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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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Schmitt hat mit tragischen Konsequenzen gezeigt: politisierte Strukturen können<br />

umschlagen. Schmitt hat nicht recht glauben wollen, dass Strukturen nicht – mit der<br />

Zwangslogik eines To<strong>des</strong>keims – umschlagen müssen. Denn hier kann – so paradox es<br />

klingen mag – <strong>die</strong> Dimension einer verständnisoffenen Politik in das Spiel eintreten.<br />

In der rechtstheoretischen Dimension ist klar: Das Recht reagiert immer wieder auf<br />

gewandelte Realitäten. Dass <strong>die</strong>s immer nur nachholend geschehen kann, liegt in der Natur<br />

der Sache <strong>und</strong> birgt katechontisches/mäeutisches Potential 284 . Die Perspektive, den<br />

völkerrechtlichen Regeln angesichts der Realität asymmetrischer Kriege Funktionslosigkeit<br />

zuzuschreiben, kann nicht verfangen. Diese Beziehung über <strong>die</strong> Figur <strong>des</strong><br />

Ausnahmezustan<strong>des</strong> zu bewältigen, kann wie gezeigt nicht funktionieren. Das Irreguläre<br />

hat nicht einfach über das Reguläre triumphiert; Anarchie <strong>und</strong> Macht haben nicht klanglos<br />

<strong>die</strong> Sphäre <strong>des</strong> Rechts usurpiert. Auch wenn <strong>die</strong> konstitutive Aporie <strong>des</strong> Rechts<br />

dekonstruiert wird, dass nämlich de Gewalt aus dem Recht einschließend ausgeschlossen<br />

wird, muss <strong>die</strong> Situation <strong>des</strong> heutigen Völkerrechts nicht lauten: „Die Beziehung zwischen<br />

Norm <strong>und</strong> Realität bedeutet Suspen<strong>die</strong>rung der Norm.“ 285 Es herrscht kein leben<strong>des</strong> Gesetz,<br />

kein nomos émpsychos 286 , <strong>des</strong>sen reine Handlungen mit Recht zusammenfallen.<br />

Recht ist gr<strong>und</strong>sätzlich weder Abbild noch Telos allein: es ist soziales Artefakt <strong>und</strong> als<br />

institutionell verstetigte Praxis 287 reflexiver Teil der „Realität“. Das Recht duchdringt sie,<br />

sie wirkt zugleich auf das Recht zurück. Freilich ist Recht – im Gegensatz zum Nomos –<br />

anhand <strong>des</strong> Kriteriums der spezifischen Normativität von anderen gesellschaftlichen<br />

Realitäten isolierbar. Es prozessiert dennoch nicht raum-, zeit-, natur- <strong>und</strong> geschichtslos<br />

abgekoppelt vor sich hin; <strong>die</strong> Wirkung der Normativität auf andere Praxen <strong>und</strong> deren Art<br />

<strong>und</strong> Weise können variieren. Auch wenn <strong>die</strong> Privilegien <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts im<br />

konkreten Fall nicht greifen, können <strong>des</strong>sen Strukturen <strong>und</strong> Angebot einer minimalen<br />

Gegenseitigkeit auf indirekte, beispielsweise antizipative Weise im Verein mit anderen,<br />

z.B. politischen Mitteln steuern. Vergegenwärtigt man sich, wie im humanitären<br />

Völkerrecht <strong>die</strong> äußerst politischen, dynamischen <strong>und</strong> militärischen Determinanten<br />

zusammenkommen, ist <strong>die</strong>s immerhin eine substanzielle Leistung.<br />

„14.8.51<br />

Mit jedem neugeborenen Kind wird eine neue Welt geboren.<br />

Um Gottes Willen, dann ist ja je<strong>des</strong> neugeborene Kind ein Aggressor!<br />

Ist es auch, <strong>und</strong> darum haben <strong>die</strong> Hero<strong>des</strong>se Recht <strong>und</strong> organisieren den<br />

Frieden.<br />

Und so schließt denn <strong>die</strong>ses Buch mit dem schönen Worte:<br />

Frieden!“ 288<br />

284 Vgl. Florian Meinel, Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> institutionelle Garantien im System der Verfassungslehre <strong>Carl</strong><br />

<strong>Schmitts</strong> – Bleibende Bedeutung?, kursierende Seminararbeit, Berlin 2004, III.2.d).<br />

285 Agamben, Ausnahmezustand, S. 72.<br />

286 Agamben, Ausnahmezustand, S. 82ff.<br />

287 Christian Bumke, Die Entwicklung der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Methodik in der<br />

Bun<strong>des</strong>republik Deutschland, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.),<br />

Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, Baden-Baden 2004, S. 130.<br />

288 Glossarium, S. 320.<br />

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