identifizieren. Die abschließende definitive<br />

Diagnose kann letztlich nur mit einer<br />

Bauchspiegelung gesichert werden. »Die Laparoskopie<br />

dient dann meist nicht nur der Diagnostik,<br />

sondern auch gleich der Therapie«, erklärt<br />

Prof. Kolben.<br />

Ganzheitlicher Ansatz in der Therapie<br />

Auch Medikamente zur Schmerzlinderung<br />

oder die Gabe von Hormonen (wie Gestagene,<br />

GnRH-Analoga), die die Aktivität der Endometriose-Herde<br />

unterdrücken, sind Behandlungsoptionen.<br />

Nicht alle Frauen sprechen jedoch auf<br />

diese Maßnahmen an. Zudem sind Nebenwirkungen<br />

häufig. Oft greift etwa eine hormonelle<br />

Therapie tief in den natürlichen Hormonhaushalt<br />

ein, sodass dann z. B. keine Menstruation<br />

mehr stattfindet. Schmerzmittel können wiederum<br />

Leber und Nieren schädigen, insbesondere<br />

wenn sie regelmäßig eingenommen werden. Die<br />

Behandlung von Patientinnen, die unter Endometriose<br />

leiden, sollte deshalb als ganzheitlicher<br />

Ansatz verstanden werden. Hierbei müssen die<br />

Wünsche und Bedürfnisse sowie Lebensumstände<br />

der Patientinnen in das Therapiekonzept<br />

mit einfließen. »In unserem Endometriose-Zentrum<br />

der LMU Frauenklinik, das auf der<br />

höchsten Stufe zertifiziert ist, gewährleisten wir<br />

dies in enger Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern<br />

der verschiedenen anderen<br />

Fachdisziplinen«, sagt Prof. Kolben. »Außerdem<br />

arbeiten wir im Rahmen zahlreicher Forschungsprojekte<br />

aktiv an der Verbesserung der<br />

Diagnostik und Therapie auf dem Gebiet der<br />

Endometriose« – so sei das Team stets auf dem<br />

neuesten Stand, um allen Patientinnen eine optimale<br />

Beratung und Behandlung an der LMU<br />

Frauenklinik anbieten zu können.<br />

Zur Person<br />

Prof. Dr. med. Thomas Kolben<br />

Oberarzt der Klinik und Poliklinik<br />

für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />

LMU Klinikum<br />

Zentrumskoordinator des<br />

Endometriose-Zentrums<br />

Campus Großhadern<br />

Tel. 089/4400-76800<br />

www.lmu-klinikum.de<br />

Foto: © LMU Klinikum München<br />

<strong>TOPFIT</strong> 3 / <strong>2023</strong>

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