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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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Verantwortungsethik zu verknüpfen: Statt<strong>des</strong>sen bestimmt oft eine Brutalität phallischerotischer<br />

Dimension <strong>die</strong> kriegerischen Auseinandersetzung. 226<br />

Eine simultane Erscheinung ist <strong>die</strong> Asymmetrierung <strong>des</strong> <strong>Krieges</strong>: technisch überlegenen<br />

Gegnern kann nur mit asymmetrischen Strategien entgegengetreten werden. Der<br />

<strong>Partisanen</strong>krieg <strong>und</strong> Terrorismus sind solche, denn <strong>die</strong> Beachtung der „romantischen ...<br />

Regeln eines Sportwettkampfes“ 227 würde ihre militärischen Ziele zum Scheitern<br />

verurteilen: Schmittianisch formuliert: Die gegenseitige Nichtanerkennung als Feinde<br />

erschwert <strong>die</strong> rechtliche <strong>Hegung</strong> <strong>des</strong> Konfliktes. Ihre privaten Träger maßen sich ein ius ad<br />

bellum an, das gerade auf Staaten beschränkt sein soll. Von <strong>Carl</strong> Schmitt soll der Satz<br />

stammen: „So spricht ein Staat“, mit dem er 1975 den Überfall auf <strong>die</strong> Deutsche Botschaft<br />

in Stockholm kommentierte. 228 Dieser Logik folgt <strong>die</strong> Aktivierung <strong>des</strong><br />

Selbstverteidigungsrechts nach Anschlägen internationaler Terroristen in der Resolution<br />

1368 (2001) <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates. Dem Aufstieg asymmetrischer <strong>und</strong> privatisierter<br />

Kriege 229 entspricht also ein Wirkungs- <strong>und</strong> Bedeutungsverlust <strong>des</strong> staatlichen<br />

Gewaltmonopols, womit dem Kriegsvölkerrecht seine Gr<strong>und</strong>lagen entzogen werden.<br />

Das Kriegsvölkerrecht hat also – ginge man nach <strong>Schmitts</strong> Ansprüchen vor – kein<br />

homogenes Medium mehr. Nun würden zunächst <strong>die</strong> Feststellung <strong>des</strong><br />

Ausnahmezustands 230 <strong>und</strong> dann <strong>die</strong> Außerkraftsetzung <strong>des</strong> Kriegsvölkerrechts um der<br />

Wiederherstellung seiner Geltungsvoraussetzungen willen folgen. Dies erscheint grotesk:<br />

Zum einen ist kein Verfahren vorhanden, das einen Ausnahmezustand auch nur im Ansatz<br />

regelt. Zum anderen gibt keinen Weltsouverän es – nach <strong>Schmitts</strong> System schon gar nicht<br />

–, also eine Gewalt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> „prinzipiell unbegrenzbare Befugnis“ innehat, „das zu tun, was<br />

nach der Lage der Sache im Interesse der staatlichen Sicherheit geboten ist, ohne Rücksicht<br />

auf <strong>die</strong> etwa engegenstehende konstituierte Ordnung“ 231 . Es sei denn, man betrachtet <strong>die</strong><br />

Vereinigten Staaten als omnipotenten Universalhegemon. Im Übrigen könnte der fiktive<br />

Souverän gar keinen Normalzustand wiederherstellen; <strong>die</strong>s würde einen z.B. von der USA<br />

geführten Krieg ohne Regeln gegen den Krieg ohne Regeln bedeuten, in dem sie staatliche<br />

Gewaltmonopole auf der ganzen Welt errichten <strong>und</strong> <strong>die</strong> privaten Kriegsakteure<br />

niederkämpfen. Diese Überlegung spottet jeder praktischen Durchführbarkeit <strong>und</strong> würde<br />

wohl zu einer noch größeren Barbarisierung 232 führen als der <strong>des</strong> status quo. Dennoch gibt<br />

es – allerdings legitime – Tendenzen zu einer in <strong>die</strong>ser Überlegung liegenden Relativierung<br />

staatlicher Souveränität: <strong>die</strong> humanitäre Intervention.<br />

Das humanitäre Völkerrecht ist bereits <strong>die</strong> Regelung eines Ausnahmezustan<strong>des</strong> – <strong>des</strong><br />

<strong>Krieges</strong> selbst. Ein Krieg, um <strong>die</strong> Regeln <strong>des</strong> <strong>Krieges</strong> herzustellen führt jede Normierung<br />

<strong>des</strong> <strong>Krieges</strong> ad absurdum. Vielleicht könnte man insgesamt von einem Ausnahmezustand<br />

ohne Diktatur sprechen, was <strong>die</strong> involvierten Aporien verdeutlichen würde. Reagieren kann<br />

man nahezu allein mit „weichen“ Methoden: Vermittlung zwischen lokalen<br />

226 Ignatieff, Zivilisierung, S. 148, 161.<br />

227 Guevara, S. 28.<br />

228 „Die Anmaßung einer staatsgleichen Souveränität also schien ihm <strong>die</strong> Pointe <strong>des</strong> Vorgangs zu sein.“,<br />

Gründer, Aussprache, S. 396. Hubert Orlowski will den <strong>Partisanen</strong> nicht als irregulär, sondern als<br />

Vertreter <strong>des</strong> staatlichen Gewaltmonopols „irgendwie im Grauzonenbereich“ beschreiben, der unter seiner<br />

Verantwortung zusammenbricht, Der Partisan: Grenzgänger <strong>des</strong> Machtmonopols?, S. 698 u.ö.<br />

229 Detter, Law of War, S. 58, 27ff.<br />

230 Dies ist schon <strong>des</strong>halb schwierig, da man vor allem in der dynamischen Ordnung <strong>des</strong> Völkerrechts schwer<br />

von einem “Zustand” sprechen kann, vgl. Kotzur, 360ff.<br />

231 Diktatur, S. 194.<br />

232 Antonio Cassese, Terrorism is Also Disrupting Some Crucial Legal Categories of International Law, EJIL<br />

12 (2001), 1001, befürchtete direkt nach dem 11. September 2001 unter dem Eindruck der Sprengung<br />

juristischer Begriffe eine globale Anarchie.<br />

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