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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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Handhabung <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong>begriffs“ 70 ist Schmitt dann auch zum Vorwurf gemacht<br />

worden. Das Produkt eines „offenbar weitherzigen, aber leider nicht definierten Idealtyp<br />

<strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong>“ 71 habe durch <strong>die</strong> Kriterienauswahl „Unvereinbares miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en“: <strong>Partisanen</strong> der Tradition, denen Mobilität <strong>und</strong> politisches Engament fehlen,<br />

<strong>und</strong> <strong>Partisanen</strong> der Revolution, denen Erdverb<strong>und</strong>enheit abgeht. 72 Die Enthegung <strong>des</strong><br />

<strong>Partisanen</strong> gerate zu „grobschlächtig“. 73 Hinzufügen müsste man ferner, dass <strong>die</strong> Trennung<br />

in Rand- <strong>und</strong> Zentralfigur, <strong>die</strong> seiner Steigerungslogik folgt, nicht überzeugend ist: nicht<br />

nur in offensiven, auch in defensiven <strong>Partisanen</strong>kriegen kann der Partisan eine gleich<br />

zentrale Rolle spielen. Schmitt verteidigte sich 1969 argumentativ analog zum Fre<strong>und</strong>-<br />

Feind-Kriterium 74 : „(D)iese vier Kriterien, wenn ich das sagen darf, sind Hilfsmittel für <strong>die</strong><br />

wissenschaftliche Arbeit. Sie sollen also keine endgültige Lösung <strong>des</strong> unermeßlichen<br />

<strong>Partisanen</strong>-Problems sein, sondern ein vorläufiger Anfang. Das <strong>Partisanen</strong>-Problem wird<br />

sich entwickeln.“ 75<br />

Der Terrorismus, <strong>die</strong> von Schmitt dunkel antizipierte Entwicklung, taucht in der <strong>Theorie</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> nur als Staatsterror auf. Hineinlesen kann man den transnationalen<br />

Terrorismus möglicherweise in das neue <strong>Partisanen</strong>tum am Ende der <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Partisanen</strong> (S. 96), das durch <strong>die</strong> im Zuge der totalen Vernichtungsmöglichkeiten<br />

entstandene neue Feindschaft hervorgerufen wird. 76 Auch was bei Schmitt der<br />

ideologisiert-entortete Partisan ist, wird später als Terrorismus gedeutet: „Der heutige<br />

Terrorist ist keine Spielart <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong>. ... Es fehlt <strong>die</strong> Bodenhaftung ..., so kennt der<br />

Terrorist weder Grenzen <strong>des</strong> Raumes noch Grenzen der Feindschaft.“ 77 Schmitt fehlte 1963<br />

<strong>die</strong> historische Erfahrung neuer Formen <strong>des</strong> Terrorismus, verstellte sich <strong>die</strong> Verhandlung<br />

<strong>die</strong>ses Phänomens aber auch durch seine Fragestellung: „Terrorismus, glaube ich, war<br />

seiner Ansicht nach kein echtes politisches Problem im Sinne der Fre<strong>und</strong>-Feind-<br />

Gruppierung, sondern nur eine Art von Kriminalisierung der Politik.“ 78 Der Terrorismus ist<br />

für Schmitt also kein eigentliches Problem <strong>des</strong> <strong>Krieges</strong>, <strong>des</strong> Völkerrechts; der Terrorist ist<br />

dann Verbrecher, nicht Kombattant. Dieses Spannungsverhältnis, dass Terroristen<br />

eigentlich ein Problem der nationalen Strafverfolgungsbehörden sind, aber durch das<br />

Ausmaß der Wirkungen ihrer Anschläge <strong>und</strong> der zunehmenden inter- <strong>und</strong> transnationalen<br />

Verflechtung in das Recht <strong>des</strong> <strong>Krieges</strong> gehoben werden, kennzeichnet genau <strong>die</strong><br />

Problematik der Behandlung <strong>des</strong> Terrorismus im Völkerrecht. Im Übrigen ist vor einer<br />

Gleichsetzung von Entortung <strong>und</strong> internationalem Terrorismus zu warnen. Dies wäre ein<br />

vereinfachender Kurzschluss. Die Palästinenser, <strong>die</strong> in den 70er Jahren Flugzeuge<br />

entführten, wussten sicherlich genau, wo ihre heimatliche Identität verortet ist. Entortung<br />

kann gleichwohl eine Folge internationalen Terrorismus’ sein, wenn sich <strong>die</strong><br />

Zerstörungsmission verselbständigt. Selbstverständlich gibt es auch einen substanziell<br />

entorteten Terrorismus, nämlich den religiösen <strong>des</strong> al-qaeda-Netzwerkes.<br />

69 „7.3.49. Was macht Du eigentlich in Plettenberg? Ich befinde mich im Übergang von der Existenz zur<br />

Essenz. Ich <strong>des</strong>existenzialisiere mich <strong>und</strong> mein Wesen. Ist das nicht löblich? Ver<strong>die</strong>nt das nicht eine<br />

höhere Art von Nobelpreis? Min<strong>des</strong>tens eine Speisung im Prytaneum oder ein Carepaket?“, Glossarium, S.<br />

224 (Hervorhebung nicht im Original).<br />

70 Llanque, Träger, S. 78.<br />

71 Ridder, Schmittiana (Fn. x), 144f., der Schmitt im Übrigen Fehlurteile im Phantasierausch vorhält.<br />

72 Münkler, Krieg <strong>und</strong> Frieden, 301f.<br />

73 Münkler, Guerillakrieg, 511.<br />

74 S. auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Begriff <strong>des</strong> Politischen als Schlüssel zum staatsrechtlichen<br />

Werk <strong>Carl</strong> <strong>Schmitts</strong>, in: ders., Recht, Staat, Freiheit. Stu<strong>die</strong>n zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie <strong>und</strong><br />

Verfassungsgeschichte, 1. Auflage, Frankfurt a.M. 1991, S. 344ff.<br />

75 Schmitt, Schickel-Gespräch, S. 620<br />

76 Demandt, Staatsform, 31, spricht von „weltinnenpolitischen <strong>Partisanen</strong>“.<br />

77 Isensee, Aussprache, 395.<br />

78 Fre<strong>und</strong>, Partisan, 391.<br />

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