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WIKO 2024 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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packen die das nicht mehr und sind<br />

auch weg.“<br />

Aber selbst die Betriebe, die auf Stand<br />

sind, denen es betriebswirtschaftlich<br />

gut geht, haben Sorgen. Hat die nächste<br />

Generation keine Lust mehr auf die<br />

ewige Plackerei, war trotzdem alles<br />

umsonst. Einen Hof an jemanden außerhalb<br />

der Familie zu übergeben, ist<br />

die absolute Ausnahme.<br />

Auf einer Veranstaltung trifft man<br />

einen Landwirt. Ein ruhiger Mensch,<br />

bedächtig, informiert, abwägend. Er erzählt<br />

einem Kollegen, dass seine Tochter<br />

mit der Landwirtschaftsausbildung<br />

aufgehört hat. „<strong>Das</strong> haben sie ihr ausgetrieben“,<br />

kommentiert er trocken. Zu<br />

viel Auflagen, zu viel Theorie, zu viel,<br />

was man alles nicht dürfe. Sein Kollege<br />

nickt mitfühlend, er weiß, worum<br />

es geht. „Jetzt habe ich noch ein Kind,<br />

eine Chance, wenn das net will …“, sagt<br />

der Bauer und schaut ins Leere, zuckt<br />

die Schultern. „Dann ist das ganze Lebenswerk<br />

<strong>für</strong>’n Arsch“, murmelt er vor<br />

sich hin.<br />

Die Welt der Bauern ist eine sehr alte.<br />

Eine, deren Zentrum nicht in Weißenburg,<br />

Gunzenhausen oder Treuchtlingen<br />

liegt, sondern in Indernbuch,<br />

Haundorf oder Mischelbach. Eine<br />

Welt des Dorfes, der Gemeinschaft,<br />

aber auch der Unabhängigkeit, der<br />

Eigenverantwortlichkeit, ja mitunter<br />

auch der Einsamkeit. Familie zählt hier<br />

viel, Eigentum, Grund und Boden sind<br />

heilig. Die Höfe in <strong>Altmühlfranken</strong> haben<br />

eigene Namen. Die bewirtschaftenden<br />

Familien mögen wechseln, der<br />

Hof bleibt bestehen. Zumindest war<br />

das früher einmal so.<br />

Auf der anderen Seite ist diese in Teilen<br />

archaische Welt eine ungeheuer innovative<br />

und moderne. „Veränderung<br />

ist in der Landwirtschaft ganz normal,<br />

das ist unser tägliches Brot“, stellt Erwin<br />

Auernhammer vom BBV fest. Und<br />

er kann diese Behauptung belegen.<br />

Zum Beispiel mit der fast unglaublichen<br />

Steigerung der Produktivität. Ernährte<br />

im Jahr 1960 ein Bauer noch 17<br />

Menschen, waren es 1990 schon 69,<br />

„Die Welt der Bauern<br />

ist eine sehr alte. Eine<br />

Welt des Dorfes, der<br />

Gemeinschaft, aber<br />

auch der Unabhängigkeit„<br />

und 2021 konnten 139 Menschen von<br />

der Arbeit eines einzigen Landwirts<br />

leben. „Auf die Produktivitätsfortschritte<br />

der Landwirtschaft schaut die<br />

Industrie mit Neid“, weiß der Agrarpolitiker<br />

Artur Auernhammer.<br />

Allerdings sind die Fortschritte teuer<br />

erkauft. Sie ließen sich nur durch<br />

Spezialisierung, Technisierung und<br />

Automatisierung erreichen. „Man<br />

kann heute mit großem Gerät manchmal<br />

in einer Stunde mehr machen, als<br />

man es früher in einem Monat konnte“,<br />

sagt Artur Auernhammer. Die Bauernhöfe<br />

aus den Bilderbüchern sind<br />

seit Jahrzehnten Vergangenheit. Ein<br />

paar Schweine, ein paar Kühe, dazu<br />

noch Schafe, Ziegen, Hühner, Pferde,<br />

Gemüse und Getreide, das gibt es nirgends<br />

mehr. Wäre von den Auflagen<br />

her schon gar nicht zu machen, und<br />

erst recht nicht, was die Effizienz angeht.<br />

Aber: Wer sich einen Melkroboter anschafft<br />

<strong>–</strong> oder zwei <strong>–</strong>, der muss nicht<br />

nur viel Geld investieren, der braucht<br />

auch die richtige Anzahl an Kühen, die<br />

<strong>für</strong> eine perfekte Auslastung sorgt und<br />

dem Bauern beim Abzahlen der Investition<br />

hilft. <strong>Das</strong> gilt ähnlich <strong>für</strong> Ställe,<br />

Scheunen und Traktoren. Mehr Technik<br />

wird meist nur über mehr Produktion<br />

rentabel.<br />

Die Produktivitätsfortschritte bringen<br />

also steigenden Kapitalbedarf und den<br />

Impuls mit sich, die Betriebsgröße der<br />

technischen Ausstattung anzupassen.<br />

<strong>Das</strong> Ende des Lieds sind Bauernhöfe,<br />

die immer größer werden, die aber<br />

auch unter immer größerem Druck stehen.<br />

„Bauern haben immer Schulden,<br />

weil sie den technischen Fortschritt<br />

mitgehen müssen, wenn sie konkurrenzfähig<br />

bleiben wollen“, fasst Hans<br />

Walter zusammen.<br />

Auch wenn es nicht so aussieht: Die<br />

Arbeitsplätze in der Landwirtschaft<br />

sind extrem kapitalintensiv. Ein Stall<br />

kostet schnell zwei, drei Millionen<br />

Euro, ein Traktor zwischen 100 000<br />

und 300 000 Euro, hinzu kommen<br />

Melkroboter, Spritzen, Häcksler, Gebäude<br />

und, und, und … Gemessen am<br />

einzelnen Arbeitsplatz ist eine gängige<br />

Fabrik mit erheblich weniger Investitionen<br />

verbunden als ein handelsüblicher<br />

Bauernhof in irgendeinem Weiler<br />

auf dem altmühlfränkischen Land.<br />

Worauf die Industrie mit Blick auf die<br />

Landwirtschaft nicht neidisch ist, das<br />

sind die Abschreibungszeiten. In der<br />

Industrie muss sich eine Investition<br />

nach fünf bis zehn Jahren gerechnet<br />

haben. Ein Stall in der Landwirtschaft<br />

wird auf 20 Jahre abfinanziert. <strong>Das</strong><br />

Problem dabei: In diesen 20 Jahren hat<br />

die Landwirtschaftspolitik drei Kehrtwenden<br />

und vier Kopfstände gemacht<br />

und damit möglicherweise die Grundlagen<br />

<strong>für</strong> die Einkünfte geändert, die<br />

eigentlich den Stall abzahlen sollten.<br />

Läuft bei Andreas Nehmeier mit der Zukunft: Zwei seiner fünf Kinder haben sich beruflich<br />

schon <strong>für</strong> die Landwirtschaft entschieden, sein Bauernhof in Geislohe dürfte in die<br />

nächste Generation gehen.<br />

„Die wirtschaftliche Unsicherheit ist<br />

enorm“, bestätigt AELF-Mann Walter.<br />

„Ein großer Milchbauer produziert<br />

heute eine Million Kilo Milch im Jahr.<br />

Der Preis kann hier um die 15 Cent<br />

schwanken. <strong>Das</strong> macht auf ein Jahr<br />

150 000 Euro aus“, rechnet er vor.<br />

50<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2024</strong>

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