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WIKO 2024 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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<strong>für</strong>. Auernhammer kennt das auch<br />

anders. Auch gegen ihn fanden schon<br />

Bauernproteste statt <strong>–</strong> redet man lange<br />

genug mit ihm, spürt man Spuren von<br />

Mitleid mit der politischen Konkurrenz.<br />

In Berlin ist von seinem Mitleid allerdings<br />

wenig zu spüren. In seinen Reden<br />

im Parlament teilt er aus. Gegen<br />

Scholz, Habeck, Özdemir und Co. Die<br />

Kollegen von den Regierungsparteien<br />

nehmen es ihm nicht übel. So ist das<br />

Geschäft <strong>–</strong> verbockt man was, fehlt es<br />

nicht an Menschen, die einem das unter<br />

die Nase reiben. So ist das mit der<br />

Demokratie.<br />

<strong>Das</strong>s die Proteste so groß sind, liegt<br />

daran, dass man alle Bauern auf einmal<br />

gegen sich aufgebracht hat. Vom<br />

Weinbauern aus Baden-Württemberg<br />

über den agrarindustriellen Ackerbaubetrieb<br />

aus Brandenburg bis zum<br />

Nebenerwerbslandwirt aus Polsingen.<br />

Alle stinkig, weil alle Diesel im Tank.<br />

Schöner Mist aus Sicht der Ampelkoalition,<br />

aber das erklärt nicht die gesamte<br />

Wucht der Proteste.<br />

Wenn die Bauern im Landkreis die<br />

B2, B13 oder B466 in Schleichfahrten<br />

hinabfahren, sieht man nicht nur Traktoren.<br />

Zwischen die grünen Giganten<br />

mischen sich Pritschenwagen und<br />

Caddys. Die Handwerker sind mit auf<br />

dem Baum der Empörung. Nicht wegen<br />

des Diesels, sondern wegen überbordender<br />

Bürokratie, politischer Unzuverlässigkeit<br />

und einem allgemeinen<br />

Verdruss, erklären einem Logistiker,<br />

Elektriker, Schreiner oder Bauunternehmer<br />

aus dem Landkreis.<br />

Sie hätten mit dem Protestieren nicht<br />

angefangen. Die betriebswirtschaftliche<br />

Not ist nicht groß, da<strong>für</strong> die Liste<br />

der zu erledigenden Dinge lang.<br />

Die Handwerker haben fette Jahre<br />

hinter sich, wer jetzt keine Rücklagen<br />

auf dem Firmenkonto hat, schafft<br />

sich keine mehr. Aber wenn jemand<br />

die Demonstriererei organisiert, dann<br />

fährt und hupt man schon gerne mit.<br />

Denn auch im Handwerk fühlt man<br />

sich gegängelt von einem zunehmend<br />

irrwitziger laufenden System an Vorschriften,<br />

Dokumentations- und Nachweispflichten.<br />

Fast jeder Handwerker kann einem<br />

eine Geschichte erzählen. Von Gastanks,<br />

<strong>für</strong> die nachgewiesen werden<br />

muss, dass sie nicht übers Internet gehackt<br />

werden können, obwohl sie so<br />

alt sind, dass sie komplett analog laufen.<br />

Oder von Verbrauchsnachweisen<br />

<strong>für</strong> Spachtelmasse, die neuerdings der<br />

Gesetzgeber einfordert. Die Erzählung<br />

von der überbordenden Bürokratie<br />

„Die Lehrerin, der<br />

Metzger, die Ärztin<br />

fahren zwar nicht im<br />

Protestkonvoi mit,<br />

aber sie haben<br />

Verständnis„<br />

ist anschlussfähig. Die Lehrerin, der<br />

Metzger, die Ärztin fahren zwar nicht<br />

im Protestkonvoi mit, aber sie haben<br />

Verständnis. Deutlich mehr als <strong>für</strong><br />

Klima-Protestler, die sich auf Straßen<br />

kleben. Im Februar unterstützten 80<br />

Prozent der Bevölkerung die Bauernproteste,<br />

Mitte 2023 lehnten 85 Prozent<br />

die Klima-Klebe-Aktionen ab. Die<br />

Bürokratie ist offenbar eine anerkannte<br />

Bedrohung <strong>für</strong> den Weltfrieden, das<br />

Klima nur dann, wenn man deswegen<br />

nicht im Stau steht.<br />

Es sind also nicht nur alle Bauern gemeinsam<br />

sauer, die Handwerker säuern<br />

mit und die Bevölkerung steht in<br />

ihrer Mehrheit am Rand und klatscht<br />

Applaus.<br />

Schöner Mist aus Sicht der Ampelkoalition,<br />

aber das erklärt noch immer<br />

nicht die gesamte Wucht der Proteste.<br />

Der Leidensdruck bei den Landwirten<br />

ist groß, in manchen Bereichen existenziell.<br />

Es droht eine Lebensform unterzugehen.<br />

Eine, die über Jahrhunderte<br />

hinweg die Region geprägt hat. Wirtschaftlich<br />

und kulturell. Der Bauernhof<br />

war bis weit ins 19. Jahrhundert in<br />

<strong>Altmühlfranken</strong> <strong>für</strong> die meisten Menschen<br />

der Ort, der ihnen einen Platz in<br />

der Welt bot. Ein Dach über dem Kopf,<br />

ein Auskommen, Anschluss. Circa 80<br />

Prozent der Menschen lebten in Weißenburg-Gunzenhausen<br />

Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts direkt oder indirekt von<br />

der Landwirtschaft. Die Bauern ernährten<br />

die kleine lokale Welt, sie waren<br />

die Ursache <strong>für</strong> alles.<br />

Vergleicht man das mit dem Heute,<br />

wird klar, wie viel geschehen ist. Es<br />

gibt noch rund 400 Vollerwerbslandwirte<br />

in Weißenburg-Gunzenhausen.<br />

Die Branche hat gerade 200 sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsplätze.<br />

Allein das Klinikum <strong>Altmühlfranken</strong><br />

bietet mehr Jobs als alle „Profi-Bauern“<br />

zusammen.<br />

Die Wut ist groß, der Agrardiesel hat das Fass aber nur zum Überlaufen gebracht, der Frust der Landwirte sitzt viel tiefer.<br />

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<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2024</strong>

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