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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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Volksaufstand der Tiroler im August 1809 gegen <strong>die</strong> mit Frankreich verbündeten Bayern<br />

<strong>und</strong> mit verhaltener Unterstützung <strong>des</strong> interessierten Dritten Österreich 53 ; <strong>des</strong> Weiteren der<br />

<strong>Partisanen</strong>kampf in Russland 1812 (S. 18). Der kurz wirksame preußische Landsturmedikt<br />

kann als Fortschreibung <strong>des</strong>sen gewertet werden; <strong>die</strong> rasche Zurücknahme <strong>des</strong> Edikts<br />

belegt aber auch das Misstrauen der feudalistischen Seite gegenüber popularisierenden<br />

Tendenzen. Auch <strong>die</strong> Unabhängigkeitskämpfe in Spanisch-Amerika am Anfang <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts vollzogen sich streckenweise nach Guerrilla-Art. 54 Somit ist <strong>die</strong><br />

Herausbildung <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> aufs engste mit der Enstehung von Nationalität um <strong>die</strong><br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende vom 18. zum 19. Jahrh<strong>und</strong>ert verknüpft. 55<br />

Bis nach dem 1. Weltkrieg ist danch der Partisan für Schmitt eine „Randerscheinung“<br />

(S. 16) geblieben. Dazu müssten für ihn auch der amerikanische Bürgerkrieg, <strong>die</strong><br />

Franctireurs im deutsch-französischen Krieg 1870/71, anarchistische Terroristen wie <strong>die</strong><br />

russischen Narodnaya <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kämpfe der Pariser Kommune zählen. Hinzukämen auch <strong>die</strong><br />

chinesischen Aufstände <strong>und</strong> <strong>die</strong> Burenkriege am Anfang <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

c.Spätfolgen im 20. <strong>und</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert wird das Bild zunehmend unübersichtlich. Typisch wird der<br />

Kleinkrieg als „Befreiungskrieg“ ausgetragen, wie beispielsweise in China gegen <strong>die</strong><br />

japanische Besetzung oder in Arabien. Andere Formen von „Befreiungen“ sind einerseits<br />

<strong>die</strong> revolutionären Bürgerkriege in Russland <strong>und</strong> China sowie anderseits <strong>die</strong> große Folge<br />

von Dekolonialisierungskriegen wie in Indochina, Kuba, Algerien <strong>und</strong> Vietnam.<br />

Vorbildfunktion für weitere Guerillakriege <strong>und</strong> breite Ausmaße nahm der Widerstand<br />

gegen <strong>die</strong> deutsche Armee im 2. Weltkrieg ein, wobei <strong>die</strong>ser letztendlich nicht<br />

entscheidend für den Kriegsverlauf im Ganzen wurde 56 . Im Kampf gegen <strong>die</strong> Wehrmacht<br />

erfolgte, dokumentiert in der englischen Planung, eine Verknüpfung regulärer mit Guerilla-<br />

Taktiken, um einem entschlossenen Gegner mit im Vergleich zum regulären<br />

Truppensoldaten „zum Äußersten entschlossene(n) Kämpfer(n)“ entgegenzusetzen. 57 Nicht<br />

mehr als eine letzte, gespenstische <strong>und</strong> gescheiterte Aufbäumung war <strong>die</strong> mehr oder<br />

weniger organisierte Aufstellung der Werwolf-, B<strong>und</strong>schuh – <strong>und</strong> sonstiger<br />

partisanenartiger Verbände 58 .<br />

Die zahlreichen partisanischen Formen nach dem Zweiten Weltkrieg weichen<br />

zunehmend tendenziell unbeendbaren „low intensity wars“ in Räumen begrenzter<br />

Staatlichkeit; zu nennen sind Somalia <strong>und</strong> <strong>die</strong> Subsahara. Insofern behielt Schmitt nicht<br />

Recht, dass der „revolutionäre Parteienkrieg“ den Staaten-Krieg ersetzen würde (S. 53).<br />

Einzelne Staaten-Kriege kommen im Übrigen als Ausnahme auch noch vor, so im ersten<br />

bis dritten Golfkrieg, im 6-Tage- <strong>und</strong> im Falkland-Krieg. Außerdem bilden sich – oft in<br />

Verbindung zur organisierten Kriminalität – Terrorismusformen heraus, wobei man<br />

zwischen transnationalem wie <strong>des</strong> der al quaeda <strong>und</strong> lokalem Terrorismus wie in Peru, in<br />

Kolumbien <strong>und</strong> Irak 59 unterscheiden muss. Hierbei kann es selbstverständlich zu<br />

Mischformen mit internationalem Bezug kommen wie <strong>die</strong>s Anschläge der Bewegungen aus<br />

Palästina <strong>und</strong> Nordirland zeigten – dabei fällt <strong>die</strong> Unterscheidung von Guerrilla <strong>und</strong><br />

Terrorismus immer schwerer.<br />

Die Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg lässt sich als zunehmende<br />

Asymmetrierung der politisch-militärischen Strategie als Antwort auf eine<br />

53 Rink, „Partheygänger“, (Fn. x), 4ff.<br />

54 Schmidt, Guerrillero, 178ff.<br />

55 Schmidt, Guerrillero, 157ff.; Rink, „Partheygänger“ (Fn. x), XV, setzt den Zeitpunkt auf 1808.<br />

56 Schulz, Irregulären (Fn. x), S. 20f., der <strong>die</strong> Ausnahmen Griechenland <strong>und</strong> Jugoslawien, in dem der<br />

Übergang in eine Armee erfolgte, anführt.<br />

57 Schulz, Irregulären, (Fn. x), S. 17.<br />

58 Hierzu Georg Etscheit, Der deutsche „Werwolf“ 1944/45, in: Herfried Münkler (Hrsg.), Der Partisan,<br />

Opladen 1990, S. 148ff.<br />

59 Für Kolumbien kann <strong>die</strong>se Einteilung angesichts der neueren Entführungen zweifelhaft sein; für Irak<br />

angesichts der Verbindungen zur al-quaeda-Gruppe.<br />

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