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Kinder und Jugendliche in prekären Lebenslagen sind besonders auf eine gute Infrastruktur, hochwertige Schul- und Betreuungsangebote, tragfähige Beziehungen und Hilfsangebote für ihre Familie angewiesen. All dies fällt nicht vom Himmel, sondern bedarf politischer Entscheidungen. Der Zugang zu einer guten Infrastruktur, zu Freizeit- und Kultureinrichtungen, die Förderung durch formale und non-formale Bildung sind Schlüssel zur Teilnahme an unserer Gesellschaft und kein Luxus. Es geht darum, Potenziale junger Menschen zu erschließen, ihre Lebenskompetenz zu erweitern und ihnen Lebensperspektiven zu eröffnen. Wenn Jugendhäuser auf - grund kommunaler Finanzentschei dungen geschlossen und Hortplätze gestrichen werden, wenn es keine Angebote für Freizeitgestaltung und außers chu lische Bildung mehr gibt, dann fehlen Anlaufstellen für junge Menschen. Wohin sollten sie sonst gehen? Den freien Fall auffangen Angebote für junge Menschen wirken wie ein Netz, das den freien Fall stoppt und abfedert. In Angeboten von Kirche und Diakonie finden junge Menschen Ansprechpartner/-innen, die eine Lotsenfunktion übernehmen und vor Ort vermitteln. Wir weisen darauf hin: Es ist kurzsichtig, auf diesem Gebiet Spareffekte erzielen zu wollen. Wird die Versorgung junger Menschen noch stärker beschnitten, dann wird der kurzzeitige Effekt der Kostenersparnis in einigen Jahren durch enorme Folgekosten aufgezehrt werden. Statistiken belegen, dass dort, wo keine genügende Jugendhilfe infrastruktur vorhanden ist, die Kosten für Pflichtleistungen der Jugendhilfe – zum Beispiel für die Unterbringung in Heimen – steigen. Für die Volkswirtschaft kommen dazu die Kosten, die schlecht ausgebildete, arbeitslose und wenig integrierte junge Menschen langfristig verur - sachen. Ganz zu schweigen von den verschwendeten Potenzialen einer Jugend, auf die wir gesamtgesell schaftlich angewiesen sind. Nicht nur die Politik ist gefordert, auch inner kirchlich diskutieren wir über die Aufgaben von Kirche und Gemeinde. Doch so wenig es für den Staat eine Frage sein kann, ob junge Menschen angemessen gefördert werden sollen, so wenig darf es dies für Kirche, Diakonie und Gemeinde sein. Das Neue Testament stellt uns in die Verantwortung für Menschen, die sich aus eigener Kraft nicht helfen können. Dies ist der Maßstab Jesu Christi, an dem wir uns messen lassen müssen. An vielen Stellen sind wir diesem Anspruch nicht gerecht geworden. Lebensraum Gemeinde Es sind zwar schon wichtige Schritte gegangen worden, weitere müssen folgen. Junge Menschen brau chen Platz in unseren Gemeinden, sie wollen gesehen und angenommen werden. Das bedeutet auch, dass sich Kirche und Gemeinde auf den Weg machen müssen in eine Welt, die bisher nicht unbedingt in ihrem Blick lag. Dazu braucht es Mut und Frustrationstoleranz, oftmals ein Springen über den eigenen Schatten von Tradition und das Einlassen auf neue und fremde Wert- und Lebensvorstellungen. Kirchengemeinden haben Res sourcen an Räumen und Menschen. Neue Ideen brauchen Platz in Köpfen, Herzen und Räumen. Kirche und Gemeinde können junge Menschen auch außerhalb ihrer Familie auffangen. Resilienz von Kindern und Jugendlichen wird gefördert durch passende Angebote, aber vor allem durch persönliche Begegnungen und verlässliche Beziehungen. Auch die Zukunfts - fähigkeit der Kirche hängt davon ab, ob und wie die Potenziale der nachwachsenden Generationen erschlossen, gefördert und genutzt werden. Junge Menschen sind nicht nur unsere Zukunft, sie sind in erster Linie unsere Gegenwart - gerade in schweren Zeiten und besonders im Jahr <strong>2010</strong>, dem europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung. Junge Menschen brauchen unser entschiedenes Handeln und den Einsatz unserer Ressourcen. Ein Aufschub hätte dramatische Folgen nicht nur für junge Menschen, sondern für uns alle. Christiane Giersen ist Referentin für Kinder, Jugend und Familie der Diakonischen <strong>Werk</strong>e in Rheinland-Pfalz. Pfarrer Peter Röder ist Referent für Kinder- und Jugendhilfe beim DWHN. Arbeitsgebiete <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong> 43