2010 Jahresbericht - Diakonisches Werk Hessen-Nassau
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62 <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong> Mitglieder<br />
DIE „ANSTALT“ VERSCHWINDET:<br />
DIE NIEDER-RAMSTÄDTER DIAKONIE<br />
WIRD REGIONAL, KLEINTEILIG UND<br />
GEMEINDENAH.<br />
Es war spannender als Kino, und mancher<br />
stand im Herbst 2009 stundenlang<br />
gebannt am Bauzaun, um die drastischen<br />
Schläge und Bisse zu verfolgen,<br />
die der große Bagger dem Dach und<br />
den Mauern des Fliednerhauses zufügte.<br />
Vor Weihnachten war das Haus<br />
dann verschwunden und seitdem bedeckte<br />
der Schnee die glatte 5000-<br />
Quadratmeter-Fläche, die nun den Blick<br />
frei gibt vom Gelände in den Ort und<br />
auch zurück.<br />
Der Abriss des Fliednerhauses, in dem zuletzt<br />
82 Menschen wohnten, hat allen, die in der<br />
Nieder-Ramstädter-Diakonie leben und arbeiten,<br />
aber auch den Bürgern in Mühltal/Nieder-Ramstadt,<br />
endgültig signalisiert: Die NRD verändert<br />
sich. Die größte südhessische Einrichtung der Behindertenhilfe,<br />
die noch vor 14 Jahren auf zwei<br />
Standorte begrenzt war – Nieder-Ramstadt und<br />
Jugenheim in Rheinhessen – ist heute bereits an<br />
16 verschiedenen Orten in <strong>Hessen</strong> und Rheinland-Pfalz<br />
zu finden. Der Prozess der Regionalisierung,<br />
seit Mitte der 90er Jahre in Vorbereitung<br />
und seit 2005 per Beschluss der NRD-Gremien<br />
unumkehrbar im Gange, geht schrittweise vor<br />
sich und hat das Ziel, bis 2015 insgesamt 400<br />
stationäre Wohnplätze vom Kerngelände in Nieder-Ramstadt<br />
in die gesamte südhessische Re -<br />
gion zu verlagern. Nur noch 70 Menschen mit<br />
Behinderung werden schließlich auf dem zwölf<br />
Hektar großen Gelände leben, auf dem einst 570<br />
und gegenwärtig noch 370 Personen in meist<br />
großen kasernenartigen Häusern leben.<br />
Warum das Ganze? Waren die Menschen<br />
nicht gut versorgt? Warum werden Häuser nicht<br />
mehr genutzt und andernorts neue gebaut? Dies<br />
sind einige der häufig gestellten Fragen zum Regionalisierungs-Prozess<br />
der NRD. Es gibt viele<br />
einleuchtende Antworten. Die wichtigste zuerst:<br />
Menschen mit Behinderung müssen aufgrund<br />
ihrer Beeinträchtigung nicht in Sonderwelten<br />
leben. Sie haben ein Recht auf Teilhabe und Normalität.<br />
Vor 100 bis 150 Jahren, als die großen Einrichtungen<br />
gegründet wurden, um erstmals<br />
Men schen mit Epilepsie angemessen zu ver -<br />
sorgen, hat man das anders gesehen. Damals war<br />
es se gensreich, dass Menschen überhaupt eine<br />
Chance hatten, versorgt zu werden.