2010 Jahresbericht - Diakonisches Werk Hessen-Nassau
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Kinder und Jugendliche in prekären Lebenslagen<br />
sind besonders auf eine gute Infrastruktur,<br />
hochwertige Schul- und Betreuungsangebote,<br />
tragfähige Beziehungen und Hilfsangebote für<br />
ihre Familie angewiesen. All dies fällt nicht vom<br />
Himmel, sondern bedarf politischer Entscheidungen.<br />
Der Zugang zu einer guten Infrastruktur,<br />
zu Freizeit- und Kultureinrichtungen, die Förderung<br />
durch formale und non-formale Bildung<br />
sind Schlüssel zur Teilnahme an unserer Gesellschaft<br />
und kein Luxus. Es geht darum, Potenziale<br />
junger Menschen zu erschließen, ihre Lebenskompetenz<br />
zu erweitern und ihnen Lebensperspektiven<br />
zu eröffnen. Wenn Jugendhäuser auf -<br />
grund kommunaler Finanzentschei dungen geschlossen<br />
und Hortplätze gestrichen werden,<br />
wenn es keine Angebote für Freizeitgestaltung<br />
und außers chu lische Bildung mehr gibt, dann<br />
fehlen Anlaufstellen für junge Menschen. Wohin<br />
sollten sie sonst gehen?<br />
Den freien Fall auffangen<br />
Angebote für junge Menschen wirken wie<br />
ein Netz, das den freien Fall stoppt und abfedert.<br />
In Angeboten von Kirche und Diakonie finden<br />
junge Menschen Ansprechpartner/-innen, die eine<br />
Lotsenfunktion übernehmen und vor Ort vermitteln.<br />
Wir weisen darauf hin: Es ist kurzsichtig, auf<br />
diesem Gebiet Spareffekte erzielen zu wollen.<br />
Wird die Versorgung junger Menschen noch stärker<br />
beschnitten, dann wird der kurzzeitige Effekt<br />
der Kostenersparnis in einigen Jahren durch enorme<br />
Folgekosten aufgezehrt werden. Statistiken<br />
belegen, dass dort, wo keine genügende Jugendhilfe<br />
infrastruktur vorhanden ist, die Kosten für<br />
Pflichtleistungen der Jugendhilfe – zum Beispiel<br />
für die Unterbringung in Heimen – steigen. Für<br />
die Volkswirtschaft kommen dazu die Kosten,<br />
die schlecht ausgebildete, arbeitslose und wenig<br />
integrierte junge Menschen langfristig verur -<br />
sachen. Ganz zu schweigen von den verschwendeten<br />
Potenzialen einer Jugend, auf die wir gesamtgesell<br />
schaftlich angewiesen sind.<br />
Nicht nur die Politik ist gefordert, auch<br />
inner kirchlich diskutieren wir über die Aufgaben<br />
von Kirche und Gemeinde. Doch so wenig es für<br />
den Staat eine Frage sein kann, ob junge Menschen<br />
angemessen gefördert werden sollen, so<br />
wenig darf es dies für Kirche, Diakonie und Gemeinde<br />
sein. Das Neue Testament stellt uns in die<br />
Verantwortung für Menschen, die sich aus eigener<br />
Kraft nicht helfen können. Dies ist der Maßstab<br />
Jesu Christi, an dem wir uns messen lassen<br />
müssen. An vielen Stellen sind wir diesem Anspruch<br />
nicht gerecht geworden.<br />
Lebensraum Gemeinde<br />
Es sind zwar schon wichtige Schritte gegangen<br />
worden, weitere müssen folgen. Junge Menschen<br />
brau chen Platz in unseren Gemeinden, sie<br />
wollen gesehen und angenommen werden. Das<br />
bedeutet auch, dass sich Kirche und Gemeinde<br />
auf den Weg machen müssen in eine Welt, die bisher<br />
nicht unbedingt in ihrem Blick lag. Dazu<br />
braucht es Mut und Frustrationstoleranz, oftmals<br />
ein Springen über den eigenen Schatten von Tradition<br />
und das Einlassen auf neue und fremde<br />
Wert- und Lebensvorstellungen. Kirchengemeinden<br />
haben Res sourcen an Räumen und Menschen.<br />
Neue Ideen brauchen Platz in Köpfen, Herzen<br />
und Räumen. Kirche und Gemeinde können junge<br />
Menschen auch außerhalb ihrer Familie auffangen.<br />
Resilienz von Kindern und Jugendlichen<br />
wird gefördert durch passende Angebote, aber<br />
vor allem durch persönliche Begegnungen und<br />
verlässliche Beziehungen. Auch die Zukunfts -<br />
fähigkeit der Kirche hängt davon ab, ob und wie<br />
die Potenziale der nachwachsenden Generationen<br />
erschlossen, gefördert und genutzt werden.<br />
Junge Menschen sind nicht nur unsere Zukunft,<br />
sie sind in erster Linie unsere Gegenwart -<br />
gerade in schweren Zeiten und besonders im<br />
Jahr <strong>2010</strong>, dem europäischen Jahr gegen Armut<br />
und Ausgrenzung. Junge Menschen brauchen<br />
unser entschiedenes Handeln und den Einsatz<br />
unserer Ressourcen. Ein Aufschub hätte dramatische<br />
Folgen nicht nur für junge Menschen,<br />
sondern für uns alle.<br />
Christiane Giersen ist Referentin für Kinder, Jugend und<br />
Familie der Diakonischen <strong>Werk</strong>e in Rheinland-Pfalz.<br />
Pfarrer Peter Röder ist Referent für Kinder- und Jugendhilfe<br />
beim DWHN.<br />
Arbeitsgebiete <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong> 43