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Das betriebliche Magazin für nachhaltige Beschaffung, Ausgabe Oktober 2023

Die betriebliche Beschaffung verändert sich zunehmend zu einem strategischen Faktor der Unternehmensentwicklung. Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Menschenrechtsverletzungen ist die betriebliche Beschaffung in einer Transformation. Sie sind Teil dieser Transformation und wollen sich über aktuelle Trends, Best Practices und Meinungen der Stakeholder in der betrieblichen Beschaffung informieren? Dann sind Sie hier richtig! Das Magazin für nachhaltige Beschaffung informiert regelmäßig zu den Themen Dekarbonisierung, Product Carbon Footprint, Lieferketten, Supplier Diversity, Biodiversität, regulatorische Anforderungen und Sustainable Finance, veröffentlicht Interviews, Erkenntnisse aus der täglichen Praxis und gibt Tipps zum Einstieg und Vertiefung der nachhaltigen Beschaffung.

Die betriebliche Beschaffung verändert sich zunehmend zu einem strategischen Faktor der Unternehmensentwicklung. Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Menschenrechtsverletzungen ist die betriebliche Beschaffung in einer Transformation.

Sie sind Teil dieser Transformation und wollen sich über aktuelle Trends, Best Practices und Meinungen der Stakeholder in der betrieblichen Beschaffung informieren? Dann sind Sie hier richtig! Das Magazin für nachhaltige Beschaffung informiert regelmäßig zu den Themen Dekarbonisierung, Product Carbon Footprint, Lieferketten, Supplier Diversity, Biodiversität, regulatorische Anforderungen und Sustainable Finance, veröffentlicht Interviews, Erkenntnisse aus der täglichen Praxis und gibt Tipps zum Einstieg und Vertiefung der nachhaltigen Beschaffung.

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<strong>Das</strong> <strong>betriebliche</strong> <strong>Magazin</strong><br />

<strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

6,80 EURO<br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2023</strong><br />

Im Interview<br />

Dr. Claas Oehlmann<br />

Best Practice<br />

aus Unternehmen<br />

Top-Themen:<br />

Die Bedeutung der Circular Economy <strong>für</strong> den Einkauf<br />

Künstliche Intelligenz im <strong>Beschaffung</strong>swesen<br />

Kleine Kniffe<br />

1<br />

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2 Kleine Kniffe<br />

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Editorial<br />

Die SDGs sind der weltweit vereinbarte Fahrplan zur Überwindung wirtschaftlicher und<br />

geopolitischer Gräben, zur Wiederherstellung des Vertrauens und zur Wiederherstellung der Solidarität.<br />

<strong>Das</strong> SDG 12 zielt auf einen verantwortungsvollen Konsum und Produktion Wenn keine<br />

Fortschritte erzielt werden, werden sich die Ungleichheiten weiter verschärfen und die Gefahr<br />

einer fragmentierten Welt der zwei Geschwindigkeiten wächst. Niemanden zurücklassen ist das<br />

Leitprinzip der Agenda 2030.<br />

Auf dem SDG-Gipfel <strong>2023</strong> wurde am 18. und 19. September <strong>2023</strong> auf halbem Weg zum Jahr<br />

2030 in New York Zwischenbilanz gezogen. Ergebnis: das Versprechen der SDG ist in Gefahr. Die<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Entwicklungsziele verschwinden im Rückspiegel, ebenso wie die Hoffnung und die<br />

Rechte der heutigen und künftigen Generationen.<br />

Bei mehr als 50 Prozent der Ziele der SDGs sind die Fortschritte schwach und unzureichend;<br />

bei 30 Prozent sind sie ins Stocken geraten oder haben sich ins Gegenteil verkehrt. Dazu gehören<br />

wichtige Ziele zu Armut, Hunger und Klima.<br />

Die Klimakrise verschärft sich, da die Treibhausgasemissionen weiter ansteigen. Der<br />

jüngste Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses <strong>für</strong> Klimaänderungen stellt fest, dass die<br />

globale Temperatur bereits um 1,1 °C über dem vorindustriellen Niveau liegt und bis 2035 wahrscheinlich<br />

den kritischen Wert von 1,5 °C erreichen oder überschreiten wird.<br />

Subventionen <strong>für</strong> fossile Brennstoffe führen zu Verzerrungen auf den Energiemärkten,<br />

behindern den Übergang zu saubereren und <strong>nachhaltige</strong>ren Alternativen und untergraben die<br />

Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels.<br />

Ein verantwortungsvoller Konsum und eine verantwortungsvolle Produktion müssen integraler<br />

Bestandteil <strong>für</strong> die Pläne zur Beschleunigung der <strong>nachhaltige</strong>n Entwicklungsziele sein. Und<br />

es ist ein grundlegender Wandel zu mehr Engagement, Solidarität, Finanzierung und Handeln<br />

erforderlich, um die Welt auf einen besseren Weg zu bringen. Er ist jetzt notwendig. Niemand<br />

kann es sich leisten, die Agenda 2030 scheitern zu lassen.<br />

Chefredakteur<br />

Kleine Kniffe<br />

3<br />

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08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.<br />

42.ZUKUNFTEINKAUFEN<br />

Impressum<br />

Redaktion<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

Kontakt:<br />

redaktion@kleine-kniffe.de<br />

Chefredaktion und V.i.S.d.P:<br />

Thomas Heine<br />

Textbeiträge von:<br />

Emanuel Chibesakunda, Martin Eichenseder,<br />

Wolfgang Eckert, Reinhard Frigger, Jan Geier,<br />

Thomas Heine, Tobias Herzog, Monika Kolb,<br />

Kathrin Maier , Dr. Claas Oehlmann , Tapio<br />

Peltonen , Dr. Tatjana Ruhl, Sven Schmitt, Stefi<br />

Schrod, Dr. Kristin Stechemesser, Yasha Tarani,<br />

Andreas Zimmermann<br />

Fotos/Grafiken:<br />

BDI, Deutsche Bahn AG/Benedikt Stahl,<br />

Depositphotos, EY, Heini Karppinen, PwC<br />

Deutschland, Tailorlux, ZWH,<br />

Titelfoto: BDI<br />

52<br />

Internet:<br />

www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

Social media:<br />

Twitter: https://twitter.com/MKniffe<br />

LinkedIn: https://www.linkedin.com/posts/<br />

thomas-heine-866785<br />

Facebook: https://www.facebook.com/Kleine-<br />

Kniffe-1601748926512841/<br />

42<br />

Höhe der Auflage:<br />

5.000<br />

Distribution<br />

Der Versand der Auflage erfolgte mit finanzieller<br />

Unterstützung des Umweltbundesamtes<br />

Druck:<br />

Produktion mit 100% Ökostrom aus regenerativer<br />

Stromerzeugung und ohne Einsatz<br />

fossiler Brennstoffe.<br />

Druck:<br />

Recyclingpapier<br />

Herausgeber<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

www.sdg-media.de<br />

kleine kniffe® ist eingetragene Marke<br />

der IMAGO GmbH, Dortmund<br />

06. KI IM<br />

BESCHAFFUNGS-<br />

WESEN<br />

10. EINKAUF ALS<br />

WERTSCHÖP-<br />

FUNGSFAKTOR<br />

12. KREISLAUFWIRT-<br />

SCHAFT BEI DER<br />

DEUTSCHEN BAHN<br />

16. KI-ANALYSEN BEI<br />

KLIMA-<br />

REPORTINGS<br />

22. CIRCULAR<br />

ECONOMY IM<br />

EINKAUF?<br />

24. ZUKUNFTS-<br />

ORIENTIERUNG<br />

IN KMU<br />

28. STARTUPS ALS<br />

INNOVATIONS-<br />

TREIBER<br />

30. BLAUER ENGEL<br />

FÜR SCHUHE<br />

18. INTERVIEW MIT<br />

DR. CLAAS<br />

OEHLMANN, BDI<br />

34. VOM ABFALL<br />

ZUR<br />

RESSOURCE<br />

4 Kleine Kniffe<br />

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08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.42.ZUKUNFTEINKAUFEN<br />

28 48<br />

38<br />

34<br />

37. STRATEGISCHE<br />

IT-BESCHAFFUNG<br />

46. UNTER-<br />

NEHMERISCHE<br />

SORGFALTS-<br />

PFLICHTEN<br />

38. QUALIFIZIERUNG<br />

ALS SCHLÜSSEL<br />

48. DENEFF-NETZWERK<br />

ALS<br />

NAVIGATIONSHILFE<br />

40. METHODEN DES<br />

CHANGE<br />

MANAGEMENT<br />

50. NEUES VOM<br />

SPP CHAPTER<br />

GERMANY<br />

42. FORTBILDUNGS-<br />

INITIATIVE<br />

NACHHALTIGE<br />

BESCHAFFUNG<br />

44. CSR-BERICHT-<br />

ERSTATTUNG<br />

44. INTERVIEW MIT<br />

REINER<br />

HOFFMANN,<br />

RAT FÜR<br />

NACHHALTIGE<br />

ENTWICKLUNG<br />

Kleine Kniffe<br />

5<br />

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Künstliche Intelligenz<br />

Künstliche Intelligenz im <strong>Beschaffung</strong>swesen<br />

In der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt wird das <strong>Beschaffung</strong>swesen mehr und mehr zu einem<br />

zentralen Bereich <strong>für</strong> Unternehmen geworden, in der mehr Digitalisierung angestrebt wird. Die<br />

traditionellen <strong>Beschaffung</strong>smethoden sind oft zeitaufwändig, ressourcenintensiv und wenig effizient.<br />

Mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz (KI) und ihren rasanten Fortschritten bricht jedoch eine<br />

neue Ära der <strong>Beschaffung</strong> an - eine Ära, die von intelligenten und autonomen Lösungen bestimmt wird.<br />

Dieser Artikel befasst sich mit den enormen Möglichkeiten und künftigen Fortschritten der generativen<br />

KI im <strong>Beschaffung</strong>swesen und zeigt auf, wie KI-gesteuerte Lösungen den Weg zu einer autonomeren<br />

<strong>Beschaffung</strong>slandschaft ebnen.<br />

Ein Beitrag von Andreas Zimmermann<br />

Die Integration von KI-Technologie<br />

in <strong>Beschaffung</strong>sprozesse<br />

bietet zahlreiche Vorteile, die über<br />

traditionelle <strong>Beschaffung</strong>spraktiken<br />

hinausgehen. Mit KI-gestützten<br />

Lösungen können<br />

Unternehmen ihre <strong>Beschaffung</strong>svorgänge<br />

optimieren, Kosten<br />

senken, die Lieferantenbeziehungen<br />

verbessern und ihre Bemühungen<br />

um Nachhaltigkeit verstärken.<br />

Wir möchten einige KI-Anwendungsfälle<br />

aus dem Bereich<br />

<strong>Beschaffung</strong> vorstellen, um die<br />

Leistungsfähigkeit von KI <strong>für</strong> die<br />

<strong>Beschaffung</strong> zu verdeutlichen.<br />

Eines der Schlüsselelemente<br />

der <strong>Beschaffung</strong> ist die genaue Beschreibung<br />

des Bedarfs. Mit Hilfe generativer KI können wertvolle<br />

Erkenntnisse und Vorschläge gewonnen werden, um eine<br />

umfassende und präzise Beschreibung des tatsächlichen Bedarfs zu<br />

erstellen. Durch die Nutzung von KI können <strong>Beschaffung</strong>sexperten<br />

die Anforderungen so formulieren, dass ein besseres Verständnis<br />

und eine bessere Kommunikation mit den Lieferanten möglich sind.<br />

Übersicht<br />

In diesem Artikel werden einige KI-Anwendungsfälle aus dem<br />

Bereich <strong>Beschaffung</strong> vorgestellt, um die Leistungsfähigkeit von KI<br />

<strong>für</strong> die <strong>Beschaffung</strong> zu verdeutlichen.<br />

Dazu gehören die umfassende und präzise Beschreibung des<br />

tatsächlichen Bedarfs, die optimierte Verwaltung der Bedarfe, die<br />

optimierte Lieferantenauswahl und das Finden neuer Lieferanten.<br />

Dazu gehören aber auch die Unterstützung der <strong>Beschaffung</strong>steams<br />

in Verhandlungen bis zur vollständigen Automatisierung von<br />

Verhandlungen.<br />

Immer wichtiger wird KI auch in der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>,<br />

weil Emmissionsdaten der Lieferanten schnell bewertet und<br />

verglichen werden können und die Einhaltung von Menschenrechtsstandards<br />

und Grundsätzen der sozialen Verantwortung<br />

überprüft werden können.<br />

ChatGPT und andere Sprachmodell<br />

können sehr weiterhelfen, auch<br />

schnell eine neue Lösung <strong>für</strong> das<br />

Problem zu etablieren.<br />

Die Kategorisierung ist<br />

<strong>für</strong> eine effiziente <strong>Beschaffung</strong><br />

im Bereich der <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Beschaffung</strong> unerlässlich. Durch<br />

den Einsatz von KI-Technologie<br />

können Bedarfsmerkmale analysiert<br />

und die richtige Kategorie<br />

automatisch bestimmt werden.<br />

Dies reduziert nicht nur<br />

den manuellen Aufwand,<br />

sondern sichert auch eine einheitliche<br />

Klassifizierung. Die aus dieser<br />

Kategorisierung resultierende<br />

optimierte Verwaltung der Bedarfe<br />

verbessert die Entscheidungsfindung in jedem Schritt des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses.<br />

Da saubere Stammdaten <strong>für</strong> Lieferanten nicht immer in einem<br />

guten Zustand sind und Lieferanten auch regelmäßig ihr Leistungen<br />

ändern, ist es nicht immer einfach, passende Lieferanten in<br />

6 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

der Lieferantenliste des Unternehmens zu finden. Daher suchen<br />

viele Unternehmen nach neuen Lieferanten und investieren in den<br />

Prozess der Lieferantenanbindung, selbst wenn es gut passende Lieferanten<br />

in der Lieferantenliste gibt.<br />

Durch den Einsatz von KI-gesteuerten Lösungen wie mysupply<br />

können <strong>Beschaffung</strong>steams eingehende <strong>Beschaffung</strong>sanfragen<br />

intelligent mit den am besten geeigneten Lieferanten aus ihrer<br />

Liste abgleichen und Anfragen strategisch bündeln, indem sie sich<br />

überschneidende Lieferanten identifizieren. Durch die Integration<br />

historischer Daten können Algorithmen optimiert und auf bestimmte<br />

Nischen zugeschnitten werden.<br />

KI-gestützte Ansätze können natürlich nicht nur bestehende<br />

Lieferantenbeziehungen durch umfangreiche Datenanalysen identifizieren,<br />

sondern natürlich auch neue Lieferanten finden. Durch<br />

KI-gestützte Analysen und Datenverarbeitung erhalten <strong>Beschaffung</strong>sexperten<br />

Zugang zu einer breiteren Palette potenzieller<br />

Lieferanten und können potentiell deren Fähigkeiten, Leistungsmetriken<br />

und Übereinstimmung mit präzisen Kriterien schnell<br />

bewerten.<br />

Diese Fähigkeit ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung<br />

und fördert strategische Kooperationen, die Kosteneffizienz, Qualität<br />

und langfristige Partnerschaften optimieren und letztlich einen<br />

Wettbewerbsvorteil auf dem Markt schaffen. Die Suche nach neuen<br />

Lieferanten war sogar einer der ersten Anwendungsfälle <strong>für</strong> KI in<br />

der <strong>Beschaffung</strong>. In den letzten 2 Jahren wurde sie in vielen Unternehmen<br />

bereits zu einer Standardanwendung.<br />

KI-gestützte Verhandlungen geben <strong>Beschaffung</strong>steams die<br />

Möglichkeit, verschiedene Verhandlungsszenarien mit nur einem<br />

Knopfdruck zu lösen. Für die strategische <strong>Beschaffung</strong> hilft KI bei<br />

der optimalen Vorbereitung von Verhandlungen. Intelligente Algorithmen<br />

generieren mehrere potenzielle Verhandlungsergebnisse<br />

auf der Grundlage verschiedener Variablen und Parameter. Auf diese<br />

Weise kann eine Reihe von Faktoren wie Preis, Auftragsvolumen,<br />

Zahlungsbedingungen, Vorlaufzeiten und andere Verhandlungsparameter<br />

einfach, schnell und datenbasiert berücksichtigt werden.<br />

Mit Hilfe von KI kann eine Reihe von Verhandlungsszenarien<br />

erstellt und den <strong>Beschaffung</strong>steams zur Verfügung gestellt werden,<br />

so dass sie einen umfassenden Überblick über Markttrends, Lieferantenverhalten<br />

und andere Faktoren erhalten, wobei verschiedene<br />

Kombinationen von Bedingungen berücksichtigt werden. KI kann<br />

auf einfache Weise historische Verhandlungsdaten und relevante<br />

Faktoren analysieren, um Verhandlungsstrategien zu empfehlen, die<br />

wahrscheinlich zu günstigen Ergebnissen führen werden.<br />

Bei Verhandlungen über taktische oder operative Bedarfe hilft<br />

KI, die Verhandlungen vollständig zu automatisieren. Durch den<br />

Kleine Kniffe<br />

7<br />

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Foto: depositphotos<br />

Einsatz von KI kann jeder Bedarf verhandelt werden, selbst wenn der<br />

Aufwand zu hoch ist, um die Zeit der Einkäufer da<strong>für</strong> zu verschwenden.<br />

Aufgrund der hohen Effizienzsteigerung durch den Einsatz von<br />

Tools <strong>für</strong> autonome Verhandlungen können zusätzliche Einsparungen<br />

leicht erzielt werden.<br />

Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> ist ein Thema, das jeden Tag an Bedeutung<br />

gewinnt. Die Kohlendioxidemissionen der Lieferanten werden<br />

bald ein obligatorischer Bestandteil der <strong>Beschaffung</strong>sagenda sein.<br />

KI-gesteuerte Lösungen können die Emissionsdaten von Lieferanten<br />

schnell bewerten und vergleichen. Dadurch können<br />

<strong>Beschaffung</strong>steams Entscheidungen treffen, die mit den Umweltzielen<br />

übereinstimmen, indem sie Lieferanten mit geringen<br />

Emissionen bevorzugen und die Einführung umweltfreundlicher<br />

Praktiken fördern. In ähnlicher Weise kann ein Unternehmen, das<br />

Wert auf ethische Arbeitsbedingungen legt, mit Hilfe von KI die<br />

Einhaltung von Menschenrechtsstandards und Grundsätzen der<br />

sozialen Verantwortung durch die Lieferanten überprüfen und so<br />

eine verantwortungsvollere Lieferkette fördern. Indirekt trägt KI zu<br />

Nachhaltigkeitszielen bei, indem sie sich wiederholende Aufgaben<br />

automatisiert und Kapazitäten <strong>für</strong> strategische Nachhaltigkeitspraktiken<br />

freisetzt.<br />

Die Fähigkeit der KI, große Datenmengen zu verwalten, ist<br />

besonders bei der Identifizierung <strong>nachhaltige</strong>r Lieferanten von Vorteil.<br />

Mit Hilfe von KI können Unternehmen Lieferanten, bei denen<br />

Nachhaltigkeit im Vordergrund steht, effektiv bewerten und mit<br />

ihnen in Kontakt treten und so zu einer umweltbewussten und sozial<br />

verantwortlichen Lieferkette beitragen. <strong>Beschaffung</strong>steams können<br />

mühelos verschiedene Nachhaltigkeitsdaten einbeziehen, die mit den<br />

Werten und Zielen des Unternehmens übereinstimmen. Diese transformative<br />

Fähigkeit gewährleistet datengestützte Präzision bei der<br />

Lieferantenauswahl und fördert einen fairen Wettbewerb zwischen<br />

den Lieferanten auf der Grundlage von Nachhaltigkeits-Benchmarks.<br />

Ein weiterer Schritte in der Digitalisierung ist Predictive Sourcing.<br />

Angetrieben durch künstliche Intelligenz (KI), stellt es einen<br />

ausgeklügelten Ansatz zur Gestaltung von <strong>Beschaffung</strong>sstrategien<br />

dar. Durch die Nutzung historischer Daten schlägt es proaktiv optimale<br />

Einkäufe vor, noch bevor konkrete Anfragen gestellt werden.<br />

Dies erfordert eine gründliche Analyse vergangener Einkaufsdaten,<br />

früherer Bestellungen und relevanter Marktereignisse, um erkennbare<br />

Trends, Muster und Korrelationen aufzudecken.<br />

Diese analytische Tiefe ermöglicht es der KI, potenzielle künftige<br />

Produkt- oder Dienstleistungsanforderungen zu antizipieren<br />

und Einblicke in Produktkategorien, benötigte Mengen und den<br />

Zeitpunkt dieser Käufe zu geben. Darüber hinaus gehen KI-gesteuerte<br />

Lösungen noch einen Schritt weiter, indem sie den künftigen<br />

Bedarf mit dem idealen Zeitpunkt <strong>für</strong> den Kauf abgleichen. Die<br />

Preise <strong>für</strong> viele Waren steigen und fallen. KI hilft bei der Analyse<br />

von Preisänderungen und bei der Vorhersage potenziell günstiger<br />

Kaufzeitpunkte.<br />

8 Kleine Kniffe<br />

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Obwohl KI-gesteuerte Lösungen ihre Fähigkeit unter Beweis<br />

gestellt haben, dauerhafte Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen<br />

zu erzielen, ist die Integration solcher Technologien in die<br />

täglichen Abläufe jedes <strong>Beschaffung</strong>steams noch in den Anfängen.<br />

Ein <strong>Beschaffung</strong>sspezialist kann sich jedoch die Fähigkeiten von<br />

ChatGPT zunutze machen, um verschiedene Aspekte seiner Rolle<br />

ganz einfach zu verbessern.<br />

Sie können lange Angebote schnell in prägnante 1-Satz-Highlights<br />

destillieren, schnelle Einblicke in neue Lieferanten gewinnen,<br />

indem sie öffentlich verfügbare Daten nutzen, mühelos Aufzählungspunkte<br />

in ausgefeilte Lieferanten-E-Mails umwandeln, überzeugende<br />

Argumente oder Gegenargumente während Verhandlungen generieren,<br />

klare Erklärungen <strong>für</strong> komplexe Bedarfsanfragen erhalten<br />

und effizient doppelte Bedarfe mit unterschiedlichen Beschreibungen<br />

aufspüren.<br />

Darüber hinaus befähigt ChatGPT den Spezialisten, potenzielle<br />

Probleme in Lieferantenverträgen zu erkennen, um solide Vereinbarungen<br />

zu gewährleisten, und personalisierte Berichte aus Rohdaten<br />

<strong>für</strong> verschiedene Interessengruppen zu erstellen. Diese KI-gesteuerte<br />

Unterstützung steigert die Effizienz der <strong>Beschaffung</strong>, die Entscheidungsfindung<br />

und die Einbindung der Stakeholder.<br />

mysupply, eine, die das Potenzial von KI in der<br />

<strong>Beschaffung</strong> nutzt.<br />

Durch die Nutzung von KI-Funktionen ermöglich mysupply<br />

bereits ein autonomes Sourcing. Dabei automatisiert mysupply Aufgaben<br />

wie die Gruppierung von Bedarfen, die gemeinsam beschafft<br />

werden können, das Vorschlagen von Lieferanten, die diese liefern<br />

können, führt eigenständig Verhandlungen durch und einiges mehr.<br />

mysupply nutzt neue Technologien, um eine durchgängige <strong>Beschaffung</strong><br />

zu schaffen, die fair, ethisch und nachhaltig ist.<br />

ChatGPT ergänzt die eigenen KI-Fähigkeiten von mysupply.<br />

Dabei macht sich mysupply insbesondere die Sprachintelligenz zu<br />

nutze. Diese Fähigkeit kann besonders gut genutzt werden, um<br />

die Interaktion des Verhandlungs-Bots natürlicher zu gestalten.<br />

Außerdem bietet die umfassende Datenbasis von Chat-GPT die<br />

Möglichkeit die Qualität von Bedarfsbeschreibungen intelligent zu<br />

verbessern.<br />

Autor:<br />

Andreas Zimmermann<br />

Founder und CEO<br />

der „Mysupply GmbH“<br />

Kleine Kniffe<br />

9<br />

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Wertschöpfung im <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

Kosten vs. Compliance: Ein Balanceakt<br />

So wird der Einkauf zum Wertschöpfungsfaktor<br />

Die aktuelle wirtschaftliche Lage und die damit verbundenen ökonomischen Unsicherheiten<br />

wirken sich auch auf die Rolle des Einkaufs in Unternehmen aus. Stand das Kostenmanagement<br />

traditionell im Mittelpunkt des <strong>Beschaffung</strong>swesens, so hat sich seine Rolle in den letzten Jahren<br />

verändert: Es bietet einen Mehrwert weit über die reine Kostensenkungsfunktion hinaus.<br />

Ein Beitrag von Wolfgang Eckert<br />

Einkaufsabteilungen können heute sowohl proaktiv als auch<br />

strategisch agieren und so den Wert des gesamten Unternehmens<br />

steigern.<br />

Kostensenkung und Wertschöpfung sind zwei Schlüsselkomponenten<br />

einer effektiven modernen Einkaufsstrategie. Unterstützt<br />

durch digitale Services können <strong>Beschaffung</strong>steams nicht nur <strong>Ausgabe</strong>n<br />

umstrukturieren, sondern durch vorausschauende Maßnahmen<br />

langfristige Stabilität sicherstellen.<br />

Kosten eindämmen<br />

Im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld mit steigenden Transportkosten,<br />

Einkaufspreisen und Warenknappheit hat die Senkung<br />

der <strong>Beschaffung</strong>skosten an Relevanz noch einmal deutlich zugenommen.<br />

Obwohl es <strong>für</strong> Einkäufer:innen wichtig ist, Effizienz, Benutzerfreundlichkeit<br />

und Nachhaltigkeit abzuwägen, sind die Kosten<br />

immer noch ein entscheidender Einkaufsfaktor. Die <strong>Beschaffung</strong> ist<br />

auch der Bereich, auf den sich Führungskräfte meist zuerst konzentrieren,<br />

wenn es um Einsparungen geht.<br />

Wie bei vielen anderen Unternehmen lief die <strong>Beschaffung</strong> bei<br />

dem Logistikunternehmen forto über viele verschiedene Lieferanten.<br />

Durch den Einsatz von Amazon Business kann forto nun alle<br />

notwendigen Artikel bei einem einzigen Lieferanten bündeln und<br />

<strong>für</strong> alle Standorte einen Katalog zusammenstellen, aus dem bestellt<br />

wird. Auch der Status von Rechnungen kann in Echtzeit eingesehen<br />

werden, wodurch sich der Zeitaufwand <strong>für</strong> Zahlungen um ein Drittel<br />

verringert.<br />

Zudem haben Homeoffice und Digitalisierung dazu geführt,<br />

dass die Arbeitswelt dezentralisiert wurde – das gilt auch <strong>für</strong> den<br />

Einkauf. <strong>Das</strong> bedeutet zwar eine größere, individuelle Auswahl von<br />

Lieferanten und den Abbau bürokratischer Hürden, doch ohne den<br />

kompakten Überblick aller Prozesse und Akteure können die Kosten<br />

in den wichtigen Bereichen schnell in die Höhe steigen.<br />

Damit eine standardisierte Strategie des digitalen Einkaufs<br />

erfolgreich ist und wirklich zu Einsparungen führt, müssen die<br />

entsprechenden Tools den <strong>Beschaffung</strong>steams ermöglichen, verlässliche<br />

Parameter <strong>für</strong> die Kostenminimierung bei gleichzeitiger<br />

Berücksichtigung regionaler Nachhaltigkeitskriterien festzulegen.<br />

Außerdem müssen die Teams in der Lage sein, effiziente Genehmigungsverfahren<br />

zu implementieren, die nicht notwendige Einkäufe<br />

vermeiden. Amazon Business ist eine Lösung, um Prozesse zu standardisieren<br />

und zu optimieren, Kosten einzusparen und den Einkauf<br />

zu vereinfachen. Kurzfristig Kosten einzusparen ist jedoch nur einer<br />

der wichtigen Faktoren im <strong>Beschaffung</strong>swesen.<br />

Kostensenkungen sind nach wie vor ein wichtiges Element<br />

der täglichen Arbeit im Einkauf. Sie können Unternehmen vor<br />

wirtschaftlichen Turbulenzen schützen, doch allein können sie<br />

keinen Mehrwert schaffen. Um sicherzustellen, dass Betriebe unvorhergesehenen<br />

Belastungen standhalten, reicht es nicht, lediglich zu<br />

reagieren. Unternehmen müssen proaktiv investieren. Der Einkauf<br />

sollte seine Rolle hier<strong>für</strong> neu definieren: <strong>Das</strong> gelingt neben Einsparungen<br />

vor allem durch die Bewertung von Ressourcen und<br />

Empfehlungen, in welche Bereiche die Einsparungen reinvestiert<br />

werden können.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Es ist jedoch nicht immer einfach, an die richtigen Informationen<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung passender Leitlinien zu gelangen. Denn<br />

im Zuge der Digitalisierung ist das <strong>Beschaffung</strong>swesen durch<br />

die Nutzung diverser Tools und Plattformen immer komplexer<br />

geworden. Die Integration dieser Tools auf einer einzigen Plattform<br />

ist ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Effizienz. So haben die<br />

<strong>Beschaffung</strong>steams einen besseren Überblick und die Kontrolle über<br />

die <strong>Ausgabe</strong>n ihres gesamten Betriebs.<br />

Durch die Nutzung der Funktion “Spend Visibility” von Amazon<br />

Business konnten Unternehmen wie Diebold Nixdorf nachvollziehen,<br />

wo eingespart wird und wie diese Einsparungen erreicht<br />

werden. Denn Amazon Business liefert granulare Auswertungen der<br />

Rechnungen und passende Filtermöglichkeiten <strong>für</strong> mehr Transparenz.<br />

Der Zugang zu diesen datengestützten Erkenntnissen ermöglicht<br />

nicht nur Kostenersparnis und die Planung von Reinvestitionen –<br />

sondern auch Zeitgewinn <strong>für</strong> strategische Aufgaben.<br />

Nachhaltigkeit aktiv integrieren<br />

Die wirtschaftlich angespannte Lage ist nicht der einzige Faktor,<br />

der die Einkaufsteams unter Druck setzt. Auch ambitionierte Nachhaltigkeitsziele<br />

erfordern ein Umdenken und neue Maßnahmen in<br />

vielen Unternehmen.<br />

Gleichzeitig wächst oft auch der Wunsch der Mitarbeitenden,<br />

dass ihre Arbeitgeber soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz in<br />

den Vordergrund stellen – das spiegelt die Gedanken der Verbraucher<br />

wider.<br />

Nachhaltigkeit und Kostensenkung im Einkauf gehen dabei<br />

nicht immer Hand in Hand. Oft ist der Kauf <strong>nachhaltige</strong>r oder lokaler<br />

Produkte teurer als günstige Massenware. Infolgedessen müssen<br />

viele <strong>Beschaffung</strong>steams einen Drahtseilakt vollbringen, um Kosten<br />

zu senken und gleichzeitig ihren Unternehmen dabei zu helfen, die<br />

eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.<br />

Durch digitale <strong>Beschaffung</strong>stools können <strong>für</strong> die Mitarbeitenden<br />

von Einkaufsteams Parameter festgelegt werden, von IT-Ausrüstung<br />

bis hin zu Kaffeezubehör, die sicherstellen, dass die Produkte sowohl<br />

kosteneffizient sind als auch den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.<br />

Diese Tools sorgen da<strong>für</strong>, dass die Einhaltung der Richtlinien<br />

<strong>für</strong> alle Mitarbeitenden einfach zu befolgen ist. Amazon Business<br />

kennzeichnet Produkte mit “Climate Pledge Friendly”, bei denen<br />

in mindestens einer Hinsicht Nachhaltigkeitsverbesserungen<br />

vorgenommen wurden. Dadurch können Nachhaltigkeitskriterien<br />

unkompliziert im Einkauf berücksichtigt werden.<br />

In unserer heutigen Wirtschaftswelt gibt es nicht den einen<br />

Weg der Wertschöpfung im Einkauf. Durch die Digitalisierung des<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozesses können sie gleichzeitig kurzfristige Kosteneinsparungen<br />

und zukunftssichere Investitionen erzielen.<br />

Autor<br />

Wolfgang Eckert<br />

Deutschlandchef<br />

von Amazon Business<br />

Kleine Kniffe<br />

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Aus <strong>nachhaltige</strong>r Unternehmenspraxis<br />

„Kreislaufwirtschaft: der Weg ins „neue Normal“<br />

2040 im Konzerneinkauf der Deutschen Bahn“<br />

Die Deutsche Bahn AG (DB) realisiert ein jährliches Einkaufsvolumen von mehr als 20 Milliarden<br />

Euro mit weltweit knapp 20.000 Lieferanten. Nachhaltigkeit ist <strong>für</strong> die <strong>Beschaffung</strong> der DB<br />

ein wesentlicher Werttreiber und ein strategischer Wettbewerbsfaktor. Bis 2040 will die DB<br />

vollständig klimaneutral sein. Und deshalb tritt sie an, wertvolle Ressourcen zu schonen, indem sie<br />

das Ziel der Umsetzung einer vollständigen Kreislaufwirtschaft bis 2040 verfolgt.<br />

Sven Schmitt, Experte Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> der Deutschen Bahn, erläutert den Weg des<br />

Konzerneinkaufs der DB zu diesem Ziel.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

<strong>Das</strong> Ziel einer vollständigen Kreislaufwirtschaft bis<br />

2040 ist sehr ambitioniert. Es bleiben nur noch 17 Jahre.<br />

Warum hat sich die DB dieses Ziel gesetzt?<br />

Jedes Jahr verbrauchen wir aktuell ca. 1,7 Erden. Unser weltweiter<br />

Ressourcenbedarf übersteigt bei weitem unsere verfügbaren<br />

Kapazitäten und als die Natur im selben Zeitraum regenerieren<br />

kann. Die Deutsche Bahn AG bekennt sich mit der Konzernstrategie<br />

Starke Schiene zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Dazu<br />

gehört der Anspruch der DB, Verantwortung <strong>für</strong> den Planeten zu<br />

übernehmen. Die Grüne Transformation als Nachhaltigkeitsstrategie<br />

des DB-Konzerns legt mit dem Handlungsfeld Ressourcenschutz<br />

den Fokus auf die Kreislaufwirtschaft und ist die Grundlage, dies<br />

gesamthaft mit Maßnahmen bei der DB zu verankern. Als Europas<br />

größtes Eisenbahnunternehmen und größte Bauherrin Deutschlands<br />

in der Infrastruktur wollen wir mit unserem Ressourcenschutzziel<br />

einen wichtigen Impuls <strong>für</strong> eine auf Kreislauf ausgerichtete<br />

Wirtschaft setzen und den Lieferantenmarkt dorthin mitentwickeln.<br />

Dadurch unterstützen wir die deutschen und europäischen Nachhaltigkeitsziele<br />

und zahlen auf die <strong>nachhaltige</strong>n Entwicklungsziele<br />

(SDGs) der Vereinten Nationen ein.<br />

Zu Beginn eines Weges steht immer die Frage nach<br />

dem Wohin. Bei der Beantwortung der Frage hilft die<br />

Wesentlichkeitsanalyse. Sie hilft dabei, relevante Handlungsfelder<br />

zu bestimmen und Bewertungsmaßstäbe<br />

zu entwickeln. Was hat diese Analyse <strong>für</strong> den Einkauf<br />

der DB unter kreislaufwirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />

ergeben?<br />

<strong>Das</strong> Ziel und Wohin unseres Weges ist klar – die vollständige<br />

Kreislaufwirtschaft im Systemverbund Bahn sowohl im Input als<br />

auch im Output unserer Materialien. So gehen wir den Ressourcenschutz<br />

ganzheitlich an. Im Einkauf sollen unsere beschafften<br />

Produkte im Rahmen der an sie gestellten Gesamtanforderungen<br />

daher bestmöglich recyclingfähig sein. <strong>Das</strong> Augenmerk liegt vor<br />

allem auf Recyclingmaterialien und nachwachsenden Rohstoffen auf<br />

der Input-Seite des Einkaufs. Diese werden wir in der <strong>Beschaffung</strong><br />

der DB signifikant erhöhen.<br />

Wo fängt der Weg dann an? Wir haben dazu unsere Hauptressourcen<br />

analysiert und dabei drei wesentliche Handlungsfelder<br />

identifiziert: Schienenstahl, Gleisschotter und Betonschwellen<br />

machen rund 80 Prozent des gesamten Ressourcenverbrauchs der<br />

DB aus.<br />

Wir alle wissen, dass Rom nicht an einem Tag erbaut<br />

wurde. Welche Meilensteine hat sich der Einkauf der DB<br />

gesetzt, um eine Erhöhung des Recyclinganteils bei den<br />

Haupttreibern zu erreichen?<br />

Zur stetigen Erhöhung der Recyclinganteile auf der Input-<br />

Seite der beschafften Produkte haben wir uns verbindliche Ziele<br />

gesetzt. Der konkrete Hochlauf wird von den Stakeholdern nach<br />

den Gegebenheiten der jeweiligen Warengruppen z.B. technische<br />

Voraussetzungen, Verfügbarkeit am Markt etc. festgelegt.<br />

Beim Schienenstahl verdoppeln wir im Jahr 2030 den Recyclinganteil<br />

von 25% auf rund 45% gegenüber 2019. Der Gleisschotter<br />

soll es im selben Zeitraum von 13,3% auf rund 40%<br />

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Foto: Deutsche Bahn AG<br />

hochgehen – wir planen den Anteil zu verdreifachen. Im 3. Handlungsfeld<br />

der Betonschwellen setzen wir uns das Ziel fünf Mal so viel<br />

Recyclingmaterial einzusetzen. Der Anteil wird also von 5,7% in<br />

2019 auf etwa 30% in 2030 gesteigert. Dadurch sparen wir rund<br />

300.000 Tonnen CO 2<br />

sowie rund zehn Millionen Tonnen Neumaterial<br />

ein.<br />

Auf der Output-Seite werden wir unsere Recyclingquote auf<br />

dem hohen Niveau von mindestens 95% halten.<br />

Welche neuen Wege und Prozesse müssen da<strong>für</strong> aufgebaut<br />

werden?<br />

Eine <strong>nachhaltige</strong> und ressourcenschonende <strong>Beschaffung</strong> bedarf<br />

einer konsequenten Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien<br />

in Vergaben und Ausschreibungen sowie Überprüfung und<br />

Anpassung von Prozessen und unserer eisenbahnspezifischen<br />

Regelwerke. Beispielsweise werden bei der <strong>Beschaffung</strong> neuer<br />

Schienenfahrzeuge Anforderungen <strong>für</strong> die ressourcenschonende<br />

Herstellung unter Einsatz von recycelten, recyclingfähigen und<br />

nachwachsenden Ressourcen in die Ausschreibungsbedingungen<br />

und Entwicklungsprozesse mit den Herstellern aufgenommen.<br />

Darüber hinaus verlängern wir die Lebensdauer unserer Fahrzeugflotte.<br />

<strong>Beschaffung</strong>sseitig setzen wir insbesondere auf den Aus- und<br />

Aufbau von strategischen Partnerschaften mit Herstellern und<br />

Lieferanten, um die Entwicklungen von recycelten und recyclingfähigen<br />

Produkten voranzutreiben.<br />

Welche Rolle spielt das neue Produkt Design <strong>für</strong> die<br />

Kreislaufwirtschaft bei der DB? Gibt es Beispiele <strong>für</strong><br />

Produktinnovationen, die sich aus dem konkreten Bedarf<br />

der DB entwickelt haben?<br />

Beispiele <strong>für</strong> neue Produktinnovationen oder Initiativen sind die<br />

Second Life Batteriespeicher von encore oder die Vermarktungsplattform<br />

von erdpool <strong>für</strong> mineralische Rohstoffe unserer Großprojekte,<br />

beides Start-ups der DB. Erdpool hilft uns beispielsweise dabei, den<br />

Aushub des Infrastrukturausbaus in den Wirtschaftskreislauf zu<br />

geben. Ganz einfach und ressourcenschonend.<br />

In einem neuen Programm #GreenTechforDB unserer<br />

DB mindbox unterstützt die DB Start-ups, die sich auf innovative<br />

Lösungen fokussieren. Vor allem die Bereiche <strong>nachhaltige</strong>s Bauen,<br />

Umweltschutz, Kreislaufwirtschat und Grüne IT sind dort gefragt.<br />

Gibt es heute bereits Materialien am Markt, die den<br />

Erfordernissen des hohen Anteils von Recyclingquoten<br />

gerecht werden?<br />

Hinsichtlich der Entwicklung am Markt ist zu verzeichnen, dass<br />

wir als Deutsche Bahn in den Haupteinflussgrößen, die von unserer<br />

Infrastruktur dominiert werden, Teil einer Gesamtentwicklung<br />

am Markt sind. So ist nach dem Austausch mit unseren Lieferanten<br />

bspw. der Transformationsprozess in der Stahlindustrie nicht<br />

ohne den Zufluss hochwertiger Schrottanteile vorstellbar. Aber<br />

auch bei der Zirkularität von Natursteinprodukten, bei denen der<br />

Gleisschotter die <strong>für</strong> uns relevanteste Fraktion darstellt, sehen wir<br />

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Foto: Deutsche Bahn AG / Benedikt Stahl<br />

eine hohe Konformität bei den gemeinschaftlichen Interessen von<br />

Bauherrschaft und Industrie.<br />

Nehmen die Lieferanten die neuen Herausforderungen<br />

gerne an, weil sie den Kunden DB nicht verlieren<br />

wollen?<br />

Nach unserer Wahrnehmung stellt sich die Industrie insgesamt<br />

im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten den neuen Herausforderungen<br />

der Nachhaltigkeit. Dabei ist man oft dankbar, wenn wir<br />

als Partner versuchen die Transformationsprozesse mitzubegleiten.<br />

Wir nehmen weniger wahr, dass Transformationen in der Industrie<br />

maßgeblich durch unsere Kundenbeziehung getriggert werden.<br />

Beispiele einer Haltung „Ressourcenschutz ist <strong>für</strong> uns eigentlich<br />

nicht relevant, wir machen das ausschließlich <strong>für</strong> Euch“ wären mir<br />

nicht präsent. Dies mag aber auch daran liegen, dass ein sehr großer<br />

Lieferantenstamm aus Deutschland und dem europäischen Ausland<br />

kommt und dort ähnliche tatsächliche, gesellschaftliche und rechtliche<br />

Entwicklungen als Rahmenbedingungen gegeben sind.<br />

Welchen Stellenwert besitzt das Monitoring der<br />

Maßnahmen <strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf bei der DB<br />

und wie werden Lieferanten dabei einbezogen?<br />

Ein Monitoring gehört bei gesetzten Zielen selbstverständlich<br />

zur Überwachung der eingeleiteten Maßnahmen dazu. Um die Kreislaufwirtschaft<br />

der Deutschen Bahn mess- und steuerbar zu machen,<br />

erfolgt derzeit der Aufbau eines sogenannten Ressourceninventars<br />

sowie die Etablierung einer Stoffstrombilanz. Grundlage dieser<br />

Materialdatenerfassung sind Materialpässe, um einen Überblick<br />

über den gesamten Ressourceneinsatz zu gewinnen. Ende 2024 soll<br />

das System mit der Erfassung von Schienenstahl, Betonschwellen<br />

und Gleisschotter starten. Bis 2030 werden weitere <strong>für</strong> den Eisenbahnbetrieb<br />

relevanten Produkte, Produktionsmittel und Anlagen<br />

sukzessive abgebildet. Mit unseren Lieferanten stehen wir im<br />

Rahmen der Lieferantenbeziehung im kontinuierlichen Austausch.<br />

Wir pilotieren erste Materialpässe mit herstellerspezifischen Materialdaten,<br />

die wir bei den Lieferanten abfragen.<br />

Es ist kaum zu glauben, aber die Recyclingquote<br />

der DB erreicht einen Spitzenwert von mindestens 95<br />

Prozent bei Abfällen wie Bauabfälle, Elektronikschrott,<br />

Siedlungsabfälle, Papier und Altöl. Wie kann man diese<br />

hohe Quote erreichen und <strong>für</strong> die Zukunft auch erhalten<br />

und vielleicht auch ausbauen?<br />

Unser Ziel ist es, die Recyclingquote <strong>für</strong> unsere gesamten<br />

Abfälle konstant bei über 95 % zu halten. Ein weiterer Ausbau wird,<br />

wenn überhaupt, nur schwer erreichbar sein, auch wenn uns dies<br />

selbstverständlich weiter am Herzen liegt. Insbesondere bei Bau<br />

und Instandhaltung unserer Schieneninfrastruktur und unseres<br />

Fahrzeugparks kommen wertvolle Ressourcen wie Metalle und<br />

mineralische Baustoffe zum Einsatz und es fallen im Rahmen der<br />

Geschäftstätigkeit Abfälle an, wie z.B. Altschotter und Altbeton.<br />

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Diese werden bereits heute überwiegend einem Recycling zugeführt.<br />

Aufgrund der dabei bewältigten großen Massenströme können wir<br />

in unseren Bemühungen gut wirksam werden. Umgedreht sind<br />

weitere Veränderungen, so positiv sie auch inhaltlich zu werten sind,<br />

nur in geringem Umfang quotenrelevant.<br />

Von all diesen Maßnahmen des kreislaufwirtschaftlichen<br />

Einkaufs bekommt der Bahnreisende natürlich<br />

nichts mit. Um Akzeptanz und Verständnis bei ihnen zu<br />

generieren, müssen die Kunden mit ins Boot der Transformation<br />

genommen werden. Mit welchen Maßnahmen<br />

versucht die DB, dieses Ziel zu erreichen?<br />

Nachhaltigkeitsstandards flächendeckend zu etablieren, ist<br />

eine Mammutaufgabe. Und am besten gelingt die Umsetzung von<br />

Nachhaltigkeitsziele in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit<br />

finden wir. Der Dialog mit anderen wichtigen Unternehmen aus<br />

der Eisenbahnindustrie hilft uns Branchenstandards effizient zu<br />

entwickeln, damit diese nicht an der Realität vorbeigehen und vor<br />

allem unsere Lieferanten nicht überfordern. Gemeinsam mit der<br />

Schienenverkehrsbranche mit integrierten Branchenlösungen beim<br />

Thema Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Absicherung sozialer<br />

Mindeststandards in den Lieferketten mehr erreichen, dass ist<br />

unsere Mission dort.<br />

Leider haben Sie Recht, die genannten Maßnahmen zum<br />

Ressourcenschutz sind sicherlich nicht <strong>für</strong> alle Interessierten und<br />

Kunden greifbar. Ergänzt werden die Maßnahmen durch weitergehende<br />

Initiativen, zum Beispiel der Grünen Gastronomie, dem<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Prämienkatalog (Vergrünung BahnBonus), <strong>nachhaltige</strong>n<br />

Büromöbel, <strong>nachhaltige</strong>n Fahrzeugen, Green IT etc., bei denen<br />

wir mit entsprechender Kommunikation versuchen breitere oder<br />

andere Kreise kommunikativ zu erreichen.<br />

Railsponsible ist eine Brancheninitiative, die sich auf<br />

die <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> konzentriert, mit dem Ziel,<br />

die Nachhaltigkeitspraktiken in der gesamten Lieferkette<br />

des Eisenbahnsektors kontinuierlich zu verbessern.<br />

Warum ist die DB Mitglied von Railsponsible?<br />

<strong>Das</strong> Interview führte<br />

Thomas Heine<br />

Chefredakteur<br />

www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

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Klimaberichterstattung<br />

KI-Analysen enthüllen die strategische<br />

Bedeutung von Klima-Reportings<br />

Groß angelegte KI-Screenings von Nachhaltigkeitsberichten bilden heute die Datengrundlage <strong>für</strong><br />

klimarelevante Partnerschaften entlang ganzer Lieferketten. Gleichzeitig ist die Berichterstattung<br />

noch Neuland und viele Unternehmen tappen in typische Fallen – was zu Greenwashing-<br />

Vorwürfen und verpassten Geschäftschancen führt. Hier sind die 5 wichtigsten Erkenntnisse aus<br />

KI-Screenings zu aktuellen Problemen und Best Practices der Klimaberichterstattung.<br />

Ein Beitrag von Yasha Tarani<br />

Unternehmen befinden sich heute in einem sich rapide verändernden<br />

Geschäftsumfeld, in dem der eigene Klimareifegrad zum<br />

entscheidenden Faktor <strong>für</strong> Geschäftspartnerschaften wird. Jede Einkaufsentscheidung<br />

ist heute eine Klimaentscheidung – und benötigt<br />

datengetriebene Prozesse. Die Offenlegung von Klimazielen, Kennzahlen<br />

und Maßnahmen in Nachhaltigkeitsberichten spielt daher<br />

eine zentrale Rolle. Hierbei werden Analysen durch Künstliche Intelligenz<br />

(KI) immer wichtiger, um relevante Daten von Lieferanten<br />

zu erfassen. 5 entscheidende Erkenntnisse aus KI-Screenings helfen<br />

Entscheider:innen heute, ihr Klima-Reporting strategisch <strong>für</strong> ihr<br />

Unternehmen auszubauen.<br />

Die Bedeutung der Klimaberichterstattung<br />

Die Bedeutung der Klimaberichterstattung <strong>für</strong> Unternehmen<br />

steigt aktuell immens an. Nicht nur aufgrund gesetzlicher Anforderungen,<br />

sondern vor allem aufgrund der wachsenden Bedeutung<br />

des Klimaschutzes in der Geschäftswelt. Unternehmen müssen heute<br />

daher nicht nur ihre eigenen CO 2<br />

-Emissionen reduzieren, sondern<br />

auch die Emissionen in ihrer Lieferkette. Denn hier entsteht der<br />

Großteil der Emissionen. Dies kann nur durch effektive Zusammenarbeit<br />

mit Lieferanten auf Basis einer umfassenden Datengrundlage<br />

über klimarelevante Informationen gelingen. Hier kommt KI ins<br />

Spiel.<br />

Künstliche Intelligenz <strong>für</strong> die Erfassung von<br />

Klimadaten<br />

Fragebögen per E-Mail und Excel versenden, um klimarelevante<br />

Daten aus der Lieferkette zu sammeln, ist nicht nur mühsam, sondern<br />

führt auch häufig zu fehlerhaften Daten. Künstliche Intelligenz<br />

hilft hier, die Zeit und Ressourcen von allen Beteiligten zu schonen.<br />

KI-Pipelines sind Automatisierungstools, die öffentlich verfügbare<br />

Daten aus den Nachhaltigkeitsberichten von Lieferanten sammeln<br />

und <strong>für</strong> geschäftsentscheidende Erkenntnisse analysieren. Die neue<br />

Technologie ermöglicht es Unternehmen, in kürzester Zeit einen<br />

ganzheitlichen Überblick über die Klimaleistung ihrer Lieferanten<br />

zu erhalten. Bei THE CLIMATE CHOICE haben wir bereits<br />

gemeinsam mit unseren Kund:innen umfangreiche Erfahrungen<br />

in der Anwendung von KI-Analysen sammeln können. Aus diesen<br />

Screenings haben wir die 5 wichtigsten Erkenntnisse zusammengestellt,<br />

die ein neues Licht auf aktuelle Transparenzprobleme werfen,<br />

aber auch aufzeigen, wie Unternehmen sie lösen können.<br />

Hier die 5 wichtigsten Best Practices <strong>für</strong> eine klare und authentische<br />

Kommunikation der eigenen Klimaperformance:<br />

1. Kurz und bündig: Die Kommunikation von Klimazielen<br />

und -maßnahmen sollte kurz und präzise sein.<br />

Entscheidungsträger:innen und Investor:innen haben begrenzte<br />

Aufmerksamkeitsspannen. Halten Sie Ihren Bericht knapp und vermeiden<br />

Sie unnötige Umschweife. Die wichtigsten Informationen<br />

sollten auf einen Blick verständlich sein.<br />

2. Spezifität ist wichtig: Gehen Sie in die Tiefe. Wenn Sie über<br />

wissenschaftlich fundierte Klimaziele, extern validierte CO2-Emissionen<br />

oder umgesetzte Dekarbonisierungsmaßnahmen sprechen,<br />

bieten Sie detaillierte Erläuterungen. Klarheit und Präzision sind<br />

entscheidend, da verschiedene Interpretationen möglich sind.<br />

3. Transparente Offenlegung: Transparenz ist unerlässlich.<br />

Veröffentlichen Sie Ihre CO 2<br />

-Emissionen <strong>für</strong> alle Scopes und<br />

Kategorien. Dadurch zeigen Sie Ihre Professionalität und fördern<br />

Vertrauen in Ihre Aussagen. Die Offenlegung sollte daher möglichst<br />

umfassend sein.<br />

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Foto: depositphotos<br />

4. Durch Beweise untermauert: Jede Aussage in Ihrem Bericht<br />

sollte durch solide Beweise gestützt werden. Ob es um Erfolge bei<br />

der Emissionsreduzierung oder um Umweltauswirkungen geht, die<br />

Präsentation durch Nachweise stärkt Ihre Glaubwürdigkeit. Zeigen<br />

Sie, wie Ihre Maßnahmen tatsächlich zu positiven Veränderungen<br />

führen.<br />

5. Sorgfältige Datierung: Die Zeitpunkte von und zwischen<br />

Plan und Maßnahmen sind entscheidend. Dazu müssen die meisten<br />

Daten jährlich aktualisiert werden, wie z. B. Emissionsberechnungen,<br />

Maßnahmenumsetzung und Teilzielerreichung. Um Ihr Klimaversprechen<br />

integer zu kommunizieren, ist es wichtig, dass Ihre Zahlen<br />

aktuell sind.<br />

Die Bedeutung dieser Best Practices<br />

Diese 5 Best Practices helfen Unternehmen dabei, Greenwashing<br />

bewusst zu vermeiden und stattdessen Klimaschutz glaubwürdig<br />

umzusetzen. Dabei gilt: Nicht kommunizieren, geht nicht. Denn<br />

wer nicht über seine Klimamaßnahmen berichtet, läuft Gefahr, das<br />

Vertrauen seiner wichtigsten Stakeholder sowie zunehmend Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu verlieren. In einer Welt, in der Klimaschutz eine<br />

immer größere Rolle spielt, sind klare und authentische Klima-Reportings<br />

ein Eckpfeiler <strong>für</strong> den Aufbau von Beziehungen zu Kunden<br />

und Geschäftspartnern.<br />

<strong>Das</strong> neue KI-Lieferanten-Screening von<br />

THE CLIMATE CHOICE<br />

Die vorgestellten 5 Best Practices sind Erkenntnisse aus dem<br />

neuen KI-Lieferanten-Screening von THE CLIMATE CHOICE.<br />

<strong>Das</strong> Programm ermöglicht die Analyse von umfangreichen Lieferanteninformationen,<br />

mit minimalem Aufwand. Unternehmen<br />

legen lediglich ihre Spezifikationen der Datenpunkte fest – den Rest<br />

erledigt die KI.<br />

Sie können jetzt am limitierten Early-Access-Programm von<br />

THE CLIMATE CHOICE teilnehmen und exklusiv die Vorteile<br />

des KI-Lieferanten-Screenings <strong>für</strong> sich nutzen. Alle Informationen<br />

unter: https://theclimatechoice.com/de/ki-lieferanten-screening<br />

Fazit: Die Zukunft spricht fließend Klima<br />

Die Offenlegung von Klimadaten wird in einer emissionsarmen<br />

Wirtschaft immer wichtiger. Unternehmen müssen nachziehen<br />

und sicherstellen, dass ihre Nachhaltigkeitsberichte den steigenden<br />

Anforderungen entsprechen. KI-Analysen bieten die Chance, Kosten<br />

zu reduzieren und gleichzeitig neue Standards zu erreichen. Die 5<br />

Best Practices helfen Ihnen dabei erfolgreich zu sein. Unternehmen<br />

können sie als Leitfaden verwenden, um ihre Klimareportings auf<br />

die nächste Stufe zu heben und ihr Umweltengagement gegenüber<br />

Geschäftspartnern, Stakeholdern und der Welt glaubwürdig zu kommunizieren.<br />

Autor<br />

Yasha Tarani,<br />

CEO von THE CLIMATE CHOICE<br />

https://theclimatechoice.com/<br />

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Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie<br />

Im Gespräch mit Dr. Claas Oehlmann<br />

Mit ihrem Action Plan „Circular Economy“ vom März 2020 will die EU-Kommission eine zukunftsorientierte<br />

Agenda <strong>für</strong> ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa auf den Weg bringen, die gemeinsam mit<br />

Wirtschaft, Verbrauchern sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen gefördert werden soll. Er soll<br />

die Transformation im Sinne des europäischen „Green Deal” beschleunigen und dabei an die seit 2015<br />

laufenden Maßnahmen <strong>für</strong> die „Circular Economy“ anknüpfen.<br />

Die Bundesregierung hat dazu einen Dialogprozess zur Erarbeitung einer „Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“<br />

(NKWS) gestartet, die den Weg in eine zirkuläre Wirtschaft in Deutschland ebnen soll. Mit Blick<br />

auf die ehrgeizigen nationalen und europäischen Klimaziele sowie weiterer Herausforderungen <strong>für</strong> die<br />

Industrie unterstützt der BDI die Ziele der NKWS. Im Fokus: eine sinnvolle Ergänzung des EU-Aktionsplans<br />

Circular Economy von 2020.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

Welche Positionen vertritt<br />

der BDI im gesellschaftlichen<br />

Diskurs zum Action Plan „Circular<br />

Economy“?<br />

Wir sehen das Thema der<br />

Kreislaufwirtschaft als industriepolitische<br />

Initiative. Wir betrachten<br />

es daher als Wertschöpfungsthema<br />

oder als Business Case. <strong>Das</strong> fängt<br />

im Produktdesign an und zieht<br />

sich über den gesamten weiteren<br />

Lebenszyklus von Produkten und<br />

Materialien. Eine zentrale Rolle<br />

spielt hier die Abfallwirtschaft,<br />

welche die Möglichkeit bietet,<br />

durch Aufbereitung und Verwertung<br />

bereits verarbeiteter Rohstoffe<br />

einen Abstand zu gewinnen zu der<br />

Spirale sich permanent verteuernder<br />

Rohstoffpreise. Zur Stärkung<br />

der Abfallwirtschaft bedarf es passgenauer<br />

staatlicher Regelungen und ein Denken in Unternehmen<br />

in Wertschöpfungskreisläufen. Und natürlich muss man sagen, dass<br />

ohne Konsumenten eine Kreislaufwirtschaft nicht denkbar ist. Sie<br />

müssen inhaltlich mitgenommen werden, damit sie die Kreislaufwirtschaft<br />

unterstützen.<br />

<strong>Das</strong> Interview<br />

Dr. Claas Oehlmann ist Geschäftsführer der BDI-Initiative<br />

Circular Economy Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit, Industrie-Förderung<br />

mbH<br />

Die BDI-Initiative „Circular Economy“, in der bekanntlich<br />

über den Kreis der BDI-Verbände auch einzelne Unternehmen<br />

die Möglichkeit haben, sich gestaltend in den Meinungsbildungsprozess<br />

einzuschalten.<br />

Im Interview beantwortet Dr.Oehlmann Fragen zu den Positionen<br />

des BDI und seiner Initiative im Themenfeld der Circular<br />

Economy, der EU-Ökodesign-Verordnung, und zu den aktuellen<br />

Herausforderungen bei der Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft.<br />

Der BDI vertritt derzeit 39 Branchenverbände, seien es<br />

Wirtschaftsverbände, die Spitzenvertretung einer gesamten<br />

Industriebranche oder industrienahen Dienstleistungsgruppe. Der<br />

BDI ist damit Sprachrohr der deutschen Industrie.<br />

Ende März 2022 veröffentlichte<br />

die EU ihren Entwurf<br />

<strong>für</strong> eine neue Ökodesign<br />

Verordnung, die unter anderem<br />

Fragen der Haltbarkeit,<br />

Wiederverwendbarkeit,<br />

Reparierbarkeit oder des<br />

Recyclinganteils in Produkten<br />

regeln soll. Kann dieser<br />

Entwurf 1:1 von Industrieunternehmen<br />

in Deutschland<br />

umgesetzt werden?<br />

Beim Ökodesign unterstützen<br />

wir den Wechsel von einer Richtlinie<br />

hin zu einer Rahmenverordnung,<br />

die Angaben zu Energieverbrauch,<br />

Produktvorgaben wie Langlebigkeit,<br />

Reparierbarkeit und<br />

Recyclingfähigkeit sowie Umweltlabel<br />

vorgeben, weil sich hierdurch<br />

Produkte entwickeln lassen, die<br />

<strong>nachhaltige</strong> sind. Der Schritt zur Ausweitung des Anwendungsbereichs<br />

der Richtlinie auf die Materialeffizienz von Produkten und<br />

zur Verordnung ist ein sehr großer Schritt gewesen. Wir müssen<br />

jetzt da<strong>für</strong> Sorge tragen, dass die produktspezifischen Durchführungsverordnungen<br />

nicht weiter kompliziert werden, sondern wir<br />

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Foto: BDI<br />

müssen das Augenmerk darauf richten, wie sie spezifiziert werden.<br />

Da<strong>für</strong> brauchen wir die Einbindung von Herstellern, Verbrauchern<br />

und Politik.<br />

Diese Gründe waren ausschlaggebend <strong>für</strong> die Gründung der<br />

BDI-Initiative „Circular Economy“ in der bekanntlich über den Kreis<br />

der BDI-Verbände nun auch einzelne Unternehmen die Möglichkeit<br />

haben, sich gestaltend in den Meinungsbildungsprozess einzuschalten.<br />

Welche ökonomischen und ökologischen Potentiale<br />

können sich durch zirkuläres Wirtschaften ergeben?<br />

Die Kreislaufwirtschaft muss eine wichtige Rolle spielen, wenn<br />

es um die Rohstoffversorgung geht. Sie wird in Zukunft neben heimischen<br />

und importierten Rohstoffen eine wichtige Rolle spielen.<br />

Wir haben dabei Potentiale, die wir heben wollen.<br />

Es stellt sich dabei die Frage, wo die neuen Geschäftsmodelle<br />

genau liegen. Unternehmen verstehen es sehr gut, ihre Geschäftsprozesse<br />

weltweit zu optimieren. Wenn ein Unternehmen diese<br />

etablierten und optimierten Prozesse in Richtung Kreislaufwirtschaft<br />

verändern will, braucht es Sicherheit bei der Rohstoffversorgung<br />

und einen Markt, der bereit ist, gegebenenfalls temporär höhere<br />

Preise zu akzeptieren.<br />

Gleiches gilt auch <strong>für</strong> die Qualität der Rohstoffe. Normierung<br />

und Standardisierung führen zu einer Verlässlichkeit im Markt, die<br />

ein Unternehmen braucht. Dabei ist darauf zu achten, dass durch ein<br />

kluges Matchmaking keine ungleichen Marktverhältnissen zwischen<br />

Mittelstand und Industrie entstehen.<br />

<strong>Das</strong> Interesse muss aber auch darauf gerichtet werden, wie<br />

Unternehmen besseres Geld durch Reparaturarbeiten verdienen.<br />

Vielleicht ist es <strong>für</strong> ein Unternehmen besser, seine Produkte wieder<br />

näher an sich heranzuführen, so dass durch ein Recycling oder die<br />

Wiederverwendung von Bauteilen der Gebrauchtgeräte wieder<br />

Rohstoffe <strong>für</strong> neue Produkte entstehen.<br />

Eine Herausforderung besteht darin, diese kreislaufwirtschaftlichen<br />

Aspekte in ein ERP einzupflegen, weil sich dadurch der<br />

kaufmännische Aspekt verschiedener Optionen bemessen lässt.<br />

Welche politischen Rahmenbedingungen sind aus<br />

Sicht des BDI notwendig, um langlebige, <strong>nachhaltige</strong> und<br />

kreislauffähige Produkte zu designen?<br />

Aus unserer Sicht ist eine kohärente Rolle von Abfallrecht,<br />

Produktrecht und Stoffrecht. Bisher hat man auf die<br />

Übergänge dieser Rechtsarten wenig Achtung gelegt. Wir brauchen<br />

gute Regeln an den Schnittstellen, die wir bisher nicht haben.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Beispiel: Kein Verbraucher wird sich ein Produkt kaufen, das aus<br />

Müll hergestellt und so ausgezeichnet ist.<br />

Was sind die aktuell drängendsten Herausforderungen,<br />

wenn man das Ziel einer Kreislaufwirtschaft<br />

erreichen will?<br />

Was wir u. a. brauchen, sind passgenaue lösungen und Anreize<br />

<strong>für</strong> die Rückführung von Produkten am Ende ihrer Nutzungsphase<br />

(z. B. konsumentennahe Rücknahmesysteme). Diese können jedoch<br />

nur durchgesetzt werden, wenn da<strong>für</strong> Anreizsysteme <strong>für</strong> Konsumenten<br />

geschaffen werden, die Sammelstrukturen optimiert werden<br />

und gesellschaftliche Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt<br />

werden. Wir haben so etwas schon einmal <strong>für</strong> die Rücknahme von<br />

Plastikflaschen erfolgreich durchgeführt. Eine einmalige Investition<br />

in die Rücknahmeinfrastruktur führt heute zu Top-PET-Qualitäten<br />

und TOP-Aluminium-Qualitäten einer hohen Rücklaufquote.<br />

Was sind aus Ihrer Sicht die „Low Hanging Fruits“ auf<br />

dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft, die in Unternehmen<br />

mit wenig Mühen realisierbar sind?<br />

Für Unternehmen besteht der wesentliche Schritt darin, die Strategie<br />

der Kreislaufwirtschaft aus dem Umweltbereich herauszuholen<br />

und sie zur strategischen Frage des Materialzugriffs zu erklären.<br />

Im April 2021 wurde die BDI-Initiative Circular Economy<br />

gegründet. Sie umfasst ein Netzwerk aus etwa 60<br />

Akteuren der gesamten industriellen Bandbreite. Sie ist<br />

dabei nicht nur politisches Sprachrohr nach Berlin und<br />

Brüssel, sondern treibt Circular Economy von der Produktentwicklung<br />

bis hin zur Wiederverwertung ganzheitlich<br />

an. Welche Arbeitsfelder finden in dieser Initiative Beachtung?<br />

Zu Beginn dieser Initiative bestand der Gedanke, dass man eine<br />

zirkuläre Wertschöpfung nicht auf den Aspekt der Abfallwirtschaft<br />

beschränken kann. Mit dieser Initiative wollen wir positive Ansätze<br />

entwickeln, um neue Strukturen zu entwickeln, die <strong>für</strong> eine Kreislaufwirtschaft<br />

benötigt werden.<br />

An dieser Herausforderung beteiligen sich 30 Verbände und<br />

30 Unternehmen im Wesentlichen mit zwei Missionen: intern<br />

beschäftigen wir uns mit den Herausforderungen, die sich aus den<br />

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Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie<br />

Als eine weltweit führende Wirtschaftsnation benötigt<br />

Deutschland große Mengen an Rohstoffen. Die aktuell hohen<br />

Bedarfe an neuen Investitionen, etwa <strong>für</strong> Wohnungen, erneuerbare<br />

Energien oder Verteidigung, lassen jedoch in den nächsten<br />

Jahren einen zusätzlichen Rohstoffbedarf erwarten.<br />

Die Rohstoffströme in der deutschen Wirtschaft sind immer<br />

noch in weiten Bereichen eher linear organisiert. So zeigen die<br />

vom Statistischen Amt der EU (Eurostat) erhobenen Daten, dass<br />

in Deutschland der Anteil der Sekundärrohstoffe am gesamten<br />

Rohstoffverbrauch nur circa 13 Prozent beträgt. Entsprechend ist<br />

der primäre Rohstoffverbrauch hoch und wird ohne gezielte Maßnahmen<br />

weiter steigen. Dies will die Bundesregierung ändern und<br />

die Transformation hin zu einem ressourcensparenden zirkulären<br />

System einleiten, das zu einer Reduktion des primären Rohstoffkonsums<br />

führen soll. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie<br />

soll den Weg <strong>für</strong> diese Transformation beschreiben.<br />

Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie<br />

(NKWS). Diese Strategie soll Ziele und<br />

Maßnahmen zum zirkulären Wirtschaften und zur Ressourcenschonung<br />

aus allen relevanten Strategien zusammenführen. Damit<br />

wird ein Rahmen geschaffen, der die rohstoffpolitisch relevanten<br />

Strategien der Bundesregierung so zusammenführt, dass das Ziel<br />

des Koalitionsvertrages, den primären Rohstoffbedarf absolut zu<br />

senken, erreicht wird.<br />

Die NKWS soll eine Rahmenstrategie sein, in der die Bundesregierung<br />

Ziele, grundlegende Prinzipien und strategische<br />

Maßnahmen festlegt, die alle rohstoffpolitisch relevanten Strategien<br />

unterstützen.<br />

Aspekten Umwelt, Klima und Rohstoffversorgung ergeben; nach<br />

außen wollen wir die Wege kommunizieren, die wir zur Lösung<br />

dieser Herausforderungen gefunden haben.<br />

Daraus ergeben sich <strong>für</strong> die Initiative drei Kernaufgaben: Wir<br />

bringen uns ein in die vorbereitenden Fachdialoge in Gesetzgebungsverfahren.<br />

Zudem entwickeln wir ein gemeinsames<br />

Grundverständnis zu den aufgeworfenen Fragen. Dabei benennen<br />

wir die Potentiale, die sich aus der Rohstoffökonomie, der Normung<br />

und Standardisierung und der Digitalisierung ergeben. Und schlussendlich<br />

kommunizieren wir unsere Positionen auf Kongressen,<br />

Messen und anderen Wegen der Öffentlichkeitsarbeit.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte<br />

Thomas Heine<br />

Chefredakteur<br />

www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

Die NKWS soll einen entscheidenden Beitrag zur<br />

Reduzierung der Umweltbelastung, zum Schutz der Biodiversität<br />

und zum Klimaschutz leisten. Die zirkuläre Wirtschaft<br />

und die Ressourcenschonung können einen Beitrag <strong>für</strong> Klimaneutralität<br />

und Dekarbonisierung leisten. So können in der<br />

Grundstoffindustrie (zum Beispiel bei der Produktion von Stahl,<br />

Aluminium, Kunststoffen und Zement/Beton) durch verstärkte<br />

Kreislaufführung und Nutzung sekundärer Rohstoffe in erheblichem<br />

Umfang THG-Emissionen und Energieverbräuche reduziert<br />

werden. In zentralen Branchen unserer Wirtschaft wird der überwiegende<br />

Teil der THG-Emissionen nicht bei der Produktion der<br />

Endprodukte, sondern bei der Gewinnung von Rohstoffen und<br />

der Herstellung von Vorprodukten verursacht.<br />

In der Chemieindustrie, im Maschinenbau und im Fahrzeugbau<br />

liegt der Anteil dieser THG-Emissionen beispielsweise<br />

zwischen 60 und 80 Prozent. <strong>Das</strong> Potenzial zur Reduktion durch<br />

zirkuläres Wirtschaften ist daher erheblich.<br />

Die NKWS soll einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des<br />

Knappheitsproblems durch sichere Rohstoffversorgung leisten,<br />

auch bei kritischen Rohstoffen wie seltenen Erden.<br />

Durch möglichst langen Ressourcenerhalt und Kreislaufführung<br />

soll die deutsche Wirtschaft Schritt <strong>für</strong> Schritt<br />

unabhängiger von Rohstoffimporten werden und damit die Resilienz<br />

der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.<br />

Kleine Kniffe<br />

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Zukunft der Kreislaufwirtschaft<br />

Welche Bedeutung<br />

hat Circular Economy <strong>für</strong> den Einkauf?<br />

Der Kern der Circular Economy lässt sich in der reduzierten Nutzung „neuer“ Rohstoffe zusammenfassen.<br />

Getrieben durch Rohstoffengpässe, gesetzliche Anforderungen und zunehmenden Druck<br />

verschiedener Interessensgruppen sowie damit einhergehende Sanktions- und Reputationsrisiken,<br />

rücken kreislaufwirtschaftliche Prinzipien stärker in den Fokus. Dabei ist insbesondere der Green<br />

Deal der EU zu erwähnen, der die zentrale Rolle der Circular Economy hervorhebt. Neben der<br />

Erfüllung externer Vorgaben und Erwartungen bietet die Integration zirkulärer Prinzipien in das<br />

Geschäftsmodell Möglichkeiten zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen.<br />

Ein Beitrag von Reinhard Frigger<br />

Die <strong>Beschaffung</strong> spielt als Bindeglied zwischen Unternehmen<br />

und Lieferanten eine zentrale Rolle, auch bedingt durch teilweise<br />

tiefgreifende Änderungen, die sich <strong>für</strong> das <strong>Beschaffung</strong>sportfolio<br />

ergeben. Um die Vorteile von zirkulären Lieferketten, bspw. die<br />

Sicherung von Ressourcenverfügbarkeiten oder die Treibhausgasreduktion,<br />

ausschöpfen zu können, bedarf es weitreichenden<br />

Veränderungsprozessen.<br />

Diese können unter anderem durch die Integration von Nachhaltigkeitsanforderungen<br />

in die Einkaufsbedingungen oder durch die<br />

Initiierung von Entwicklungsprogrammen in Richtung Lieferantennachhaltigkeit<br />

umgesetzt werden.<br />

Was gilt es zu beachten?<br />

Auf dem Weg hin zu einer kreislauforientierten <strong>Beschaffung</strong><br />

spielen aus Unternehmenssicht sowohl die interne als auch externe<br />

Perspektive eine zentrale Rolle. Die zu beachtenden Erfolgsfaktoren<br />

werden untenstehend dargestellt:<br />

Zirkularität in der Unternehmensstrategie<br />

Die Integration von Kreislaufwirtschaftsprinzipien in das<br />

Geschäftsmodell ist eine Grundsatzentscheidung, welche nicht isoliert<br />

getroffen werden kann. Vielmehr bedarf es einer ganzheitlichen<br />

Strategie und unternehmensweiten Prozessveränderungen. Daher<br />

ist die Unterstützung von höchster Managementebene von zentraler<br />

Bedeutung <strong>für</strong> den Erfolg.<br />

Abgestimmt auf die zirkuläre Unternehmensstrategie muss die<br />

Einkaufsstrategie und -steuerung auf entstehende Anforderungen<br />

ausgerichtet werden. Aus Komplexitätsgründen empfiehlt sich<br />

zunächst die Pilotierung einzelner Geschäftsbereiche bzw. Produktgruppen,<br />

bevor zirkuläre Prozesse nach und nach ausgerollt<br />

werden.<br />

Stärkung der internen Kollaboration<br />

Um den neuen Produkt- und Prozessanforderungen gerecht<br />

zu werden, ist eine verstärkte interne Kollaboration notwendig.<br />

Der Einkauf sollte bspw. früher und stärker in Produktdesign- und<br />

-entwicklungsprozesse einbezogen werden, um entstehende Materialbedarfe<br />

von Beginn an im Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit in<br />

zirkulären Systemen zu bewerten.<br />

Zum Zusammenspiel aus Einkauf und Entwicklung sollte<br />

auch der Vertrieb hinzugezogen werden, da so eine Ende-zu-Ende<br />

Betrachtung möglich wird und u.a. untenstehende Ziele der internen<br />

Kollaboration realisiert werden können:<br />

• Minimierung des Verbrauchs neuer Ressourcen bei der<br />

Produktherstellung bei gleichzeitiger Sicherstellung von<br />

Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit<br />

• Effiziente Einbindung des Lieferantenökosystems aus Produzenten,<br />

Recyclinganbietern, (reversen) Logistikdienstleistern,<br />

Forschungseinrichtungen und Beratungen zur integrierten<br />

Betrachtung von Produktentwicklung und Lieferkette<br />

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„Erfolgsfaktorenpyramide <strong>für</strong> zirkuläre <strong>Beschaffung</strong>“, Grafik: EY<br />

Auf diese Weise können mittel- und langfristig Wettbewerbsvorteile<br />

geschaffen werden, welche auf die gesamthaft gestärkte<br />

Lieferkette zurückzuführen sind.<br />

Erweiterung des Einkäufer-Skillsets<br />

Die Integration von Circular Economy-Prinzipien stellt neue<br />

Anforderungen an den Einkauf, die weit über Bestellvorgangsabwicklungen<br />

und Preisverhandlungen hinausgehen. Für eine<br />

erfolgreiche Umsetzung muss der Einkauf im Hinblick auf die neuen<br />

Anforderungen geschult werden. So benötigen Einkäufer: innen im<br />

Rahmen der internen Kollaboration mit anderen Unternehmensbereichen<br />

u.a. vertiefte Materialkenntnisse. Der Einfluss beschaffter<br />

Ressourcen auf die Zirkularität des Endprodukts muss erkannt und<br />

die Materialkosten nicht nur auf Basis der <strong>Beschaffung</strong>spreise, sondern<br />

entlang des gesamten Lebenszyklus bewertet werden können.<br />

Darüber hinaus müssen Marktkenntnisse erweitert, neue Lieferantenmärkte<br />

erschlossen und diese kontinuierlich auf der Suche nach<br />

neuen, innovativen Lösungen im zirkulären Umfeld bearbeitet<br />

werden. Einkäufer: innen müssen dabei in der Lage sein, neu entstehende,<br />

komplexe Liefernetzwerke zu steuern.<br />

Stärkung der Lieferantenzusammenarbeit und<br />

Neuausrichtung der Lieferantenstrategien<br />

Aufbauend auf den zuvor beschriebenen internen Fähigkeiten<br />

ist die Stärkung der Lieferantenzusammenarbeit ein weiterer kritischer<br />

Erfolgsfaktor. Zirkularität kann nur unter Einbeziehung<br />

der gesamten Lieferkette erreicht werden. <strong>Das</strong> führt dazu, dass in<br />

der Kreislaufwirtschaft nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern<br />

mittlerweile ganze Lieferketten im Wettbewerb stehen. Dem<br />

Einkauf kommt durch die notwendige Entwicklung strategischer<br />

Lieferantenpartnerschaften eine wichtige Funktion zu. Strategische<br />

Partnerschaften ermöglichen Unternehmen und ihren Lieferanten<br />

Wissen, Ideen und Best Practices auszutauschen sowie von komplementären<br />

Ressourcen und Fähigkeiten des Partners zu profitieren.<br />

Dabei können Unternehmensnetzwerke aufgrund gebündelter<br />

Ressourcen besser auf Marktbedürfnisse und regulatorische Anforderungen<br />

eingehen und dabei durch die Innovationskraft nur schwer<br />

imitierbare Werte generieren.<br />

Ausblick<br />

Circular Economy - was sich heute abstrakt und nur schwer<br />

umsetzbar anhört, wird mittel- bis langfristig massive Einflüsse auf<br />

den Unternehmenserfolg haben. Legen Sie bereits jetzt den Grundstein<br />

<strong>für</strong> die zirkuläre Transformation Ihres Unternehmens und<br />

bereiten Sie Ihre Fachbereiche auf bevorstehende Herausforderungen<br />

vor. Sollten Sie Interesse an tiefgreifenderen Ausführungen und<br />

Ansätzen zum Thema Circular Economy haben, so freut sich das<br />

Procurement Consulting Team von EY auf einen Austausch.<br />

Autor<br />

Reinhard Frigger<br />

Partner | Consulting<br />

Ernst & Young GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

Kleine Kniffe<br />

23<br />

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Zukunftsorientierung in KMU<br />

Hinter die Kulissen geschaut:<br />

Wie ein Anbieter <strong>nachhaltige</strong>r Produkte seinen Einkauf optimiert,<br />

um die Qualität seiner Produkte zu halten und auszubauen.<br />

Der <strong>betriebliche</strong> Einkauf steht seit vielen Jahren unter einem erheblichen Druck. Unsichere Lieferketten,<br />

steigende Preise, staatliche Regulierungen und eine immer stärker werdende Nachfrage nach <strong>nachhaltige</strong>n<br />

Produkten drücken auf die Performance einer Einkaufsabteilung. Wie kann sich ein mittelständisches<br />

Unternehmen erfolgreich diesen Herausforderungen stellen? Und welche Rolle spielt die Digitalisierung<br />

in diesem Zusammenhang? Der Einkauf der Steinbeis Papier GmbH, heutiger Marktführer <strong>für</strong> hochwertige<br />

Recyclingpapiere aus 100% Altpapier, hat sich bereits seit langer Zeit auf den konsequenten Weg der<br />

Optimierungen begeben. Ein Wegbegleiter ist hier der Softwarelieferant mysupply. Im Gespräch mit Jan<br />

Geier, Leiter Supply Chain Management Steinbeis Papier, und Andreas Zimmermann, Geschäftsführer<br />

mysupply erfahren Sie konkret, wie <strong>nachhaltige</strong>r Einkauf digital funktionieren kann.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

Die eingangs beschriebenen Herausforderungen<br />

haben Sie sicher auch in Ihrer täglichen Praxis gespürt.<br />

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen in Ihrer<br />

Arbeit? Und wie sind Sie auf Ihren Softwarelieferanten<br />

gestoßen?<br />

Jan Geier: Die Entwicklungen der letzten Jahre haben<br />

gezeigt, dass Versorgungssicherheit zu einem der wichtigsten<br />

Faktoren geworden ist. In Krisenzeiten sind Lieferketten zusammengebrochen,<br />

die sich auf unterschiedlichste Bereiche unserer<br />

Arbeit ausgewirkt haben. Wir stellten uns dann die Frage, wie wir<br />

Lieferkettenprobleme, Preisschwankungen, Nachhaltigkeitsansprüche<br />

auch im Austausch mit unseren Lieferanten smarter und auch<br />

effektiver managen können. Im Rahmen einer Messe sind wir mit<br />

mysupply in Kontakt getreten. <strong>Das</strong> Unternehmen bietet maßgeschneiderte,<br />

automatisierte Lösungen <strong>für</strong> die <strong>Beschaffung</strong> an.<br />

Als junges Startup-Unternehmen haben Sie eine<br />

Lösung <strong>für</strong> die Digitalisierung des Einkaufs entwickelt.<br />

Wie kann Ihre Software den Einkaufsprozess effizienter<br />

gestalten?<br />

Andreas Zimmermann: mysupply ist eine B2B-SaaS-Lösung,<br />

die den <strong>Beschaffung</strong>sprozess automatisiert, durchschnittlich 11 % der<br />

<strong>Ausgabe</strong>n einspart und den operativen Aufwand um 50 % reduziert.<br />

Durch die Nutzung von maschinellem Lernen und KI rationalisiert<br />

mysupply die <strong>Beschaffung</strong>svorgänge und reduziert die manuellen<br />

Arbeitskosten. Darüber hinaus nutzt mysupply die algorithmische<br />

Spieltheorie, die von Verhandlungsexperten entwickelt wurde, um<br />

clevere Verhandlungsprozesse zu steuern. Mit mysupply können<br />

Unternehmen intelligentere <strong>Beschaffung</strong>sprozesse mit weniger<br />

Aufwand durchführen und gleichzeitig bessere Ergebnisse erzielen.<br />

mysupply lässt sich mit führenden <strong>Beschaffung</strong>slösungen wie SAP<br />

Ariba verbinden und übernimmt den gesamten Sourcingprozess. Die<br />

Lösung ermöglicht es Category Managern, den Prozess zu rationalisieren<br />

und Schritte zu automatisieren, um sogar eine vollständig<br />

autonome <strong>Beschaffung</strong> zu ermöglichen.<br />

Wie hat sich die Implementierung der Software auf<br />

die Nachhaltigkeit Ihrer <strong>Beschaffung</strong>spraktiken ausgewirkt?<br />

Jan Geier: <strong>Das</strong> Tool ermöglicht uns bereits vor der Vergabe<br />

von Aufträgen, spezifische Kalkulationen und Bewertungen anzustellen.<br />

So können wir beispielsweise <strong>für</strong> uns wichtige Faktoren, wie<br />

die Blauer Engel-Zertifizierung, Verbräuche und CO 2<br />

-Emissionen<br />

miteinschließen. Für das Tendermanagement bedeutet das mehr<br />

Effizienz, wenn Kriterien in der Vergabe automatisiert berücksichtigt<br />

werden. Zudem wird mit dem System die Kommunikationsart<br />

vereinheitlicht, was auch <strong>für</strong> die Bieter einen Mehrwert bietet.<br />

Sie werden von uns viel zielgerichteter angesprochen und können<br />

online ihre Waren entsprechend den gesetzten Kriterien bepreisen.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Wie können Unternehmen mithilfe Ihrer Software ihre<br />

<strong>Beschaffung</strong>sstrategie optimieren, um ökonomische und<br />

<strong>nachhaltige</strong> Ziele in Einklang zu bringen?<br />

Andreas Zimmermann: mysupply ermöglicht Unternehmen<br />

die Bewertung und Auswahl von Lieferanten anhand ökonomischer<br />

und <strong>nachhaltige</strong>r Kriterien. Mit mysupply können Unternehmen,<br />

ihre eigenen Nachhaltigkeitsscorings wie z.B. die Scorings von Ecovadis<br />

automatisiert beim Sourcing verwenden. Darüberhinaus bieten<br />

wir mit mysupply auch die integrierte Nutzung von weiteren Nachhaltigkeitsscorings<br />

<strong>für</strong> Lieferanten an. Unsere Kunden wählen die<br />

gewünschten Scorings aus und legen dann eine Gewichtung da<strong>für</strong><br />

fest. Im Anschluss werden die Scorings <strong>für</strong> die jeweiligen Lieferanten<br />

zur Ausschreibung hinzugefügt und dann automatisch bei der<br />

Bewertung von Ausschreibungen und der Verhandlung berücksichtigt.<br />

Dies hilft, die <strong>Beschaffung</strong>sstrategie anzupassen und das<br />

Gleichgewicht zwischen ökonomischen und <strong>nachhaltige</strong>n Zielen<br />

zu finden. Für Unternehmen ist es nur wichtig festzulegen, wieviel<br />

Ihnen ein <strong>nachhaltige</strong>s Sourcing wert ist und nach welchen Scorings<br />

sie die Nachhaltigkeit messen möchten. Den Rest erledigt dann<br />

mysupply.<br />

Wie hat die Software Ihre Abteilung dabei unterstützt,<br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>skriterien in Ihre Einkaufsstrategie<br />

zu integrieren und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?<br />

Jan Geier: Zusammen mit mySupply haben wir die Software<br />

stetig weiterentwickelt und eine Transparenz hergestellt, die es uns<br />

möglich macht, <strong>Beschaffung</strong>en unter verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien<br />

zu prüfen. <strong>Das</strong> betrifft unter anderem Kriterien wie<br />

Verschleiß, Instandhaltungsaufwendungen, energetische Verbräuche,<br />

CO 2<br />

-Emissionen, Servicegrad oder Wechselaufwendungen.<br />

Derzeit sind wir dabei alle unsere Materialzugänge unter dem Scope<br />

3-Kriterium zu erfassen – also inwiefern von uns eingekaufte Produkte<br />

mit indirekten Emissionen belegt sind. Wir werden zudem<br />

Schnittstellen unserer Systeme zur mysupply Lösung schaffen, um<br />

die Schlagzahl automatisierter Einkäufe zu erhöhen und gleichzeitig<br />

unsere Scope 3-Bilanz zu verbessern.<br />

Welche konkreten Nachhaltigkeitsmerkmale sind in<br />

Ihrer Software integriert und wie tragen sie zur Förderung<br />

einer <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> bei?<br />

Andreas Zimmermann: Mit mysupply können beliebige<br />

Nachhaltigkeitsmerkmale integriert werden. Da <strong>für</strong> die Unternehmen<br />

sehr unterschiedliche Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle spielen<br />

und die Unternehmen meist sehr genau wissen, was <strong>für</strong> Sie wichtig<br />

ist, sind wir in der Hinsicht völlig offen und können beliebige Nachhaltigkeitsdaten<br />

der Kunden bei mysupply nutzbar machen. Darüber<br />

hinaus entwickeln wir die Datenbasis <strong>für</strong> weitere Nachhaltigkeitsscorings<br />

laufend weiter, so dass unsere Kunden auch on Demand auf<br />

weitere Scorings zugreifen können.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Welche quantifizierbaren Verbesserungen konnten<br />

Sie seit der Implementierung der Software in Bezug<br />

auf Ressourcenverbrauch, Abfallreduzierung oder CO 2<br />

-<br />

Emissionen feststellen?<br />

Jan Geier: Wir konnten über Online-Ausschreibungen bereits<br />

neue Lieferanten gewinnen und bestehende Lieferantenbeziehungen<br />

ausbauen. Verschiedene Warengruppen befinden sich so über das<br />

Tool mittels automatisiertem Vergabeverfahren und technischen<br />

Ausschreibungen bereits im <strong>Beschaffung</strong>sprozess. Im Vorwege<br />

dieses Prozesses wurden qualitative Bewertungen und Wechselkosten<br />

gemeinsam mit der Fachabteilung bewertet und berücksichtigt.<br />

Bevor wir jedoch beginnen, die CO 2<br />

-Spezifika des Scope 3 auf<br />

Produktebene oder Herstellerebene stichhaltig zu bewerten, werden<br />

wir auf die Ergebnisse des Parallelprojekts mit der Firma Carbmee<br />

warten. Sie validieren die CO 2<br />

-Werte, damit wir nachher nachvollziehbare<br />

und revisionssichere Ergebnisse vorweisen können.<br />

Welche positiven Auswirkungen hat die Automatisierung<br />

des Einkaufsprozesses auf die Arbeitsbedingungen<br />

in Ihrer Abteilung?<br />

Jan Geier: Digitalisierung genießt auch bei uns im Einkauf<br />

allerhöchste Priorität. Bei mehr als 10.000 Bestellungen im Jahr<br />

ist Automatisierung unabdingbar, damit wir uns auf die <strong>nachhaltige</strong>n<br />

Faktoren konzentrieren und eine effektive Bewertung unserer<br />

<strong>Beschaffung</strong>soptionen vornehmen können. In der Praxis bedeutet<br />

das, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Tools an<br />

die Hand geben, die ihr Agieren im Tagesgeschäft erleichtern, die<br />

Erfolge in der <strong>Beschaffung</strong> sichtbar machen und hinsichtlich der<br />

Bedienungsfreundlichkeit auch Spaß machen. Letzten Endes schaffen<br />

wir mit dieser Automatisierung nicht nur einen Benefit <strong>für</strong> uns<br />

im Einkauf, das ganze Unternehmen und auch die Lieferanten partizipieren<br />

an einem stetig wachsenden Erfolg.<br />

Wie können Unternehmen mithilfe Ihrer Software<br />

den gesamten <strong>Beschaffung</strong>sprozess analysieren und<br />

verbessern, um ihre Nachhaltigkeitsziele kontinuierlich<br />

voranzutreiben?<br />

Andreas Zimmermann: mysupply wertet die Vergaben der<br />

Kunden aus und misst dabei auch die Nachhaltigkeit der Vergaben.<br />

So können wir jederzeit über integrierte <strong>Das</strong>hboards darüber Auskunft<br />

geben, wo unsere Kunden insgesamt beim Thema <strong>nachhaltige</strong><br />

Vergaben stehen, welche Gewichtung dem Thema Nachhaltigkeit<br />

in den Vergaben zukommt und wo noch Handlungsbedarf besteht.<br />

Interview-Partner<br />

Jan Geier<br />

Andreas Zimmermann<br />

CPO<br />

Founder und CEO<br />

Steinbeis Papier GmbH der mysupply GmbH<br />

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Startups als Innovationstreiber<br />

Volle Transparenz durch physische und digitale<br />

Rückverfolgbarkeit in der Textilproduktion und -recycling<br />

Immer neue Gesetzesinitiativen und Richtlinien wie die EU Deforestation Regulation (EUDR), der<br />

US-amerikanische Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) oder die EU-Ökodesign-Richtlinie fordern<br />

Transparenz in der <strong>Beschaffung</strong> ein, die im Produktpass Ausdruck finden sollen. Der Autor bezweifelt<br />

jedoch, dass es durch ein neues Format tatsächlich <strong>Beschaffung</strong>srisiken <strong>für</strong> Inverkehrbringer adressiert<br />

werden.<br />

Ein Beitrag von Tobias Herzog<br />

<strong>Beschaffung</strong>srisiken und<br />

Produktpass sind in aller Munde.<br />

Produktpässe versprechen in der<br />

textilen <strong>Beschaffung</strong>, <strong>für</strong> Batterien,<br />

Spielzeuge oder elektronische<br />

Geräte Transparenz bzw. einen<br />

„lückenlosen Lebenslauf“.<br />

<strong>Beschaffung</strong>srisiken haben<br />

ihren Ursprung nicht auf der Produktebene,<br />

sondern überwiegend<br />

im Material, welches eingekauft<br />

wurde, um ein Produkt zu fertigen.<br />

Leder, Naturfasern oder<br />

Gummi sind typische Beispiele <strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong>srisiken wie etwa<br />

Entwaldung oder moderne Sklaverei.<br />

Der Produktpass zieht <strong>für</strong> die Herkunft solcher Materialien nur<br />

die Daten heran, die aktuell in der Lieferkette verfügbar sind. Die<br />

Sammlung dieser Daten <strong>für</strong> bestimmte Due-Diligence Prüfungen<br />

sind lästig und landen als Aufgabenpaket meistens bei einem Tier 1<br />

Lieferanten, der sich in der Regel im Erzeugerland befindet.<br />

„Alter Wein in neuen Schläuchen“ ist vermutlich die beste<br />

Beschreibung <strong>für</strong> diese Bemühungen. Es gelten die alten Zertifikate<br />

und Audits, die auf denselben Dokumenten des Geschäftsverkehrs<br />

basieren, lediglich ergänzt um eine „dashbord-artige“ Visualisierung<br />

und Digitalisierung der vorhandenen Dokumente in Papierform<br />

durch Scans.<br />

Übersicht<br />

Der optische Fingerabdruck ist eine Methode der physischen<br />

Markierung von Material neben anderen Methoden wie der künstlichen<br />

DNA.<br />

Der Vorteil des optischen Fingerabdrucks besteht in der<br />

Maschinenlesbarkeit mit tragbarer Spektroskopie. Eine spezifische<br />

Lichtanregung entlockt einem anorganischen Pigment eine spektrale<br />

Kodierung, die etwa <strong>für</strong> den Hersteller oder eine Materialgüte<br />

steht. Dazu wird das Material mit dem Marker homogen vermischt.<br />

Es ist Zeit, dass Transparenz über<br />

Tier 1 hinausgedacht wird und sich<br />

die Industrie auf den wahren Träger<br />

der Produktintegrität besinnt, nämlich<br />

das Material selbst, welches ein<br />

Träger von Produktauthentizität ist<br />

und an jeder Stelle der Wertschöpfung<br />

beweisen kann.<br />

Hier versprechen Blockchain und<br />

ähnliche Technologien eine Lösung,<br />

die die Materialintegrität über eine<br />

Massenbilanz sicherstellen sollen.<br />

Denkt man ein solches System einmal<br />

in skalierter Form <strong>für</strong> ganze Industriezweige bzw. Branchen sind<br />

Zweifel angebracht, ob die Materialien im Lager tatsächlich ihren<br />

digitalen Zwillingen entsprechen. Was fehlt, ist die Möglichkeit<br />

der Überprüfung des Materials an jeder Stelle der Lieferkette. Diese<br />

Prüfung muss unkompliziert möglich sein. Eine solche physische<br />

Prüfung darf sich zudem nicht einem digitalen Kontext entziehen,<br />

weshalb auch von „phygital“ Lösungen gesprochen wird, wenn<br />

Unternehmen physische Marker und digitale Konzepte <strong>für</strong> die Rückverfolgbarkeit<br />

von Material einsetzen.<br />

Die Firma Tailorlux steht <strong>für</strong> die Umsetzung solcher Konzepte<br />

mit Hilfe von Spektroskopie. Egal ob es sich um die Quantifizierung<br />

von Recyclingfasern oder die Rückverfolgbarkeit von Gummi und<br />

Kunststoff geht – die Spektroskopie ist der Ansatz aus der Materialperspektive,<br />

die den Produktpass substanziell bereichern kann.<br />

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Foto: Tailorlux<br />

Mit den vorhandenen Transaktionszertifikaten basierend auf<br />

Rechnungen und Lieferscheinen ist dem Betrug Tür und Tor geöffnet.<br />

Bereits Anfang des Jahres wiesen Journalisten mit einem AirTag<br />

nach, wie betrogen wird, wenn die Linie zwischen Müll und Rezyklat<br />

verschwimmt.<br />

Der wohl größte und auch zeitgleich problematischste Markt<br />

ist wohl das textile Recycling: Die Verwertung von Postconsumer<br />

Recycling ist eine wesentliche Säule der „EU Strategy for Sustainable<br />

and Circular Textiles“. Zeitgleich soll es künftig nicht mehr möglich<br />

sein, den textilen Müll in Drittländern zu entsorgen. Außerdem soll<br />

der Recycling-Anteil in Material nachgewiesen werden. Tailorlux<br />

hat zusammen mit dem Unternehmen Recover eine neue Referenz<br />

geschaffen, die physische und digitale Rückverfolgbarkeit <strong>für</strong> volle<br />

Transparenz im textilen Recycling nutzt.<br />

Dazu wird eine Markierfaser im sogenannten „Shredding“ kontrolliert,<br />

automatisiert und dokumentiert zu recycelter Baumwolle<br />

beigefügt. Jeder Ballen ist ab sofort physisch markiert und wird auch<br />

digital als „Zwilling“ der echten Ware erfasst. Die Markierung lässt<br />

sich mithilfe eines tragbaren Spektrometers auslesen. Die Vermischung<br />

dieser Ballen im Textilherstellungsprozess kann durch eine<br />

digitale Plattform nachvollzogen und durch einen Labortest bestätigt<br />

werden, um somit die Synergie aus physischer und digitaler<br />

Rückverfolgbarkeit herzustellen. So entsteht ein System, das den<br />

physischen Tracer mit einer digitalen Plattform verknüpft und im<br />

Ergebnis die Datengrundlage <strong>für</strong> einen Produktpass darstellen kann.<br />

Ähnliche Synergien ergeben sich auch bei Chemiefasern, in<br />

denen ein physsicher Tracer sogar ohne Zerstörung des Textils<br />

quantifiziert werden kann.<br />

Auch <strong>für</strong> Gummi kann der Tracer eingesetzt werden, um zum<br />

Beispiel Material aus risikoarmen Erzeugerländern zu markieren.<br />

Doch Spektroskopie kann auch ohne Markierung ein Gewinn<br />

<strong>für</strong> die Materialauthentizität sein. Deshalb setzt Tailorlux auf ein<br />

kombiniertes Gerät mit einem NIR-Modul (Nahinfrarot-Modul).<br />

Der Tailor-Scan 4 ermöglicht Spektroskopie auch ohne Vorkenntnisse.<br />

Dazu setzt Tailorlux auf eine lernende Datenbank, die<br />

Polymere, Textilien, Schadstoffe, aber auch Lebensmittel beinhaltet.<br />

So sollen Materialien auch von Nutzern identifiziert werden können,<br />

die keine Vorkenntnisse in der Spektroskopie mit sich bringen. <strong>Das</strong><br />

Gerät verbindet damit die digitale Rückverfolgbarkeit mit Daten<br />

über das Material, das beschafft wurde.<br />

Im Ergebnis könnte jeder Produktpass mit Sensordaten aus der<br />

Lieferkette angereichert und validiert werden. Ein echter Vorteil im<br />

Schutz vor Greenwashing, der Kundeninformation und insbesondere<br />

<strong>für</strong> die Zirkularität von Produkten. Hier werden die Vorteile<br />

physsicher Markierung und Spektroskopie zur homogenen Sortierung<br />

von hochwertigen Fraktionen gerade erst entdeckt.<br />

Autor:<br />

Tobias Herzog<br />

Geschäftsführer<br />

Tailorlux GmbH<br />

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Aus nationalen Kompetenzstellen der <strong>Beschaffung</strong><br />

Auf grünen Sohlen – mit dem Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe<br />

<strong>nachhaltige</strong>r gehen, laufen, wandern<br />

Schuhe sind wichtige Konsumartikel. Was viele Beschafferinnen und Beschaffer (und auch<br />

Verbraucherinnen und Verbraucher) jedoch nicht im Blick haben: In der Schuhherstellung gibt es<br />

etliche umweltrelevante Prozesse von der Ledergerbung bis zur Endfertigung. Ziel des Blauen<br />

Engel ist es, einen anspruchsvollen Standard über die gesamte Produktionskette zu definieren und<br />

damit zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit beizutragen.<br />

Ein Beitrag von Dr. Kristin Stechemesser<br />

Bei der Produktgruppe Schuhe<br />

handelt es sich um einen wichtigen<br />

Konsumartikel – nicht nur im<br />

privaten Bereich, sondern auch bei<br />

der öffentlichen Hand. Damit ein<br />

<strong>nachhaltige</strong>r Schuh leicht erkannt<br />

werden kann, gibt es seit einigen<br />

Jahren einen produktspezifischen<br />

Blauen Engel: der Blaue Engel <strong>für</strong><br />

Schuhe (DE-UZ 155).<br />

Bislang war das Interesse am<br />

Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe seitens<br />

der Schuhhersteller eher gering.<br />

Aktuell sind nur knapp 30 Schuhmodelle<br />

von drei Herstellern mit<br />

dem Blauen Engel ausgezeichnet.<br />

Auch insgesamt wurde das Thema<br />

Nachhaltigkeit in der Schuhindustrie<br />

eher stiefmütterlich<br />

behandelt - laut Statista lag der<br />

Umsatzanteil <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />

Schuhe im Jahr <strong>2023</strong> bei geschätzten 7,2 % - der Trend ist steigend.<br />

Es scheint sich also in der Branche etwas zu ändern: <strong>Das</strong> Thema<br />

Nachhaltigkeit wird interessanter. <strong>Das</strong> liegt wahrscheinlich an verschiedenen<br />

Aktivitäten auf europäischer Ebene wie der Ecodesign<br />

for Sustainable Products Regulation (ESPR), EU-Textilstrategie,<br />

der Digitale Produktpass, neuen Entwaldungs-VO, aber auch an der<br />

Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Damit wird es<br />

Kernthesen des Beitrags<br />

Nachhaltigkeit wird <strong>für</strong> die Schuhindustrie interessanter.<br />

<strong>Das</strong> liegt wahrscheinlich an verschiedenen Aktivitäten auf<br />

europäischer Ebene wie der Ecodesign for Sustainable Products<br />

Regulation (ESPR), EU-Textilstrategie, der Digitale Produktpass,<br />

neuen Entwaldungs-VO, aber auch an der Corporate Sustainability<br />

Due Diligence Directive. Damit wird es Zeit, den Blauen Engel <strong>für</strong><br />

Schuhe näher zu beleuchten.<br />

Die Vergabekriterien des Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe umfassen<br />

den gesamten Fertigungszyklus. Je komplexer ein Schuh ist, desto<br />

höher ist in der Regel die Zahl der Anforderungen im Blauen Engel<br />

<strong>für</strong> Schuhe. Viele Prüfungen umfassen Materialprüfungen oder<br />

sind am Endprodukt nachzuweisen.<br />

Basierend auf dem Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe wurde ein<br />

Leitfaden zur umweltfreundlichen <strong>Beschaffung</strong> von Schuhen<br />

entwickelt.<br />

Zeit, den Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe<br />

näher zu beleuchten.<br />

Die Schuhherstellung<br />

Die Fertigung von Schuhen ist<br />

sehr komplex: von der Herstellung<br />

der Schuh- und der Sohlenmaterialien<br />

(Leder, Kunststoff, Textilfasern)<br />

über Schaftfertigung, Schuhmontage<br />

bis zur Endzurichtung.<br />

Hauptproduktionsstandorte <strong>für</strong><br />

die arbeitsintensiven und umweltrelevanten<br />

Prozesse sind vor<br />

allem Schwellen- und Entwicklungsländer<br />

wie China, Vietnam,<br />

Indien und Indonesien. Die<br />

Produktion von Schuhen kann<br />

aufgrund unterschiedlich strenger<br />

gesetzlicher Vorgaben in diesen<br />

Ländern zu erheblichen Problemen<br />

<strong>für</strong> die Umwelt oder die sozialen<br />

Strukturen führen. Durch eine fehlende Abwasserbehandlung in<br />

der Gerberei werden beispielsweise regionale Wasserreserven mit<br />

Chemikalien stark belastet. Die Rückstände der bei der Herstellung<br />

eingesetzten Chemikalien können zudem beim Tragen der Schuhe<br />

freigesetzt werden und zu Gesundheitsbelastungen oder allergischen<br />

Reaktionen führen.<br />

30 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

Der Blaue Engel setzt bei den relevantesten Auswirkungen auf<br />

Mensch und Umwelt an.<br />

Der Blaue Engel <strong>für</strong> Schuhe (DE-UZ 155)<br />

Die Vergabekriterien des Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe umfassen<br />

den gesamten Fertigungszyklus. Je komplexer ein Schuh ist, desto<br />

höher ist in der Regel die Zahl der Anforderungen im Blauen Engel<br />

<strong>für</strong> Schuhe. Viele Prüfungen umfassen Materialprüfungen oder<br />

sind am Endprodukt nachzuweisen. Die Produktzyklen beim durchschnittlichen<br />

Schuh betragen sechs Monate. Daher werden<br />

modulartige Prüfungen bzw. Nachweise eingefordert, um diesen<br />

kurzen Produktzyklen zu begegnen.<br />

Der Geltungsbereich: vom Lederschuh bis zum<br />

textilen Schuh<br />

Der Geltungsbereich ist bewusst sehr breit angelegt, damit eine<br />

große Bandbreite der am Markt befindlichen Schuhe abgedeckt wird.<br />

Dazu zählen 1.) Lederschuhe (chrom-gegerbte Schuhe, vegetabil<br />

gegerbte Schuhe), 2.) textile Schuhe aus Naturfasern (Baumwolle,<br />

Flachs, Hanf, Leinen, Kapok, Wolle und Seide), chemischen Fasern<br />

(Polyacryl, Elastan, Elastolefin, Polyamid, Polyester, Polylactid und<br />

Polypropylen), regenerierter Zellulose (wie Lyocell, Modal und Viskose)<br />

sowie Recyclingfasern, und 3.) Schuhe aus Gummi, z. B. Clogs<br />

oder Gummistiefel. Durch dieses breite Materialspektrum lassen sich<br />

eine Vielzahl von Schuhen zertifizieren: vom klassischen Lederschuh<br />

oder textilen Schuh, über den Sneaker und Freizeitschuhe bis hin<br />

zum Sicherheits- oder Schutzschuh – <strong>für</strong> Damen, Herren und Kinder.<br />

Die Kriterien des Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe<br />

Die Kriterien des Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe berücksichtigen<br />

den gesamten Fertigungsprozess und bilden alle umwelt- und<br />

gesundheitsrelevanten Prozesse ab. Im Kern ist der Blaue Engel ein<br />

Umweltzeichen, doch Verbraucherinnen und Verbraucher hinterfragen<br />

zunehmend die Arbeitsbedingungen während der Herstellung.<br />

Daher betrachtet der Blaue Engel <strong>für</strong> Schuhe neben den klassischen<br />

Umweltanforderungen auch soziale Aspekte.<br />

Aber worauf achtet der Blaue Engel bei Schuhen nun ganz<br />

konkret? Im Fokus stehen:<br />

• die Herkunft der Rohhäute und -felle<br />

• die Prüfung textiler Fasern<br />

• Anforderungen innerhalb des Produktionsprozesses wie<br />

Anforderungen an Abwasser- und Luftemissionen<br />

• Vermeidung gesundheitsschädlicher Substanzen im Endprodukt<br />

(z. B. keine Verwendung von Flammschutzmitteln,<br />

Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) oder Bioziden<br />

in der Ausrüstung) oder strenge Grenzwerte (z. B. Formaldehyd,<br />

Phthalate, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe<br />

(PAKs), Chrom VI und weitere Schwermetalle).<br />

Der Blaue Engel setzt aber auch schon beim Produktdesign an:<br />

Sofern RFID-Chips enthalten sein sollen, müssen diese herausnehmbar<br />

sein; elektrische und elektronische Komponenten sind von<br />

vornherein verboten. Der Schuh ist so zu konzipieren, dass<br />

Kleine Kniffe<br />

31<br />

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Ad<br />

Foto: depositphotos<br />

dieser eine hohe Gebrauchstauglichkeit (z. B. Abriebwiderstand<br />

und Reißfestigkeit der Laufsohle, Farbechtheit von Materialien mit<br />

Hautkontakt) und lange Haltbarkeit aufweist.<br />

So kann der Schuh im Sinne der Kreislaufwirtschaft auch<br />

lange genutzt werden. Reparaturhinweise sowie Pflege- und Reinigungshinweise<br />

sind anzugeben, um die Haltbarkeit des Schuhes zu<br />

verlängern. Ist der Schuh nicht mehr tragbar, ist er dem Recycling<br />

zuzuführen. Die strengen Anforderungen bzgl. der Chemikalien<br />

bzw. Chemikalienprüfung fördern hier die Recyclingfähigkeit der<br />

Materialien.<br />

Die Einhaltung aller Anforderungen muss entsprechend der<br />

Vergabekriterien nachgewiesen werden – beispielsweise durch Sicherheitsdatenblätter,<br />

Prüfberichte, Messergebnisse oder anerkannte<br />

andere Zertifikate.<br />

Der Blaue Engel in der öffentlichen<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

Der Blaue Engel ist ein Umweltzeichen, das im Rahmen einer<br />

öffentlichen Ausschreibung direkt eingesetzt werden kann (siehe<br />

§ 34 VgV oder § 24 UVgO); <strong>für</strong> die meisten Umwelt- oder Sozialzeichen<br />

gilt dies nicht. Außerdem kann der Blaue Engel als Nachweis<br />

genutzt werden. Allerdings ist aktuell der Markt zertifizierter<br />

Schuhe, die <strong>für</strong> öffentliche Beschafferinnen und Beschaffer infrage<br />

kämen – wie Arbeitsschuhe, sehr gering. Daher wurde basierend auf<br />

dem Blauen Engel <strong>für</strong> Schuhe ein Leitfaden zur umweltfreundlichen<br />

<strong>Beschaffung</strong> von Schuhen entwickelt. Aus diesem Leitfaden können<br />

direkt einzelne Kriterien herauskopiert werden – <strong>für</strong> die technischen<br />

Spezifikationen, die Zuschlagskriterien oder die Auftragsausführung.<br />

Weitere Informationen<br />

Sie wünschen weitere Informationen zum Blauen Engel<br />

<strong>für</strong> Schuhe? Dann werden Sie hier fündig:<br />

www.blauer-engel.de/uz155<br />

https://t1p.de/pd9hu<br />

https://t1p.de/5cdp6<br />

Autorin<br />

Dr. Kristin Stechemesser<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

“Ökodesign, Umweltkennzeichnung,<br />

Umweltfreundliche <strong>Beschaffung</strong>“<br />

Umweltbundesamt<br />

32 Kleine Kniffe<br />

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Advertorial<br />

Minihaus München optimiert den<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess mit Amazon Business<br />

Die heutigen Herausforderungen <strong>für</strong> Kitas sind vielfältig und anspruchsvoll. Insbesondere der<br />

anhaltende Fachkräftemangel setzt den Einrichtungen stark zu und ist ein weit verbreitetes<br />

Problem. Angesichts der Umstände fühlen sich einige Kitas dazu ermutigt, neue Ansätze <strong>für</strong> diese<br />

Probleme zu finden<br />

So auch das Minihaus München, das sich 1974 aus einer<br />

Elterninitiative gegründet hat und heute von 1.500 Kindern genutzt<br />

wird. Mit seinen acht Minihäusern, fünf Kinderhäusern, International<br />

Kids Campus und International Bilingual School ist Minihaus<br />

München eine renommierte Bildungseinrichtung.<br />

Im vergangenen Jahr – kurz vor der Eröffnung einer neuen<br />

Kita - erkannten die Verantwortlichen von Minihaus München<br />

das Verbesserungspotenzial in den Arbeitsabläufen der Einrichtung,<br />

vor allem in der Materialbeschaffung. Denn das Beschaffen von<br />

Produkten wie etwa Musikinstrumenten, Sportmatten oder Buntstiften<br />

erfordert Zeit, die die Mitarbeitenden zur Kinderbetreuung<br />

nutzen können. In einer Partnerschaft mit Amazon Business fand<br />

das Unternehmen innovative Lösungen <strong>für</strong> effiziente und <strong>nachhaltige</strong><br />

Materialbeschaffung.<br />

“Dank der Zusammenarbeit mit Amazon Business konnten wir<br />

unseren <strong>Beschaffung</strong>sprozess deutlich optimieren”, sagt Jacqueline<br />

Gröger-Eckerl, stellvertretende Geschäftsführerin von Minihaus<br />

München.<br />

Die Kooperation mit Amazon Business ermöglicht Minihaus<br />

München, den Überblick über <strong>Ausgabe</strong>n und Einkaufsgewohnheiten<br />

zu behalten und Zeit zu sparen. Zentral festgelegte <strong>Beschaffung</strong>srichtlinien<br />

ermöglichen eigenständige Einkäufe innerhalb der<br />

Einkaufsrichtlinien. Außerdem erleichtert das Amazon Business<br />

1-Kreditor Modell die Rechnungsabwicklung bei verschiedenen<br />

Lieferanten.<br />

Die <strong>für</strong> Kindergärten benötigten Produkte müssen strengen<br />

Vorgaben entsprechen. Dadurch, dass alle Mitarbeitenden bei Minihaus<br />

München auf die gleichen Produkte zugreifen, erleichtert das<br />

die Betriebsabläufe, die Genehmigungsverfahren und somit den<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess insgesamt. So können sich die Betreuer:innen<br />

noch stärker auf ihre eigentliche Aufgabe, die Kinder, konzentrieren.<br />

Die Partnerschaft zwischen Amazon Business und Minihaus<br />

München zeigt, wie innovative <strong>Beschaffung</strong>slösungen die Kinderbetreuung<br />

verbessern können. Effiziente Prozesse entlasten Kitas<br />

und schaffen ein besseres Arbeitsumfeld <strong>für</strong> Erzieher:innen.<br />

Kleine Kniffe<br />

33<br />

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Zukunft der Kreislaufwirtschaft<br />

Vom Abfall zur Ressource: Mit Recycling<br />

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit verbinden<br />

Wussten Sie, dass wir derzeit die Ressourcen von 1,7 Erden verbrauchen? In diesem Jahr haben wir bereits<br />

am 2. August den Tag überschritten, an dem die menschliche Nachfrage nach natürlichen Ressourcen die<br />

Menge übersteigt, die die Erde in diesem Jahr regenerieren und nachhaltig bereitstellen kann. Eine zentrale<br />

Lösung, um diesen sogenannten Earth Overshoot Day ans Ende des Kalenders zu verschieben, besteht in<br />

den Möglichkeiten der Circular Economy.<br />

Ein Beitrag von:<br />

Emanuel Chibesakunda, Simon Kehrer, Ferdinand Pohl, Elisa Osoria Ehrlich, Anselm von Urach<br />

Möglichkeiten und Herausforderungen der<br />

Kreislaufwirtschaft in Kommunen und lokalen<br />

Unternehmen<br />

Im Gegensatz zum linearen Modell, bei dem Produkte nach<br />

Gebrauch weggeworfen werden, liegt der Fokus der Circular Economy<br />

darauf, diese möglichst lange zu nutzen und im Kreislauf zu<br />

halten. Dies gelingt durch die Reduzierung des Materialeinsatzes,<br />

Wiederverwendung, Aufbereitung von Produkten und Recycling<br />

und hilft so, Ressourcen zu schonen und CO 2<br />

-Emissionen zu senken.<br />

In der Politik hat sich die Circular Economy längst Gehör verschafft:<br />

Die EU hat in ihrem Aktionsplan von 2020 Maßnahmen der<br />

Circular Economy formuliert, um die <strong>nachhaltige</strong> Transformation<br />

voranzutreiben. In Deutschland wurde im Laufe dieses Jahres die<br />

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie veröffentlicht mit dem Ziel,<br />

Circular-Economy-Aktivitäten in den Branchen von Kunststoffen<br />

über Textilien und Fahrzeuge bis hin zu Gebäuden und Elektrogeräten<br />

zu verwirklichen. Damit soll der primäre Rohstoffverbrauch<br />

gesenkt und eine sichere und <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> gewährleistet<br />

werden.<br />

Klar ist: Die Art und Weise, wie wir Wirtschaft verstehen, unterliegt<br />

einem stetigen Änderungsprozess. Unternehmer müssen sich<br />

jetzt Gedanken darüber machen, wie sie ihr Unternehmen in zehn<br />

Jahren führen möchten und heute den Grundstein <strong>für</strong> die Transformation<br />

legen. Mit den ambitionierten Circular-Economy-Zielen der<br />

EU und des Bundes muss die Integration dieser in den Kommunen<br />

und Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil sein.<br />

Kein Müll:<br />

Recycling statt Verbrennen von Kunststoffen<br />

Derzeit werden etwa 64 Prozent der in Deutschland anfallenden<br />

Kunststoffabfälle verbrannt. Dies stellt eine enorme Verschwendung<br />

von Rohstoffen dar, da diese der Wirtschaft verloren gehen.<br />

Der globale Wert des Verlustes durch verbrannte Kunststoffabfälle<br />

beträgt laut der Ellen MacArthur Foundation jährlich etwa 80-120<br />

Mrd. USD. Anstatt Kunststoff aber als Abfälle zu betrachten und<br />

zu entsorgen, kann es in den Kreislauf zurückgeleitet und durch<br />

komplexe mechanische oder chemische Recyclingprozesse als neuer<br />

Rohstoff aufbereitet werden. Dadurch wird nicht nur die Menge des<br />

Kunststoffs verringert, der in terrestrische und marine Ökosysteme<br />

gelangt und <strong>für</strong> Bodenverschmutzung und Einfluß auf Ökosysteme<br />

sorgt. Gleichzeitig können dadurch CO 2<br />

-Emissionen reduziert<br />

34 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

werden. Für Kommunen hätte das vor allem einen wirtschaftlichen<br />

Vorteil: Der Preis <strong>für</strong> die Verbrennung von Kunststoffabfall<br />

in Müllverbrennungsanlagen wird zum Jahr 2026 auf 65 Euro pro<br />

Tonne CO 2<br />

(entspricht in etwa einer Tonne Abfall) ansteigen und<br />

somit zu einem erhöhten Kostenfaktor <strong>für</strong> Privathaushalte und<br />

Unternehmen. Außerdem sind die EU-Mitgliedsstaaten durch die<br />

EU-Plastikabgabe dazu verpflichtet, pro Kilogramm nicht recycelten<br />

Kunststoffabfalls 80 ct an die EU zahlen.<br />

Deutschland ist Spitzenreiter in der Abfallproduktion und gab<br />

in den vergangenen Jahren ca. 1,4 Mrd. Euro als Plastikabgabe an<br />

die EU ab. Zurzeit wird diese noch aus allgemeinen Steuergeldern<br />

beglichen, sodass Unternehmen davon wenig betroffen sind. Ab<br />

2025 werden allerdings auch Hersteller von Einwegplastikprodukten<br />

in die Verantwortung gezogen und müssen je Produktart bestimmte<br />

Beträge in den Einwegkunststofffonds einzahlen.<br />

Vor allem Kommunen haben Handlungsbedarf: Um<br />

Recyclingprozesse effizient gestalten und die Verbrennung von<br />

Abfall vermeiden zu können, benötigt es deutschland- und europaweit<br />

eine grundlegende Infrastruktur. Erster Schritt ist es, im<br />

Umkreis der Kommunen lokale Sortieranlagen aufzubauen, in denen<br />

der Kunststoffabfall zusammengeführt und sortiert wird.<br />

Sollte sich die Verbrennung von Kunststoff gar nicht vermeiden<br />

lassen, kann die Abwärme aus den Verbrennungsprozessen<br />

idealerweise als Fernwärme <strong>für</strong> zivile und industrielle Netze genutzt<br />

werden. Dadurch können Recyclingströme zugeordnet werden.<br />

Von dort aus kann der Kunststoffabfall an Recyclingunternehmen<br />

weiterverkauft werden. Im Optimalfall schaffen diese mithilfe spezialisierter<br />

Recyclinganlagen eine möglichst reine Aufbereitung des<br />

Kunststoffs. Schließlich wird das recycelte Plastik als Rohstoff <strong>für</strong><br />

die Herstellung neuer Produkte an die produzierenden Unternehmen<br />

weitertransportiert. Je kürzer die Transportwege zwischen den<br />

Standorten sind, desto günstiger und umweltfreundlicher gestaltet<br />

sich der Prozess.<br />

Vor allem kleinere Unternehmen und Start-ups profitieren von<br />

den Möglichkeiten der Circular Economy in der Kunststoffbranche.<br />

Während der klassische Chemie- und Recyclingmarkt von wenigen<br />

großen Unternehmen dominiert wird, können Startups durch innovative<br />

Technologien und Ideen in der Branche Fuß fassen und den<br />

Markt gestalten.<br />

Kleine Kniffe<br />

35<br />

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Grafik: PwC Deutschland<br />

Mit Circular Economy<br />

Baustoffengpässe reduzieren<br />

Auch in der Baustoffindustrie stellt die Circular Economy eine<br />

vielversprechende Lösungsstrategie <strong>für</strong> einige Probleme dar. Die<br />

Herstellung von Baumaterialien und der Transport dieser tragen<br />

wesentlich zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Der Bausektor<br />

hat daran einen Anteil von 38 Prozent. Die EU geht davon<br />

aus, dass diese mithilfe der Circular Economy in diesem Sektor um<br />

80 Prozent gesenkt werden können und prognostiziert einen Anstieg<br />

des Marktes <strong>für</strong> recycelte Baumaterialien in Europa (siehe Grafik).<br />

Die vielfältigen Materialien, die beim Bau eingesetzt werden,<br />

sorgen außerdem <strong>für</strong> Ressourcenverknappung: Kies, Sand, Zement<br />

und Wasser werden verbraucht. Durch Lieferengpässe und Baustoffmangel<br />

können Bauunternehmen ihrer Tätigkeit nicht mehr<br />

uneingeschränkt nachkommen. Die Folge: Bauprojekte zögern<br />

sich hinaus. Dabei können die Ressourcen in der Region gehalten<br />

werden, wenn die jährlich durch Abriss verursachten 800 Millionen<br />

Tonnen Bauschutt durch Recycling in den Kreislauf zurückgeführt<br />

werden. Circular Economy schafft somit Planungssicherheit <strong>für</strong><br />

künftige Bauprojekte, da die Rohstoffe in der Region bleiben und<br />

die <strong>Beschaffung</strong> durch Verfügbarkeit und kürzere Transportwege<br />

vereinfacht wird.<br />

Die Herausforderung <strong>für</strong> Kommunen und Unternehmen besteht<br />

auch hier in der Umsetzung von Recycling-Maßnahmen. Der<br />

Circular Economy Action Plan (2020) der EU definiert <strong>für</strong> den Bausektor<br />

einen besonders hohen Handlungsbedarf. Kommunen und<br />

Unternehmen, die jetzt in die Infrastruktur <strong>für</strong> eine lokale Kreislauf-<br />

wirtschaft investieren, bereiten sich frühzeitig auf die kommenden<br />

nationalen regulatorischen Anforderungen vor und werden einen<br />

enormen Wettbewerbsvorteil haben, wenn diese in Kraft treten.<br />

Jetzt handeln: Investitionen in die Recycling-<br />

Infrastruktur <strong>für</strong> wirtschaftliche Vorteile<br />

Diese Beispiele aus der Kunststoff- und Bauindustrie zeigen,<br />

dass die frühzeitige Umsetzung von Circular-Economy-Maßnahmen<br />

wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen: sowohl Abgaben in<br />

Verbindung mit CO 2<br />

-Emissionen als auch Transport- und <strong>Beschaffung</strong>skosten<br />

neuer Rohstoffe können reduziert oder gar vermieden<br />

werden.<br />

Die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie ist also nicht<br />

nur ein Marketinginstrument, sondern eine fundierte wirtschaftliche<br />

Entscheidung, die <strong>für</strong> Unternehmen, Kommunen und Umwelt<br />

eine Bereicherung ist.<br />

Autor<br />

Emanuel Chibesakunda<br />

PwC Deutschland und Partner,<br />

Sustainability Services<br />

36 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_23_KMU.indd 36 11.10.23 06:51


“Kleine Kniffe” der nachhaltgen <strong>Beschaffung</strong><br />

Kapitel 2: Strategische IT-<strong>Beschaffung</strong> hilft Ihnen,<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Fortschritt zu erzielen<br />

Wie in jeder Branche sind Marktsignale von entscheidender Bedeutung, um IT-Marken zu helfen, zu<br />

verstehen, wo die Prioritäten liegen. Die <strong>nachhaltige</strong> IT-<strong>Beschaffung</strong> kann als strategisches Instrument<br />

genutzt werden, um die Entwicklung von <strong>nachhaltige</strong>ren Produkten und Geschäftsmodellen voranzutreiben.<br />

Ein Beitrag von Martin Eichenseder<br />

Zusammenfassung von Kapitel 1:<br />

Risiken aufgrund einer komplexen, schwer zu kontrollierenden Lieferkette<br />

Die meisten Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit entstehen in der komplexen und geografisch weit verzweigten Lieferkette<br />

von IT-Produkten. Die Zulieferer von Rohstoffen und Komponenten sind zahlreich und oft über mehrere Kontinente verteilt. Die<br />

Fabrik <strong>für</strong> die Endmontage, in der das Endprodukt hergestellt wird, ist selten im Besitz der IT-Marke. Stattdessen wird die Produktion<br />

an ausgewählte Fabriken ausgelagert, und diese Auswahl kann sich im Laufe der Zeit ändern. Diese Komplexität bedeutet,<br />

dass es schwierig ist, Einblicke zu gewinnen und Einfluss zu nehmen. Für ein einzelnes Unternehmen ist es nahezu unmöglich,<br />

die Nachhaltigkeitsrisiken bei der IT-<strong>Beschaffung</strong> allein zu bewältigen.<br />

Kapitel 1 wurde in der April <strong>Ausgabe</strong> der „Kleinen Kniffe“ <strong>2023</strong> veröffentlicht.<br />

In vielen Unternehmen steht Nachhaltigkeit heute ganz oben<br />

auf der Tagesordnung. Vorrangig geht es oft darum, negative Auswirkungen<br />

des Kerngeschäfts zu verringern. Indirekte soziale und<br />

ökologische Auswirkungen sind jedoch oft weitaus bedeutender als<br />

diejenigen, die sich aus dem Kerngeschäft ergeben. Die <strong>Beschaffung</strong><br />

kann ein sehr nützliches Mittel sein, um die Nachhaltigkeitsagenda in<br />

Ihrem Unternehmen voranzubringen. Ein strategisches, <strong>nachhaltige</strong>s<br />

<strong>Beschaffung</strong>swesen kann dazu beitragen, Ihre Nachhaltigkeitsarbeit<br />

solider zu gestalten, und ermöglicht es Ihnen, eine starke Marke bei<br />

Mitarbeitern und externen Stakeholdern aufzubauen.<br />

Die Nachfrage der Abnehmer treibt die<br />

Industrie an<br />

IT-Marken führen Veränderungen oft als direkte Reaktion auf<br />

die Absichten des Marktes durch. Auch wenn die IT-Branche in den<br />

letzten Jahren ihre Ambitionen in Bezug auf Nachhaltigkeit erhöht<br />

hat, sind die Risiken nach wie vor hoch. Viele Marken warten auf die<br />

Nachfrage der Einkäufer, bevor sie größere Schritte in die richtige<br />

Richtung unternehmen. Indem Sie relevante Nachhaltigkeitskriterien<br />

einbeziehen und ihnen im <strong>Beschaffung</strong>sprozess genügend<br />

Gewicht verleihen, können Sie dazu beitragen, die Branche in eine<br />

<strong>nachhaltige</strong> Richtung zu lenken.<br />

Festlegung der richtigen Kriterien<br />

Die Einbeziehung umfassender, anspruchsvoller ökologischer<br />

und sozialer Nachhaltigkeitskriterien in die <strong>Beschaffung</strong> kann Ihrem<br />

Unternehmen helfen, seine Klimabilanz und andere Umweltauswirkungen<br />

zu verringern und soziale Risiken in der Lieferkette zu<br />

vermeiden. Zirkuläre Kriterien können Ihnen auch helfen, Kosten<br />

zu senken und den Gesamtwert Ihrer IT-Nutzung zu verbessern.<br />

Im Kapitel 3 wird es um Vermeidung von greenwash und<br />

bluewash in der IT-Verwaltung und Berichterstattung gehen.<br />

Kapitel 3 wird in der April <strong>Ausgabe</strong> der „Kleinen Kniffe“ <strong>2023</strong>4<br />

veröffentlicht.<br />

Autor:<br />

Martin Eichenseder<br />

Geschäftsführer<br />

TCO Certified<br />

martin.eichenseder@<br />

tcodevelopment.com<br />

Kleine Kniffe<br />

37<br />

Kleine_Kniffe_10_23_KMU.indd 37 11.10.23 06:51


Change Management<br />

Qualifizierung als Schlüssel <strong>für</strong> Zukunftsfähigkeit<br />

In einer Zeit, in der sich die <strong>Beschaffung</strong>slandschaft so dynamisch verändert wie nie zuvor, steht<br />

die Fachabteilung <strong>Beschaffung</strong> vor der Herausforderung, stets auf dem neuesten Stand zu bleiben<br />

Die erfolgreiche Transformation zu einer <strong>nachhaltige</strong>ren Wirtschaftsweise bedarf einer Denk- und<br />

Lernrevolution. Es hat sich ein riesiger Weiterbildungsbedarf aufgetürmt und anders als bei der<br />

Digitalisierung sollte frühzeitig in die umfangreiche und qualifizierte Aus- und Weiterbildung der<br />

Mitarbeitenden investiert werden.<br />

Ein Beitrag von Monika Kolb<br />

Wie wird ein Unternehmen <strong>nachhaltige</strong>r? Wie können Produkte<br />

und Dienstleistungen so entwickelt und hergestellt werden, dass<br />

sie Mehrwert schaffen? Und wann ist etwas eigentlich <strong>nachhaltige</strong>r<br />

und <strong>für</strong> wen?<br />

Diese Fragen stellen sich Land ab und Land auf die meisten mittelständischen<br />

Unternehmen. Was ist Nachhaltigkeit? Welche Rolle<br />

hat Nachhaltigkeit <strong>für</strong> uns? Und wie können wir neue Geschäftsfelder,<br />

Kunden und weitere Wachstumschancen mit <strong>nachhaltige</strong>n<br />

Lösungen erschließen?<br />

Unternehmen wollen sich verändern und wollen nachhaltig<br />

erfolgreich wirtschaften. Nur wissen die meisten noch nicht wie<br />

dies genau geht.<br />

Übung<br />

Nehmen Sie ein DIN 4 Blatt und legen Sie es quer vor sich.<br />

Schreiben Sie in die Mitte das Wort NACHHALTIGKEIT. Stellen<br />

Sie einen Timer auf 90 Sekunden und schreiben sie in dieser Zeit<br />

alle Gedanken und Assoziationen zum Wort Nachhaltigkeit auf<br />

das Blatt, die Ihnen einfallen. Schauen Sie sich diese Assoziationen<br />

an, was sagen sie über Ihr Verständnis von Nachhaltigkeit aus?<br />

Wie können Mitarbeitende das Unternehmen auf einen <strong>nachhaltige</strong>ren<br />

Gesamtpfad bringen, wenn sie noch keine Ideen in Ihren<br />

Köpfen haben, wie <strong>nachhaltige</strong>s Wirtschaften funktionieren soll<br />

und zweifeln, ob es überhaupt funktionieren kann? Wie kann etwas<br />

gedacht werden, was nicht im Kopf ist? – Richtig. Es kann nicht<br />

gedacht werden, was nicht im eigenen Kopf ist.<br />

<strong>Das</strong> <strong>nachhaltige</strong> Wirtschaften bisher nicht in den Köpfen der<br />

Mitarbeitenden vorhanden ist, ist mehr als verständlich, denn in<br />

der klassischen kaufmännischen Ausbildung /bzw. Studium sind<br />

unternehmerische Nachhaltigkeitsthemen nicht Bestandteil des Lehrplans<br />

oder Curriculums gewesen. Sie sind. allenfalls als Zusatzkurs<br />

oder als Randnotiz behandelt worden. Der Fokus einer klassischen<br />

kaufmännischen Ausbildung hatte und hat zum Großteil auf der<br />

ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit gelegen. Während<br />

Nachhaltigkeit in den populären Medien hauptsächlich als ökologisch<br />

und kurzfristig dargestellt wird.<br />

Nachhaltiges Wirtschaften hat neben der ökonomischen auch<br />

die soziale und ökologische Dimension und strebt danach in dem<br />

Zusammenspiel aller drei Dimensionen mehr Wertschöpfung <strong>für</strong><br />

Mensch, Natur und Wirtschaft zu erreichen.<br />

Damit ein unternehmerisches Nachhaltigkeitsverständnis<br />

Einzug in die Unternehmen erhalten kann, wird es zuerst in die<br />

Köpfe der Mitarbeitenden verankert werden müssen. Denn es kann<br />

nur gedacht werden, was bereits im Kopf vorhanden ist. Was nicht<br />

dort ist, gibt es nicht und kann somit auch nicht den Weg in die<br />

strategischen und operativen Tätigkeiten des Unternehmens finden.<br />

Also müssen neue Inhalte, Business Cases, Ideen, Konzepte<br />

und Methoden erst einmal Einzug in die Köpfe der Manager und<br />

Managerinnen finden. Hierzu eigenen sich Fachkonferenzen,<br />

Austauschformate, Bücher und als ersten Schritt natürlich eine<br />

strukturierte Weiterbildung. Denn diese schafft eine solide Grundarchitektur,<br />

an welcher sich alle weiteren Themen systematisch<br />

andocken können.<br />

38 Kleine Kniffe<br />

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Foto:depositphotos<br />

Glücklicherweise sind seit der Jahrhundertwende zahlreiche<br />

hochqualitative Aus- und Weiterbildungen entstanden. Als Formate<br />

stehen ganze Studiengänge wie beispielsweise an der Hochschule<br />

<strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> Entwicklung Eberswalde, der Leuphana Universität<br />

Lüneburg oder der Ecosign in Köln zur Verfügung. Realistischerweise<br />

können jedoch die wenigsten Unternehmen einen Mitarbeiter<br />

<strong>für</strong> mehrere Jahre zu einem Studium schicken. Hier eignen sich dann<br />

berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungen mit starkem Praxisbezug.<br />

Hier stehen Managern Fernkurse, Video-on-Demand Kurse,<br />

Präsenzworkshops und synchrone digitale Angebote zur Verfügung.<br />

Sowohl bei Fernkursen als auch bei Video-on-demand Kursen besticht<br />

die freie Zeiteinteilung sowie die Komprimierung der Inhalte.<br />

Jedoch kommen hier Austausch zwischen den anderen Teilnehmenden<br />

sowie Interaktion mit den Dozenten und Fragen meist zu<br />

kurz. In Präsenzworkshops und synchronen digitalen Angeboten<br />

wie beispielsweise bei in der Haufe Akademie oder dem „Sustainability<br />

Transformation Manager“ der transformation academy wir<br />

dem Austausch, selber Denken und selber machen deutlich mehr<br />

Zeit gegeben. So wird beim Sustainability Transformation Manager<br />

die Hälfte der Zeit an der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie <strong>für</strong> das<br />

Unternehmen gearbeitet, während die anderen 50% Wissensvermittlung<br />

gewidmet sind. So erhalten die Teilnehmenden nicht nur<br />

das nötige Wissen, sondern arbeiten im direkten Schulterschluss<br />

bereits daran ihr Unternehmen auf einen <strong>nachhaltige</strong>ren Gesamtpfad<br />

zu bringen.<br />

Top 5 Tipps<br />

• Ermöglichen Sie den wichtigsten Mitarbeitern eine<br />

solide Grundqualifikation zum Thema CSR, Nachhaltiges<br />

Wirtschaften.<br />

• Suchen Sie eine Weiterbildung, in der die Dozenten/ Trainer<br />

sowohl Praxis als auch Lehrerfahrung haben.<br />

• Die meisten Menschen lernen am besten von und mit anderen<br />

Menschen, die besten Lernresultate werden in Präsenz- und<br />

hybriden/ digitale synchronen Weiterbildungen erreicht. Die<br />

Kombination aus Inhalten, attraktiver Didaktik, Möglichkeiten<br />

zum Austausch und Netzwerkanbindung/Mentoring zeigt sich<br />

hier am wertvollsten.<br />

• Arbeiten Sie kontinuierlich an Ihrem eigenen Wissensnetz,<br />

indem Sie den Austausch mit anders Denkenden suchen und<br />

sich Netzwerken anschließen.<br />

• Erarbeiten Sie ganz gezielt ihr eigenes Nachhaltigkeitsverständnis<br />

als Unternehmen<br />

Autorin<br />

Monika Kolb<br />

Gründerin transform academy<br />

transform-academy.de<br />

Kleine Kniffe<br />

39<br />

Kleine_Kniffe_10_23_KMU.indd 39 11.10.23 06:51


Methoden des Change Management<br />

Wie wird man<br />

eine unternehmerische Führungskraft?<br />

In einer „unternehmerischen Gesellschaft“ sind Innovation und Unternehmertum ein natürlicher<br />

Bestandteil der täglichen Arbeit aller Führungskräfte in allen Organisationen. Wir alle müssen<br />

lernen, wie Unternehmer zusammenzuarbeiten - proaktiv, auf neuen Ebenen, mit ganz<br />

unterschiedlichen Partnern, agiler und tiefer als bisher. Tapios Peltonen weltweit einzigartige<br />

Entwicklungsmethode fordert Unternehmensleiter mit echten Startup-Fällen heraus. Er arbeitet<br />

mit den besten Führungskräften der größten europäischen Unternehmen zusammen, die ihre<br />

Wachstumsmentalität entwickeln wollen.<br />

Ein Beitrag von Tapio Peltonen<br />

Um zu überleben, ist eine gesunde Dosis an unternehmerischem<br />

Denken und Können in der gesamten Gesellschaft, in allen Organisationen<br />

und in allen Funktionen erforderlich. In der Tat brauchen wir<br />

eine “unternehmerische Gesellschaft”, wie sie Peter Drucker bereits<br />

1985 vorschwebte.<br />

<strong>Das</strong> Ausmaß der Herausforderungen und das Tempo des<br />

Wandels übersteigen die alten Formen der Innovation. Unternehmerische<br />

Führungskräfte werden benötigt, um die “Handlungslücke”<br />

zwischen den technologischen Möglichkeiten und der Wirtschaft<br />

zu schließen und Erfindungen in Lösungen, echte Geschäfte und<br />

Auswirkungen zu verwandeln.<br />

“Unternehmerisches Einfühlungsvermögen”<br />

<strong>für</strong> nahtlose Zusammenarbeit<br />

Offene und strategische Zusammenarbeit ist der Schlüssel zum<br />

unternehmerischen Erfolg. “Unternehmertum ist von Natur aus<br />

ein kollaborativer und sozialer Prozess. Es geht darum, gemeinsam<br />

ein Objekt zu schaffen und die Ressourcen engagierter Beteiligter<br />

zu bündeln”, sagt Professor Saras D. Sarasvathy, der untersucht hat,<br />

was Unternehmer zu Unternehmern macht.<br />

Die besten Unternehmer sind flexible Kollaborateure. <strong>Das</strong> liegt<br />

nicht an irgendeiner modischen Management-Mode (hat jemand<br />

“Ökosystem” gesagt?), sondern einfach daran, dass Unternehmer<br />

Zugang zu den Ressourcen anderer brauchen. Angesichts der Globalisierung<br />

und der technologischen Entwicklung, der Verschiebung<br />

der Branchengrenzen, haben selbst die größten Unternehmen die<br />

gleichen Bedürfnisse. Eine radikale Zusammenarbeit setzt voraus,<br />

dass man über die eigenen engen Interessen hinausblickt und <strong>für</strong><br />

beide Seiten vorteilhafte Wachstumsprojekte entwickelt. Wir<br />

brauchen eine Art “geschäftliches Einfühlungsvermögen”, um die<br />

Bedürfnisse und Strategien des potenziellen Partners zu verstehen.<br />

Die Lehre daraus ist, dass erfolgreiche Unternehmer die Entwicklung<br />

einer <strong>für</strong> beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit meistern<br />

müssen. Dies geschieht durch echtes Interesse, Einfühlungsvermögen<br />

gegenüber dem potenziellen Partner und Verständnis da<strong>für</strong>, wie<br />

man die gemeinsame Zukunftsvision in praktische Schritte hier und<br />

jetzt umsetzt. Die meisten würden davon profitieren, diese Kooperationen<br />

aus der Sicht anderer Unternehmen zu planen.<br />

Als Ausgangspunkt müssen Sie auch Ihre eigene Strategie und<br />

Ihre zukünftigen strategischen Optionen genau verstehen. Eine<br />

wirksame externe Zusammenarbeit in Bezug auf Neues und Innovatives<br />

erfordert daher eine interne Zusammenarbeit über Silos<br />

hinweg.<br />

Daher ist die Strategiearbeit eines Start-ups erstaunlich ganzheitlich.<br />

In großen Unternehmen haben erfahrene Spezialisten<br />

meist den Luxus, sich auf einen bestimmten Aspekt des Geschäfts<br />

zu konzentrieren. Im Gegensatz dazu teilt sich in einem Startup das<br />

Team die strategische Führung, die Rollen sind fließend und überschneiden<br />

sich.<br />

Startups nicht imitieren,<br />

sondern von ihnen lernen<br />

Startups haben Vorteile, aber auch sie sind nicht gerade optimale<br />

Organisationen, um etwas völlig Neues zu erforschen: Sie sind<br />

in der Regel personell unterbesetzt und haben nur sehr begrenzte<br />

40 Kleine Kniffe<br />

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Foto: Heini Karppinen<br />

Ressourcen und Zugang zu Kunden und Partnern.<br />

Daher sollten wir nicht versuchen, große Unternehmen in<br />

(große) Startups zu verwandeln, noch sollten wir versuchen, alle<br />

Manager dazu zu bringen, sich wie Startup-Unternehmer zu verhalten.<br />

<strong>Das</strong> ist nicht der richtige Weg.<br />

Richtig ist jedoch, dass jede Führungskraft wissen muss, wie<br />

man mit unternehmerisch denkenden und handelnden Personen<br />

zusammenarbeitet, unabhängig davon, ob sie sich innerhalb oder<br />

außerhalb der eigenen Organisation befinden. Jede Führungskraft<br />

muss wissen, wie sie anderen helfen kann, sich zu entfalten.<br />

Dieser Schritt setzt voraus, dass man das gesamte Unternehmen<br />

und das Geschäftssystem, in dem es arbeitet, im Blick hat; dass man<br />

zusammenarbeitet und Strategien durch andere, andere Menschen<br />

in die Tat umsetzt. Einige Psychologen bezeichnen dies als Entwicklung<br />

zu einem interdependenten Mitarbeiter, der in der Lage<br />

ist, mehrere Perspektiven einzunehmen, langfristig zu denken und<br />

Systeme und Verbindungen zu sehen (vgl. „vertikale Entwicklung“).<br />

<strong>Das</strong> klingt alles sehr nach Unternehmertum, das sich das Ziel<br />

setzt, etwas wirklich Neues, noch Unbekanntes aufzubauen.<br />

herauszukommen und mit etwas anderem, aber relevantem zu arbeiten.<br />

<strong>Das</strong> ist ein echter Anstoß <strong>für</strong> neue Denkansätze.<br />

Zweitens geht es beim Unternehmertum darum, etwas zu tun,<br />

also ermutigen Sie die Menschen, über das hinaus zu experimentieren,<br />

was heute getan wird, neue Bereiche und Wege zum Wachstum<br />

zu testen. Drittens: Unternehmer fordern und geben Unterstützung.<br />

Unterstützen Sie Ihre Führungskräfte und fordern Sie sie auf,<br />

unternehmerisches Verhalten, Experimente und Bemühungen zu<br />

unterstützen - vor allem, wenn sie scheitern. Schließlich sollten Sie<br />

die geleistete Unterstützung und die Bemühungen um Experimente<br />

systematisch anerkennen.<br />

Beginnen Sie also damit, Ihr Büro zu verlassen, arbeiten Sie<br />

direkt mit Unternehmern zusammen, unterstützen Sie sie, investieren<br />

Sie, finden Sie Möglichkeiten <strong>für</strong> Pilotprojekte - lernen Sie mit<br />

und von ihnen. Finden Sie die unternehmerischen Führungskräfte<br />

in Ihren Partnerunternehmen und innerhalb Ihrer eigenen Organisation.<br />

Arbeiten Sie zusammen und lernen Sie. Ich bin überzeugt,<br />

dass wir die unternehmerische Gesellschaft zu einer Realität und zu<br />

einem wichtigen Eckpfeiler <strong>für</strong> ein wohlhabendes Europa machen<br />

können.<br />

Rausgehen,<br />

um von außen nach innen zu sehen<br />

Wie kann man mehr unternehmerische Initiative zeigen? Die<br />

kurze Antwort <strong>für</strong> das Topmanagement ist vierfach: Erstens: Bringen<br />

Sie Ihre Führungskräfte dazu, aus ihrem gewohnten Umfeld<br />

Autor<br />

Tapio Peltonen<br />

Geschäftsführer<br />

EEX – Entrepreneurship Exchange<br />

https://www.linkedin.com/in/tapiopeltonen-/<br />

Kleine Kniffe<br />

41<br />

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Aus nationalen Kompetenzstellen der <strong>Beschaffung</strong><br />

Gemeinsame Bund-Länder-<br />

Fortbildungsinitiative <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong><br />

Am 24. Mai <strong>2023</strong> war es endlich soweit: Der Start der „Gemeinsamen Bund-Länder-<br />

Fortbildungsinitiative <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>“ mit der Beteiligung von Bund sowie den vier<br />

Bundesländern Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und der Hansestadt Hamburg ist<br />

erfolgt. <strong>Das</strong> Ziel ist es, Nachhaltigkeit in der <strong>Beschaffung</strong> durch Schulungen voranzubringen und<br />

dem Anspruch „Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> ist das neue Normal“ gerecht zu werden. Koordiniert<br />

wird die Initiative durch eine im Aufbau befindliche Geschäftsstelle bei der Kompetenzstelle <strong>für</strong><br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> (KNB) des <strong>Beschaffung</strong>samtes des BMI.<br />

Ein Beitrag von Kathrin Maier<br />

Was ist die Fortbildungsinitiative?<br />

Mit der neuen Fortbildungsinitiative soll unter anderem dem<br />

gestiegenen Bedarf an Schulungen der Länder und Kommunen<br />

Rechnung getragen werden. <strong>Das</strong> Ziel der Fortbildungsinitiative<br />

ist ein breites und gezieltes Angebot an Fortbildungen. Dies wird<br />

durch ein<br />

Train-the-<br />

Trainer-<br />

Konzept<br />

ermöglicht.<br />

Durch das<br />

Train-the-<br />

Trainer-<br />

Konzept<br />

befähigte<br />

Trainerinnen und Trainer können beispielsweise auch speziell<br />

auf die Bedürfnisse der Länder eingehen, die in einigen Bereichen<br />

etwas anders sind als bei Bundesbehörden. Dadurch sollen die<br />

<strong>Beschaffung</strong>sstellen dabei unterstützt werden, Nachhaltigkeit in<br />

der <strong>Beschaffung</strong> zum gelebten Alltag werden zu lassen.<br />

Wie wird die Fortbildungsinitiative bei der KNB<br />

umgesetzt?<br />

Die einzelnen Schulungen in den Ländern werden selbstständig<br />

in den Bundesländern geplant, organisiert und umgesetzt. Alle<br />

gemeinsamen Aktivitäten sollen über die im Aufbau befindliche<br />

Geschäftsstelle koordiniert werden, beispielsweise die Inhalte der<br />

Fort- und Weiterbildungen zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>, die<br />

gemeinsame Kommunikation sowie die Weiterentwicklung von<br />

Fortbildungsmaterialien.<br />

Für die KNB ist die Koordinierung der Länder im Bereich<br />

Schulungen ein komplett neues Aufgabenfeld. Bisher wurden ein<br />

jährliches Treffen zwischen Bund und Ländern sowie Schulungen<br />

auf Einzelanfragen<br />

durchgeführt<br />

und<br />

fachliche<br />

Anfragen<br />

individuell<br />

beantwortet.<br />

Durch das große Netzwerk und die Expertise auf dem Themengebiet<br />

Schulungen zur <strong>nachhaltige</strong>n öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> ist es<br />

naheliegend, die Koordinierung der Fortbildungsinitiative in Form<br />

einer Geschäftsstelle bei der KNB einzurichten. Fortan laufen also<br />

alle Aktivitäten über diese Geschäftsstelle bei der KNB unter einem<br />

da<strong>für</strong> entworfenen Logo der Fortbildungsinitiative.<br />

Umsetzung durch das Land NRW<br />

Nachfolgend der Stand der Umsetzung in NRW von Frau<br />

Annette Schmidt vom Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz<br />

und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

42 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

Was erwartet NRW von der gemeinsamen<br />

Fortbildungsinitiative?<br />

Wir in Nordrhein-Westfalen freuen uns sehr, dass wir von<br />

Beginn an Teil der Fortbildungsinitiative sind. Es ist eine wichtige<br />

Aufgabe, den Einkauf in Nordrhein-Westfalen fortzuentwickeln<br />

und Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibungen fest zu verankern.<br />

Hierbei wollen wir die Beschafferinnen und Beschaffer aktiv unterstützen<br />

und sie ermuntern, ihre Ausschreibungspraxis dahingehend<br />

auszurichten. Je mehr Vergabestellen geschult sind und Nachhaltigkeit<br />

zum neuen Normal wird, desto verlässlicher und attraktiver ist<br />

es auch <strong>für</strong> Unternehmen, sich als Bieter mit <strong>nachhaltige</strong>n Produkten<br />

in Nordrhein-Westfalen an Ausschreibungen zu beteiligen.<br />

Wie geht NRW an die Umsetzung heran?<br />

In einem ersten Schritt sprechen wir erfahrene Beschafferinnen<br />

und Beschaffer des Landes an und möchten sie motivieren,<br />

als Trainerin oder Trainer die Fortbildungsinitiative mitzutragen.<br />

Spaß am <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf und dieses Wissen aktiv zu teilen ist<br />

eine wichtige Motivation. Natürlich sind auch kommunale Beschaffer<br />

kommunale Beschafferinnen und willkommen. Wir machen<br />

uns auch Gedanken, wie wir ganz konkret Schulungen umsetzen<br />

werden. Hierzu gibt es vielfältige Fragestellungen, die wir derzeit<br />

klären. Unser Ziel ist es, praxisnahe Schulungen, vor allem auch den<br />

Kommunen in Nordrhein-Westfalen, anzubieten.<br />

Die KNB freut sich auf die Koordinierung der gemeinsamen<br />

Fortbildungsinitiative und wir wünschen uns, dass weitere<br />

interessierte Bundesländer Teil der gemeinsamen Fortbildungsinitiative<br />

werden und stehen <strong>für</strong> Fragen über die bekannten Kanäle<br />

zur Verfügung.<br />

Weitere Informationen<br />

Über unsere Webseite www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.<br />

info finden Sie darüber hinaus noch weitere<br />

Informationen zum Thema <strong>nachhaltige</strong> öffentliche<br />

<strong>Beschaffung</strong>.<br />

Kompetenzstelle <strong>für</strong> Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> (KNB)<br />

Hotline: +49 (0)22899 610-2345<br />

Email: nachhaltigkeit@bescha.bund.de<br />

Autorin<br />

Kathrin Maier<br />

Kompetenzstelle <strong>für</strong> Nachhaltige<br />

<strong>Beschaffung</strong> (KNB)<br />

Kleine Kniffe<br />

43<br />

Kleine_Kniffe_10_23_KMU.indd 43 11.10.23 06:51


CSR-Berichterstattung<br />

Schritt <strong>für</strong> Schritt zum Nachhaltigkeitsbericht<br />

Haben Sie schon mal einen Berg bestiegen? Mit Sicherheit haben Sie dabei auch schon einige<br />

Strapazen auf sich genommen. Doch angekommen am Ziel, weiß man: Die Mühe hat sich<br />

doch gelohnt! So ähnlich geht es manchem Unternehmen auch bei der Erarbeitung eines<br />

Nachhaltigkeitsberichtes.<br />

Ein Beitrag von Stefi Schrod<br />

Zuerst steht ein großer Berg an Arbeit an. Man muss sich intensiv<br />

mit der eigenen Wertschöpfungskette und dem Arbeitsumfeld<br />

der Mitarbeitenden auseinandersetzen, Daten zum Verbrauch von<br />

Ressourcen sammeln und aufbereiten. Doch es sprechen gute Gründe<br />

da<strong>für</strong>, sich dieser Arbeit zu stellen: die Sicherung von zukünftigen<br />

Aufträgen, besseren Kreditrahmenbedingungen<br />

oder die Gewinnung und Bindung gut ausgebildeter<br />

Fachkräfte. Bei einigen Unternehmen sind<br />

es Schlüsselerlebnisse, wie beispielsweise die<br />

angeschwemmten Plastiktüten im Badeurlaub,<br />

die ein stärkeres Bewusstsein da<strong>für</strong> auslösen, die<br />

Umweltwirkungen des eigenen Betriebes unter die<br />

Lupe zu nehmen. Andere werden eher „motiviert“<br />

durch Anforderungen potenzieller Auftrag- und<br />

Kapitalgeber, sich mit der Nachhaltigkeit in ihrem<br />

Unternehmen auseinanderzusetzen. So oder so,<br />

die große Herausforderung – ähnlich wie beim<br />

Bergsteigen – besteht darin, erstmal aufzubrechen.<br />

Mit dem Nachhaltigkeits-Navigator Handwerk wurde bereits<br />

vor einigen Jahren ein kostenloses, digitales Management-Instrument<br />

entwickelt, das Handwerksbetriebe dabei unterstützt, ihren<br />

Betrieb nachhaltig auszurichten und einen Nachhaltigkeitsbericht<br />

Schritt <strong>für</strong> Schritt zu erstellen. Er stützt sich auf die offiziellen Kriterien<br />

des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) – ein international<br />

anerkannter Standard <strong>für</strong> Nachhaltigkeitsberichte. Nutzerinnen und<br />

Nutzer können mit Hilfe des Navigators ihre <strong>betriebliche</strong> Bestandssituation<br />

erfassen und eine persönliche Nachhaltigkeitsstrategie<br />

entwickeln. <strong>Das</strong> digitale Management-Instrument wurde von der<br />

Zentralstelle <strong>für</strong> Weiterbildung im Handwerk (ZWH) in enger<br />

Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus der Handwerksorganisation<br />

entwickelt.<br />

Eine effiziente und schonende Inanspruchnahme natürlicher<br />

Ressourcen ist ein wichtiger Hebel im <strong>nachhaltige</strong>n Management<br />

eines Betriebes. Deshalb ist man gut beraten, die Ressourcenverbräuche<br />

zu kennen, um Effizienzmaßnahmen abzuleiten und<br />

letztlich auch umzusetzen.<br />

Da<strong>für</strong> eignet sich das digitale E-Tool der vom BMWK<br />

geförderten Mittelstandsinitiative Energiewende und<br />

Klimaschutz (MIE). Es ist ein kostenfreies Webportal<br />

zur strukturierten Erfassung und zentralen Sammlung<br />

aller wichtigen <strong>betriebliche</strong>n Energiedaten. Für Gewerke<br />

mit hohem Energieverbrauch, z.B. Metallbau, Tischleroder<br />

Friseurhandwerk, bietet das Energie-Cockpit eine<br />

automatisierte Darstellung von Verbrauchsgrafiken und<br />

einen gewerkespezifischen Betriebsvergleich.<br />

Vielfältige Zusatztools, z.B. zu Mehrkosten der<br />

CO 2<br />

-Bepreisung, aber auch Förderinformationen und ein vollwertiger<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck (GHG Scope 1, 2 und 3) bieten dem<br />

Unternehmen eine solide Entscheidungsbasis <strong>für</strong> künftiges Handeln.<br />

Denn der CO 2<br />

-Fußabdruck wird in den kommenden Jahren eine<br />

der wichtigsten Kennzahlen <strong>für</strong> Unternehmen werden. Er befähigt<br />

Betriebsinhaberinnen und -inhaber, die Klimawirkung ihres<br />

Handelns zu messen, zu vergleichen und nicht zuletzt auch zu optimieren.<br />

Diese Kennzahl ist schlussendlich auch <strong>für</strong> Auftraggeber,<br />

Kundinnen und Kunden sowie Kapitalgeber interessant, denn sie<br />

möchten und werden sich darüber informieren, welchen Einfluss<br />

ein Unternehmen auf das Klima hat.<br />

Die Klimaziele sind klar definiert: Die Weltgemeinschaft hat sich<br />

mit dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 Ziele gesetzt,<br />

die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf<br />

44 Kleine Kniffe<br />

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Foto: ZWH<br />

deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und die natürlichen<br />

Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. <strong>Das</strong> Übereinkommen<br />

von Paris ist die erste umfassende und rechtsverbindliche weltweite<br />

Klimaschutzvereinbarung. Die Europäische Union hat sich mit dem<br />

Green Deal das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden, und<br />

die Umsetzung soll mit dem Maßnahmenpaket „Fit for 55“ vorangetrieben<br />

werden. Es sieht vor, den Ausstoß von Treibhausgasen<br />

in der Europäische Union bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990<br />

zu senken.<br />

Alle sind gefordert, ihren Beitrag zur Umsetzung diese Mammutaufgabe<br />

zu leisten. Damit der Beitrag von Unternehmen zur<br />

Nachhaltigkeit besser bewertet und verglichen werden kann,<br />

erweitert die Europäische Union sukzessive die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

und führt verbindliche Berichtsstandards<br />

ein.<br />

Auch wenn Handwerksbetriebe in der Regel nicht direkt<br />

der neuen Berichtspflicht unterliegen, so sind Handwerkerinnen<br />

und Handwerker dennoch gut beraten, sich rechtzeitig mit einem<br />

Nachhaltigkeitsbericht auseinanderzusetzen. Denn wenn große<br />

Unternehmen künftig offenlegen, wie sozial und ökologisch sie<br />

entlang ihrer Lieferkette wirtschaften, dann werden auch Handwerksbetriebe<br />

entlang dieser Lieferkette mit einbezogen.<br />

Sicherlich haben kleine Handwerksbetriebe durch ihre Größe<br />

oft begrenzte Kapazitäten an Zeit und Personal. Dieses muss bei der<br />

Regulierung berücksichtigt werden und wird auch eingefordert.<br />

Dennoch können kleine Betriebe auch Vorteile ausspielen: Während<br />

in großen Unternehmen beispielsweise Effizienzmaßnahmen<br />

lange vorbereitet werden müssen, können Handwerksbetriebe dank<br />

flacher Strukturen und kleiner Betriebsgrößen Potenziale zur Ressourcenoptimierung<br />

schneller heben.<br />

Hier kann auch der Austausch in Netzwerken ein sinnvoller<br />

Ansatz sein, um Synergien zu erzeugen und voneinander zu lernen.<br />

Denn wie auch beim Bergsteigen gilt: Es waren auch schon Andere<br />

unterwegs, haben den Weg geebnet und auf Hindernisse hingewiesen.<br />

Mit Hilfe von Best-Practice-Beispielen präsentieren sowohl der<br />

Nachhaltigkeits-Navigator Handwerk als auch die Mittelstandsinitiative<br />

Energiewende und Klimaschutz Modellbetriebe, die sich schon<br />

auf den Weg zu einer <strong>nachhaltige</strong>n Transformation gemacht haben.<br />

Sie sollen inspirieren und verdeutlichen, dass es sich lohnt, den eigenen<br />

Betrieb nachhaltig auszurichten. Mit ihrem Erfahrungsschatz<br />

und ihrer Qualifikation sind Handwerkerinnen und Handwerkern<br />

gut gerüstet – und sie haben dabei eine starke Handwerksorganisation<br />

aus Handwerkskammern, Fachverbänden und Innungen<br />

unterstützend zur Seite. So können – und werden – auch noch so<br />

steile Wege gut gemeistert werden.<br />

Autorin<br />

Stefi Schrod<br />

Referatsleiterin Umwelt- und<br />

Nachhaltigkeitspolitik,<br />

Zentralverband des Deutschen<br />

Handwerks (ZDH)<br />

Kleine Kniffe<br />

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Berichtswesen<br />

Unternehmerische Sorgfaltspflichten<br />

in der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong><br />

Spätestens seit der Reform des EU-Vergaberechts im Jahr 2014 ist etabliert, dass soziale und<br />

ökologische Ziele im Vergabeverfahren und bei der Vergabeentscheidung berücksichtigt werden<br />

dürfen. Auch wenn zur rechtlichen Behandlung der <strong>nachhaltige</strong>n öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> noch<br />

immer Fragen offen sind, existiert mittlerweile eine Vielzahl an bewährten Praktiken, relevanter<br />

Rechtsprechung sowie Veröffentlichungen.<br />

Ein Beitrag von Janis Zöll<br />

Noch näher zu klären ist, in welcher Form unternehmerische<br />

Sorgfaltspflichten in der Vergabe berücksichtigt werden können.<br />

Mit dem Inkrafttreten des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes<br />

(LkSG) am 1. Januar <strong>2023</strong> – in dessen Anwendungsbereich<br />

auch einige öffentliche Auftraggebende fallen – wird die Erfüllung<br />

und Einforderung von Sorgfaltspflichten auch in der öffentlichen<br />

Vergabe eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Zudem dürfte sich<br />

der Anwendungsbereich durch die derzeit auf EU-Ebene verhandelte<br />

Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) noch<br />

vergrößern.<br />

Dieser Artikel gibt erste Hinweise, wie Sorgfaltspflichten sinnvoll<br />

und rechtskonform in Vergabeverfahren integriert werden<br />

können. Dabei richtet er sich nicht nur an öffentliche Auftraggebende<br />

im Anwendungsbereich des LkSG. Die Berücksichtigung von<br />

Sorgfaltspflichten ist ein wichtiges Werkzeug <strong>für</strong> alle Auftraggebende,<br />

um ihre <strong>Beschaffung</strong> <strong>nachhaltige</strong>r zu gestalten. Es ist nicht zuletzt<br />

eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass staatliche Stellen ihrer Schutzpflicht<br />

gerecht werden und im eigenen wirtschaftlichen Handeln das<br />

umsetzen, was sie von Unternehmen fordern.<br />

Menschenrechtliche und ökologische Risiken sind in einigen<br />

Fokusbranchen bereits weitläufig bekannt (bspw. Textil-, IT- oder<br />

Agrarlieferketten). Darüber hinaus können jedoch auch in anderen<br />

<strong>Beschaffung</strong>sfeldern Risiken auftreten. Angesichts längerer und<br />

komplexerer Wertschöpfungsketten und der Verzahnung ökonomischer<br />

Aktivitäten weltweit wird es immer schwieriger, diese Risiken<br />

einzuschätzen.<br />

Unternehmen sind als wichtige gesellschaftliche Akteure<br />

verantwortlich <strong>für</strong> die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards.<br />

Freiwillige Rahmenwerke der Vereinten Nationen und<br />

der OECD sehen Sorgfaltspflichten <strong>für</strong> Unternehmen entlang ihrer<br />

Lieferketten vor. Nur so können sie Risiken erkennen und die Verletzung<br />

von Menschenrechten vermeiden bzw. schon eingetretene<br />

Verletzungen mildern und Wiedergutmachung leisten.<br />

Die freiwilligen Prinzipien werden vermehrt in verpflichtende<br />

Regelungen überführt. <strong>Das</strong> LkSG verpflichtet Unternehmen<br />

dabei entlang von fünf Kernelementen zur Ausarbeitung einer<br />

Grundsatzerklärung, der Ermittlung potenzieller und tatsächlicher<br />

negativer Auswirkungen ihrer Aktivitäten, der Identifikation und<br />

dem Ergreifen geeigneter Maßnahmen, Berichterstattung, sowie der<br />

Einrichtung von Beschwerdemechanismen <strong>für</strong> Betroffene. Neben<br />

Menschenrechten werden vermehrt auch ökologische Verpflichtungen<br />

einbezogen.<br />

Unternehmerische Verantwortung <strong>für</strong><br />

menschenrechtliche und ökologische Risiken<br />

Besondere vergaberechtliche<br />

Herausforderungen<br />

Auch wenn unternehmerische Sorgfaltspflichten wie andere<br />

soziale und ökologische Kriterien auf den Schutz von Menschenrechten<br />

und der Umwelt abzielen, verfolgen sie ein anderes Konzept:<br />

Sie verpflichten Unternehmen nicht direkt zum Schutz der Rechtsgüter<br />

(bspw. zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen), sondern<br />

46 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

fordern Prozesse und Maßnahmen innerhalb des Unternehmens,<br />

die zu deren Schutz beitragen sollen. Daraus ergeben sich besondere<br />

Anforderungen an die Berücksichtigung im Vergabeverfahren, die<br />

sich nicht vollständig mit anderen sozialen und ökologischen Kriterien<br />

decken.<br />

Neben den vergaberechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit<br />

und Gleichbehandlung ist insbesondere die Herstellung<br />

eines Auftragsgegenstandsbezugs von besonderer Bedeutung. Zwar<br />

müssen sich Kriterien und Bedingungen nicht zwingend auf die<br />

materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.<br />

Nach den vergaberechtlichen Regelungen reicht es aus, dass sie sich<br />

auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung<br />

oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung<br />

oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung beziehen.<br />

Erwägungsgrund 97 der EU-Vergaberichtlinie schließt jedoch<br />

Kriterien und Bedingungen aus, die sich nur auf eine allgemeine<br />

Unternehmenspolitik beziehen.<br />

und tatsächliche Risiken in der Lieferkette des konkret zu beschaffenden<br />

Produktes ermitteln und hierauf bezogene Maßnahmen<br />

ergreifen.<br />

<strong>Das</strong> LkSG sieht <strong>für</strong> qualifizierte Verstöße gegen Sorgfaltspflichten<br />

einen fakultativen Ausschlussgrund vor (§ 22 Abs. 1 LkSG).<br />

Darüber hinaus können auftragsbezogene Sorgfaltspflichten auf<br />

den verschiedenen Ebenen des Vergabeverfahrens berücksichtigt<br />

werden: als Eignungskriterium in Form eines Lieferkettenmanagementsystems,<br />

als Zuschlagskriterium oder Ausführungsbedingung.<br />

Um Auftraggebende bei der rechtssicheren Umsetzung von<br />

Sorgfaltspflichten in Vergabeverfahren zu unterstützen, erarbeitet<br />

die GIZ derzeit mit anwaltlicher Unterstützung eine Handreichung,<br />

die auch auf die wichtige Frage der Nachweismöglichkeiten eingehen<br />

wird. Die Vorstellung der Handreichung ist <strong>für</strong> den diesjährigen<br />

10. Deutschen Vergabetag geplant. Bei Interesse treten Sie gerne mit<br />

uns in Kontakt (<strong>nachhaltige</strong>-<strong>Beschaffung</strong>@giz.de).<br />

Implementierung von Sorgfaltspflichten im<br />

Vergabeverfahren ist möglich<br />

Da unternehmerische Sorgfaltspflichten auf eine <strong>nachhaltige</strong><br />

und sozial verantwortungsbewusste Geschäftspraxis der Unternehmen<br />

abzielen, ist diese Abgrenzung besonders relevant. Um in<br />

Vergabeverfahren Anforderungen an Sorgfaltspflichten zu stellen,<br />

bedarf es der Herstellung eines konkreten, auf die Lieferkette der<br />

nachgefragten Leistung reduzierten Auftragsbezugs. So können<br />

Auftraggebende bspw. verlangen, dass Auftragnehmende potenzielle<br />

Autor:<br />

Janis Zöll<br />

Berater im Sektorvorhaben<br />

Unternehmerische und öffentliche<br />

Verantwortung <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />

Lieferketten<br />

Kleine Kniffe<br />

47<br />

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Netzwerke als Navigationshilfen<br />

<strong>Das</strong> DENEFF-Netzwerk<br />

als Navigationshilfe in der Förderlandschaft<br />

Um die gesamtgesellschaftlichen Klimaziele einzuhalten und die notwendigen Energieeinsparungen<br />

zu erreichen, müssen Unternehmen in großer Zahl Querschnittstechnologien austauschen (effizientere<br />

Motoren, Pumpen, Druckluft usw.), intelligent steuern und bei der notwendigen Umstellung auf<br />

dekarbonisierte Prozesswärme eine möglichst effiziente Technologie auswählen. Neben der Verringerung<br />

des Verbrauchs spielt in einer Welt der erneuerbaren Energien die Flexibilisierung des Energieverbrauchs<br />

eine wichtige Rolle. Ganz schön viel zu tun also – gut, dass es hier finanzielle Unterstützung durch den<br />

Staat bei Planung und Umsetzung gibt.<br />

Ein Beitrag von Dr. Tatjana Ruhl<br />

Im Dickicht der Förderprogramme<br />

Netzwerke, Austausch-Veranstaltungen und Wissenstransfer<br />

mit anderen Unternehmen, die vor ähnlichen Herausforderungen<br />

stehen, helfen immens, Licht ins Dunkel der häufig unübersichtlichen<br />

Förderlandschaften zu bringen. Immer wieder führt die<br />

DENEFF zum Beispiel Informationsveranstaltungen zu den Fördermöglichkeiten<br />

von Transformationskonzepten <strong>für</strong> Mitglieder und<br />

Interessierte durch. Transformationskonzepte sind Meilensteinpläne<br />

<strong>für</strong> Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Sie werden<br />

seit Ende 2021 durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK)<br />

gut gefördert. Inzwischen sind die ersten Konzepte fertig gestellt,<br />

sodass die DENEFF die neugewonnen Erfahrungen der Frontrunner<br />

<strong>für</strong> die Öffentlichkeit aufbereiten kann.<br />

Transformationskonzepte unter der Lupe<br />

Mit dem Modul 5 der Bundesförderung <strong>für</strong> Energie- und<br />

Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) können sich Unternehmen<br />

große Teile ihrer Transformationskonzepte fördern lassen.<br />

Konkret bedeutet das, dass das BMWK Unternehmen finanziell<br />

dabei unterstützt, eine CO 2<br />

-Bilanz anzufertigen (verpflichtend über<br />

Scope 1 & Scope 2), Daten zu beschaffen, Messungen durchzuführen,<br />

eigene Klimaziele zu definieren, einen Maßnahmenplan zur Zielerreichung<br />

zu erstellen und Handlungsoptionen nach Chancen und<br />

Risiken zu bewerten. Hier<strong>für</strong> können sich Unternehmen Unterstützung<br />

von Experten holen und sich die anfallenden Kosten ebenfalls<br />

fördern lassen. Was bei der Beantragung und Erstellung zu beachten<br />

ist, hat die DENEFF zusammen mit der GUTcert und Ökotec in<br />

einem kostenlosen Leitfaden zusammengetragen, den interessierte<br />

Unternehmen auf Anfrage erhalten können. Ebenso steht in Kürze<br />

eine Neuauflage des Leitfadens „Vom Energiemanagement zum Klimamanagement“<br />

an.<br />

Zentraler Trigger <strong>für</strong> Klimatransformation: Die<br />

Wertschöpfungskette<br />

DENEFF-Veranstaltungen haben gezeigt, wie wichtig eine<br />

Bestandsaufnahme, ein Ziel und ein Weg zum Ziel <strong>für</strong> die Klimatransformation<br />

von Unternehmen sind. Während Scope 1<br />

(direkte Emissionen) und 2 (indirekte Emissionen aus Energie) in<br />

der geförderten CO 2<br />

-Bilanz verpflichtend aufzunehmen sind, lassen<br />

sich auch jetzt schon viele Unternehmen die Scope-3-Emissionen<br />

(indirekte Emissionen aus der eigenen Wertschöpfungskette, insbesondere<br />

über eingekaufte Vorprodukte) freiwillig mitbilanzieren.<br />

<strong>Das</strong> ist sehr sinnvoll und vorrausschauend, denn die Inkludierung<br />

von Scope 3 und damit der vollständige CO 2<br />

-Fußabdruck ist <strong>für</strong> die<br />

Wettbewerbsfähigkeit als Zulieferunternehmen maßgeblich. Fast<br />

alle Unternehmen haben den bei weitem größten Teil ihrer Emissionen<br />

in Scope 3 und müssen diesen bedingungslos angehen, weil<br />

nur so der Carbon Footprint ernsthaft reduzierbar und damit die<br />

tatsächliche Klimaneutralität eines Unternehmens erreichbar ist.<br />

Den Einkäufern der Unternehmen fällt dabei eine zentrale Rolle zu.<br />

Best-Practice Beispiele als Trampelpfade<br />

Best-Practice Beispiele im Rahmen von DENEFF-Veranstaltungen<br />

zu geförderten Transformationskonzepten haben gezeigt, dass<br />

48 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

Scope 3 in den unterschiedlichsten Unternehmen und Branchen mitgedacht<br />

wird, auch wenn dies <strong>für</strong> die Förderung nicht erforderlich<br />

ist.<br />

Drei Tandems aus Herstellerunternehmen und Klimamanagementberatungen<br />

haben sich im Detail in die Karten schauen lassen:<br />

Duo Plast AG (Hersteller von Folien und Verpackungstechnik <strong>für</strong><br />

Industrie, Agrar und Lebensmittel) zusammen mit der Ökotec Energiemanagement<br />

GmbH, die SKF GmbH (Hersteller von Lösungen<br />

mit Drehbewegungen wie Lagern, Dichtungen und Schmiersystemen)<br />

zusammen mit der Limón GmbH und die E BIKE Advanced<br />

Technologies GmbH – (Hersteller von Elektrofahrrädern) mit der<br />

Niemeier Javanmard Procycons GbR. Alle drei haben gezeigt, dass<br />

Scope-3-Emissionen mitgedacht werden können und müssen.<br />

Immer wieder zeigte sich, dass es eine große Herausforderung ist,<br />

an reale THG-Daten der Zulieferer zu kommen. Hier wird dann<br />

häufig mit Durchschnittdaten aus dezidiert ausgewählten Datenbanken<br />

gearbeitet. Brancheninitiativen wie beispielsweise Together<br />

for Sustainabilty (Chemieindustrie) werden jedoch in den kommenden<br />

Jahren die Verfügbarkeit von Realdaten enorm erhöhen.<br />

Valide Mengenschätzungen zur Ermittlung der einzelnen Footprints<br />

werden mit realen Ausgangsdaten ebenfalls ihre Berechtigung<br />

behalten. Für die Erstellung einer Detailbilanz <strong>für</strong> Scope 3 sollten<br />

Unternehmen mit 3 Monaten Bearbeitungszeit rechnen können.<br />

Bei Maßnahmen zur Reduzierung der Scope-3-Emissionen spielen<br />

neben der Auswahl von Rohstoffen und Zulieferern immer wieder<br />

auch Überlegungen zu Insourcing eine Rolle, um die Emissionen<br />

genauer adressieren zu können.<br />

Eine Einladung zum Aktivwerden: DENEFF<br />

Praxisforum Industry2.Zero nimmt noch neue<br />

Mitglieder auf<br />

<strong>Das</strong> DENEFF Praxisforum Industry2.Zero bereitet das geballte<br />

Wissen der Klimaschutzbranche <strong>für</strong> Industrieunternehmen auf dem<br />

Weg zur Klimaneutralität auf. Neben Tipps und Anschauungsbeispielen<br />

<strong>für</strong> Förderprogramme gibt das Forum einen Überblick über<br />

technologische Lösungsmöglichkeiten, zum Beispiel <strong>für</strong> die Umstellung<br />

der Prozesswärme von fossilen Energieträgern auf effiziente<br />

klimaneutrale Lösungen. Auch Neuerungen bei Reporting und Footprints<br />

werden anwendungsfreundlich aufbereitet. <strong>Das</strong> Praxisforum<br />

ist branchenübergreifend und führt kontinuierlich Online-Veranstaltungen<br />

durch, ergänzt durch Werksführungen und Workshops<br />

vor Ort. Interessenten können sich gerne bei Dr. Tatjana Ruhl (tatjana.ruhl@deneff.org)<br />

melden.<br />

Autorin<br />

Dr. Tatjana Ruhl<br />

Policypreneur – Leitung<br />

Dekarbonisierung der Industrie<br />

Deutsche Unternehmensinitiative<br />

Energieeffizienz e.V. (DENEFF)<br />

Kleine Kniffe<br />

49<br />

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Initiativen der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

Sustainable Procurement Pledge (SPP) Germany<br />

Wir freuen uns auf hervorragende Aussichten <strong>für</strong> den Herbst, der nicht nur fantastische SPP-<br />

Veranstaltungen, sondern auch eine aufregende SPP-’Weltpremiere’ und ein neues Teammitglied im<br />

SPP-Global Team bieten wird.<br />

Ein Beitrag von Thomas Heine und Peter Köhne<br />

SPP Leitfaden<br />

In den letzten Monaten sind die SPP Spezialisten zusammengekommen,<br />

um eine Antwort auf die Herausforderungen, mit denen<br />

<strong>Beschaffung</strong>sfachleute konfrontiert sind, zu entwickeln.<br />

<strong>Das</strong> Ergebnis ist ein Leitfaden, der umsetzbare Erkenntnisse<br />

und Erfolgsgeschichten zur Bewältigung dieser aktuellen und künftigen<br />

Herausforderungen bietet. Dieser Leitfaden wird zu einer<br />

unschätzbaren Ressource <strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong>sfachleute auf der ganzen<br />

Welt werden. Darüber hinaus ist diese Version nur der Anfang von<br />

vielen weiteren Fallstudien, die von der breiteren SPP-Gemeinschaft<br />

genutzt werden können.<br />

Im Mittelpunkt dieser ersten <strong>Ausgabe</strong> stehen die Erfahrungen<br />

aus der Praxis, die von geschätzten Mitgliedern der SPP League of<br />

Champions geteilt werden, die ihre Erfahrungen beim nächsten SPP<br />

Global Ambassador Meeting vorstellen werden.<br />

Group Procurement Director, wertvolle Erkenntnisse darüber vermittelte,<br />

wie man Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen<br />

in seine <strong>Beschaffung</strong>sstrategie einbezieht, die zu echtem Wert und<br />

Wirkung führen.<br />

SPP CHAPTER SCOPE-3<br />

“Wie Sie einen Business Case <strong>für</strong> die Dekarbonisierung<br />

Ihrer Lieferkette erstellen”<br />

Alexandra Delval und Mat Langley von CBRE entwickeln, wie<br />

sie einen dreijährigen Business Case mit Kosten- und Nutzenelementen<br />

zur Dekarbonisierung der 10 Mio. tCO 2<br />

e in der Lieferkette<br />

von CBRE erstellen. Zu den Investitionskosten gehören Technologie<br />

und Personal, zu den Vorteilen gehören Umsatzwachstum, interne<br />

Kohlenstoffpreise und Investitionsrenditen <strong>für</strong> Technologie.<br />

SPP CHAPTER Dänemark<br />

SPP CHAPTER EVENTS & NEWS<br />

SPP CHAPTER REISEN & GASTGEWERBE<br />

<strong>Das</strong> SPP Chapter Travel & Hospitality startete Anfang September<br />

mit seiner ersten Veranstaltung zum Thema “Diverse, <strong>nachhaltige</strong><br />

und ethische <strong>Beschaffung</strong> bei der TUI Group”, bei der Paul Walker,<br />

Melden Sie sich über LinkedIn <strong>für</strong> das dänische Chapter an,<br />

um an einem weiteren aufschlussreichen SPP Breakfast Club-Treffen<br />

in der Coloplast-Zentrale in Humlebæk teilzunehmen, bei dem<br />

Thomas Rasmussen, Procurement Sustainability Manager, den Weg<br />

von Coloplast zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> aufzeigen und Ihnen die<br />

Gelegenheit geben wird:<br />

50 Kleine Kniffe<br />

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Foto: Co Chair SPP Germany: Thomas heine, Peter Köhne<br />

• Einblicke zu erhalten, wie <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> die<br />

Unternehmenswerte von Coloplast unterstützt und zur allge<br />

meinen Nachhaltigkeitsstrategie beiträgt,<br />

• Entdecken Sie, wie Strategien, Herausforderungen und<br />

Erfolgsgeschichten Coloplasts Streben nach <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Beschaffung</strong>spraktiken beeinflusst haben.<br />

WSPD 2024 Frühbucher-Bonus<br />

Der Bonus, der Frühbuchern bei dieser Veranstaltung winkt, ist<br />

rein ideeller Natur, aber ein guter Bonus! Am 21. März 2024 - nur<br />

noch neun Monate - findet unser nächster Welttag der <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Beschaffung</strong> statt! 24 Stunden mit 24 praxisnahen Veranstaltungen<br />

zum Thema <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>. Eine Veranstaltung, die Sie auf<br />

keinen Fall verpassen dürfen und die Sie sich schon heute in Ihrem<br />

Kalender markieren sollten!<br />

ganzen Welt vor Augen geführt und ihr Feuer <strong>für</strong> eine <strong>nachhaltige</strong><br />

Entwicklung geschürt.<br />

Sie hat Unternehmen mit ganzheitlichen ESG-Strategien<br />

unterstützt und dabei eng mit der B-Corp-Bewegung und den<br />

SDGs zusammengearbeitet. In ihrer 15-jährigen Laufbahn hat sie<br />

ihre Fähigkeiten in den Bereichen Projektmanagement, Strategieentwicklung,<br />

Marketing und Kommunikation sowie Community<br />

Building unter Beweis gestellt.<br />

Sie ist der festen Überzeugung, dass jeder Einzelne eine einzigartige<br />

Machtposition innehat, und hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

gemeinsam mit Ihnen Veränderungen <strong>für</strong> einen glücklicheren und<br />

gesünderen Planeten voranzutreiben!<br />

Was ist der Bonus? Je früher Sie Ihren Kalender blockieren,<br />

desto mehr Zeit haben Sie, sich auf die Veranstaltung zu freuen, und<br />

desto sicherer sind Sie, dass Ihnen an diesem Tag nichts in die Quere<br />

kommen wird.<br />

SPP-MANAGEMENT<br />

Charlotte Horder ist SPP’s interne Direktorin <strong>für</strong> Stakeholder<br />

Engagement. Sie stammt aus Großbritannien, hat in der Schweiz,<br />

Spanien, Russland und Deutschland gearbeitet und ihre Liebe zur<br />

Natur hat sie in die entlegensten Winkel der Welt geführt. Diese<br />

Erfahrungen haben ihr die Ungleichheiten und Störungen auf der<br />

Mehr Informationen:<br />

SPP Germany auf LinkedIn:<br />

https: /www.linkedin.com/groups/12700757/<br />

Kleine Kniffe<br />

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Interview<br />

Interview mit Reiner Hoffmann,<br />

dem neuen Vorsitzenden des Nachhaltigkeitsrates<br />

Reiner Hoffmann ist im Januar <strong>2023</strong> von Bundeskanzler Olaf Scholz in den Rat <strong>für</strong><br />

Nachhaltige Entwicklung (RNE) berufen worden. Dessen Mitglieder wählten ihn im Februar<br />

<strong>2023</strong> zum Vorsitzenden des Nachhaltigkeitsrates. Der RNE berät die Bundesregierung zur<br />

Nachhaltigkeitspolitik. Er ist in seiner Tätigkeit unabhängig und wird seit 2001 alle drei Jahre<br />

von der Bundesregierung berufen.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

Lieber Herr Hoffmann, herzlichen Glückwunsch<br />

zur Wahl zum Vorsitzenden des Rates <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />

Entwicklung. Der Rat <strong>für</strong> Nachhaltige Entwicklung (RNE)<br />

berät die Bundesregierung zur Nachhaltigkeitspolitik. Wo<br />

stehen wir heute in Deutschland bei der Umsetzung der<br />

Globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development<br />

Goals, SDGs) und bei der Erreichung der Klimaziele?<br />

Laut SDG-Fortschrittsbericht des UN-Generalsekretärs ist die<br />

Weltgemeinschaft bei lediglich zwölf Prozent der Ziele auf dem<br />

richtigen Weg. Grundlage <strong>für</strong> die Umsetzung der SDGs in Deutschland<br />

ist die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS). Ob wir bei<br />

den einzelnen Indikatoren der DNS auf Kurs sind, wird regelmäßig<br />

durch das Statistische Bundesamt überprüft. Wenn man sich<br />

diese Daten ansieht, zeigt sich, dass zum Beispiel in den Bereichen<br />

menschenwürdige Arbeit, Gewässerschutz oder auch Senkung des<br />

Energieverbrauchs im Güterverkehr eine eher gegenläufige Entwicklung<br />

festzustellen ist.<br />

Es gibt aber auch Fortschritte: zum Beispiel im deutlichen<br />

Rückgang der Luftschadstoffe, bei dem Aspekt Frauen in Führungspositionen,<br />

der mittlerweile auf immerhin 36 Prozent gestiegen ist,<br />

und allgemein der höheren Erwerbsquote von Frauen.<br />

Zum Klimaschutz: Zwar sind die Emissionen bekanntermaßen<br />

zuletzt leicht gesunken, aber das wird nicht ausreichen, um die<br />

Pariser Klimaziele zu erreichen. Insgesamt ist die Zwischenbilanz<br />

zur Umsetzung der SDGs und der Erreichung der Klimaziele sehr<br />

durchwachsen. Deshalb müssen wir das Tempo deutlich anziehen:<br />

Emissionen müssen stärker und schneller reduziert werden, natürliche<br />

Senken wie Moore genutzt, der Ausbau der Erneuerbaren<br />

Energien beschleunigt, Gebäude energetisch saniert und auch die<br />

Infrastrukturen im Bereich Wasserstoff ausgebaut werden.<br />

Welche Ziele haben Sie sich <strong>für</strong> die Zeit Ihres Ratsvorsitz<br />

vorgenommen?<br />

Der Rat <strong>für</strong> Nachhaltige Entwicklung hat kürzlich sein<br />

Arbeitsprogramm <strong>für</strong> die kommenden drei Jahre vorgelegt. Darin<br />

konzentrieren wir uns auf drei wesentliche Aspekte:<br />

Erstens müssen wir bei der Umsetzung <strong>nachhaltige</strong>r Ziele darauf<br />

schauen, wie sich die angedachten Maßnahmen auf den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt auswirken. Wir haben es mit einer irren<br />

Einkommensspreizung und entsprechenden Folgen zum Beispiel<br />

beim Thema Wohnen zu tun. Klimaoptimierte Häuser beispielsweise<br />

dürfen nicht dazu führen, dass Menschen sich die Miete nicht<br />

mehr leisten können.<br />

Wir wollen zweitens die Netto-Null-Strategie voranbringen,<br />

die im Koalitionsvertrag beschlossen wurde, bei der sich aber wenig<br />

tut. Netto-Null-Ziele besagen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt,<br />

etwa 2045 oder 2050, ein Land netto rechnerisch überhaupt keine<br />

Treibhausgase mehr in die Atmosphäre ausstoßen darf. Dazu müssen<br />

alle Sektoren einen Beitrag leisten, auch der Verkehrssektor und der<br />

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Grafik: GIZ<br />

Gebäudesektor. <strong>Das</strong>s die verbindlichen Sektorziele des Klimaschutzgesetzes<br />

gestrichen wurden, sehen wir beim RNE daher sehr kritisch.<br />

Und wir konzentrieren uns drittens auf ein Verbesserungsgebot<br />

<strong>für</strong> die Artenvielfalt.<br />

Der Verlust an biologischer Vielfalt ist in Deutschland und weltweit<br />

dramatisch. Durch die sich gegenseitig verstärkenden Krisen<br />

des Biodiversitätsverlustes und des Klimawandels – mit globaler<br />

Erderhitzung und Zunahme von Extremwetterereignissen – entsteht<br />

in Kombination mit der Ressourcenknappheit eine nie dagewesene<br />

Bedrohung <strong>für</strong> die Menschheit. Wir fordern deshalb ein entschlossenes<br />

Handeln zum Schutz unserer systemrelevanten Biodiversität.<br />

Pro Jahr werden in Deutschland von öffentlichen Stellen<br />

Produkte und Dienstleistungen im Wert von ca. 500<br />

Milliarden Euro beschafft. Sind die multiplen Krisen, mit<br />

denen wir zurzeit konfrontiert sind, ein Argument, um der<br />

<strong>nachhaltige</strong>n öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> (NÖB) weniger<br />

Aufmerksamkeit zu widmen?<br />

<strong>Das</strong> Gegenteil ist der Fall. Um die Klimaziele erreichen zu können,<br />

müssen wir den <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf ambitioniert vorantreiben.<br />

Die Hebelwirkung von mehr <strong>nachhaltige</strong>r öffentlicher <strong>Beschaffung</strong><br />

ist erheblich, z.B., können dadurch ganz neue <strong>nachhaltige</strong> Leitmärkte<br />

entstehen. <strong>Das</strong> Ziel eines <strong>nachhaltige</strong>n Einkaufs darf jedoch nicht<br />

nur auf die öffentliche Hand beschränkt werden. Unternehmen und<br />

Privathaushalte müssen ihr Einkaufs- und <strong>Beschaffung</strong>sverhalten<br />

ebenfalls auf <strong>nachhaltige</strong> Produkte ausrichten.<br />

Im letzten Jahr veröffentlichte der Bundesrechnungshof<br />

seinen Bericht an die Bundesregierung zur<br />

<strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> in Bundesbehörden. In diesem<br />

Bericht werden viele Mängel aufgedeckt, die einer <strong>nachhaltige</strong>n<br />

öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> im Wege stehen und<br />

dazu führen, dass weniger als 5 Prozent des Gesamtvolumens<br />

<strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf genutzt werden.<br />

Der Bundesrechnungshof führt insbesondere politische,<br />

administrative und Mängel in der Personalführung als<br />

Hemmschuhe der <strong>nachhaltige</strong>n öffentlichen <strong>Beschaffung</strong><br />

auf. Worin sehen Sie die wesentlichen Hebel, um<br />

die <strong>nachhaltige</strong> öffentliche <strong>Beschaffung</strong> zu stärken?<br />

Der Bericht des Bundesrechnungshofes an die Bundesregierung<br />

zur <strong>nachhaltige</strong>n öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> in Bundesbehörden ist<br />

sehr hilfreich, weil er in vielen Details beschreibt, woran eine <strong>nachhaltige</strong><br />

öffentliche <strong>Beschaffung</strong> heute noch häufig scheitert. Damit<br />

deckt er natürlich gleichzeitig die Hebel auf, die man nutzen muss,<br />

um ans Ziel zu kommen. Der Bericht zeigt auch, dass eine erhöhte<br />

Aufmerksamkeit auf die Personalentwicklung und die Digitalisierung<br />

gelegt werden muss.<br />

Kleine Kniffe<br />

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In einer Stellungnahme fordert der Rat <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> Entwicklung:<br />

Die großen Potenziale der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> <strong>für</strong> die<br />

<strong>nachhaltige</strong> Transformation und Innovationen nutzen.“ Dazu drei<br />

Fragen:<br />

Die Bundesregierung will in dieser Legislatur eine<br />

sozial ökologische Transformation erreichen. Daher hat<br />

sie im letzten Jahr den Interministeriellen Ausschuss<br />

<strong>nachhaltige</strong> öffentliche <strong>Beschaffung</strong> (IMAnöB) unter<br />

Leitung des BMI und des BMWK gegründet. Welche<br />

Hoffnungen verbindet der RNE mit der Implementierung<br />

dieses Ausschusses?<br />

Wir begrüßen die Einrichtung des IMAnöB und setzen in seine<br />

Arbeit die Hoffnung, dass die Bundesverwaltung mutig voranschreitet<br />

und auch Länder und Kommunen, die einen erheblichen Anteil<br />

an der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> verantworten, durch den Ausschuss<br />

eine stärkere Beachtung finden. Zum Beispiel wären gemeinsame<br />

Fortbildungsprogramme wünschenswert.<br />

<strong>Das</strong> BMWK hatte Ende des letzten Jahres eine offene<br />

Konsultation zur Reform des Vergaberechts ausgerufen.<br />

Überrascht ist man, dass bisher über 440 Stellungnahmen<br />

der Stakeholder dazu eingegangen sind. Man<br />

hatte mit ca. 70 Stellungnahmen gerechnet. Wie erklären<br />

Sie sich dieses übergroße Interesse an der <strong>nachhaltige</strong>n<br />

öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>?<br />

Jede Steuerzahlerin, jeder Steuerzahler hat ein großes Interesse,<br />

dass Staat und Verwaltung mit dem ihnen zur Verfügung stehenden<br />

finanziellen Mitteln sorgsam umgehen. Denn sie wissen, dass<br />

am Ende sie den Preis zahlen müssen <strong>für</strong> Umweltschäden, die durch<br />

eine falsche <strong>Ausgabe</strong>npolitik begünstigt oder befördert werden.<br />

Vor diesem Hintergrund erkläre ich mir auch das größer werdende<br />

Interesse an einem Thema, das bisher eher im Verborgenen von<br />

Fachleuten diskutiert wurde. Man erkennt den riesigen Hebel und<br />

das große Potential, das mit einem <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf verbunden<br />

ist. Zugleich ist die Initiative einzigartig in Deutschland, weil sie über<br />

kommunale und länderspezifische Grenzen hinweg die Menschen<br />

bundesweit zum Thema der <strong>nachhaltige</strong>n öffentlichen <strong>Beschaffung</strong><br />

zusammenführt.<br />

Der Rat <strong>für</strong> Nachhaltige Entwicklung hat in verschiedenen<br />

Stellungnahmen an die Bundesregierung darauf<br />

hingewiesen, dass es gerade in Krisenzeiten wichtig<br />

ist, die Subventionspraxis der Bundesregierung unter<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Gesichtspunkten auf den Prüfstand zu bringen.<br />

Hierin liegt ein großer Hebel, um den Einsatz von<br />

Steuergeldern enkelsicher zu gestalten. Subventionen, die<br />

zum Beispiel einen Anreiz zur Steigerung des CO₂-Ausstoßes<br />

setzen, gehören gestrichen und müssen ersetzt<br />

werden durch eine Förderung von Dekarbonisierungsmaßnahmen.<br />

Wie kann sich der Rat <strong>für</strong> Nachhaltige<br />

Entwicklung in die aktuellen Haushaltsberatungen mit<br />

dieser Forderung Gehör verschaffen und was sind seine<br />

konkreten Maßnahmen?<br />

Die Forderung des Nachhaltigkeitsrates nach einer Streichung<br />

aller Subventionen, die den CO 2<br />

-Ausstoß erhöhen, ist sehr ambitioniert,<br />

weil hinter den Kulissen enorme Verteilungskonflikte<br />

ausgetragen werden und viele Lobbyisten unterwegs sind. Trotzdem<br />

ist die Forderung richtig. <strong>Das</strong> Umweltbundesamt hat dankenswerterweise<br />

all die Subventionen aufgelistet, die einer Dekarbonisierung<br />

entgegenstehen.<br />

Um seinen Forderungen Gewicht zu verleihen, wird der Rat vor<br />

der nächsten Bundestagswahl über eine sozial-ökologische Steuerreform<br />

diskutieren. Dazu gehört auch, dass wir uns mit der Forderung<br />

nach der Vermeidung von Mitnahmeeffekten bei der Subventionierung<br />

von Heizkosten in Privathaushalten einbringen. Diejenigen, die<br />

über ein Jahreseinkommen von über 150.000 Euro verfügen, müssen<br />

nicht in dem Maße gefördert werden, wie untere oder mittlere Einkommensgruppen.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte<br />

Thomas Heine<br />

Chefredakteur<br />

www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

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