Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

strengen Sinne definierbar, sonder nur in ihrer phänomenalen Vielfalt beschreibbar.“ 95 Er
bewegt sich je nach militärischer Stärke und Organisiertheit zwischen den Polen äußerster
Regularität und äußerster Irregularität, zwischen Soldat und Terrorist. 96 Die Unschärfe der
Begriffskonstruktion ist darin begründet, dass Soldaten wie Terroristen in das partisanische
Spektrum hineinreichen, der Partisan aber seine Identität als Partisan verliert, sobald er sich
auf einen Pol verlegt. 97 Soldat, Partisan und Terrorist entsprechen die Organisationsformen
Monokephalie, Polykephalie mit Tendenz zur Monokephalie sowie Akephalie; bei
Terroristen erfolge eine Binnendifferenzierung allenfalls informell. 98
Diese graue Skala mit dem Partisanen in der „schwer abzugrenzenden Mittelstellung“ 99
wird durch die Unterscheidung Partisanen der Tradition und der Revolution konturiert,
obgleich mit „dem Preis der Verdopplung des Partisanen“ 100 . Da der Partisan die Regeln
des Kampfes verlässt, ist eine Nähe zum Kriminellen angelegt, beispielhaft dafür sind die
Bewegung des Leuchtenden Pfades in Peru und Moslemgruppen auf den Philippinen, die in
den Drogenhandel eingestiegen sind.
Partisanen der Tradition sind nicht einfach Konterrevolutionäre: sie stellen sich der
politischen und ökonomischen Modernisierung entgegen: ihr Widerstand ist
„desorganisiert, ineffizient, substanzlos“ 101 , ihre „Legitimität aus der Unfraglichkeit ihres
Alters“ 102 verstellt sich einer „systematisierte(n) Legitimation“ 103 . Der Partisan der
Tradition kämpft defensiv für das „alte Recht“, der Partisan der Revolution dagegen
offensiv für eine „bessere Zukunft“. 104 Dem Einwand, dass die spanischen Guerrilleros
doch an der Herausbildung von Nationalität beteiligt waren, entgegnet Münkler wie folgt:
„Heimat im Sinne von Erdverbundenheit und Traditionsverhaftung ist etwas grundlegend
anderes als der Kampf für eine Nation.“ 105 Aktuelles Beispiel sind ihm die afghanischen
Partisanen der 80er Jahre. Für die analytische Präzision ist hier eine scharfe Dichotomie
nach Art Oberbau-Unterbau eingeführt: komplexe Vermischungen von traditionellen
Verwurzelungen, ethnischen, kulturellen, schichtenspezifischen Spannungen im
Zusammenhang der Modernisierung können damit allerdings nicht abgebildet werden. 106
Die von Münkler angeführten antinapoleonischen Volksaufstände riefen gerade nationale
Begeisterung hervor 107 . Münkler will Partisanen der Tradition und der Revolution freilich
nicht als zwei abgrenzbare Typen, sondern als „facettierende Auseinanderlegung der
komplexen phänomenalen Realität des Partisanen“ 108 verstanden wissen.
Der Partisanenkrieg ist in seiner Opposition gegenüber dem Großkrieg „ubiquitär und
permanent“ 109 . Um dies zu erreichen und die Strategie zum Erfolg zu führen, bedarf es
mehrerer Herde, einer zentralen Leitung und einer breiten Unterstützung der Bevölkerung,
sonst können die Partisanen eingegrenzt und damit verwundbar gemacht werden. 110 In
94 Herfried Münkler, Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Der Partisan. Theorie, Strategie, Gestalt, Opladen 1990, S.
9.
95 Münkler, Partisan 1992 I, S. 113.
96 Münkler, Die Gestalt des Partisanen, S. 14ff.
97 Münkler, Die Gestalt, S. 15.
98 Münkler, Partisan 1992 I, S. 113.
99 Münkler, Partisan 1992 I, S. 113.
100 Münkler, Die Gestalt, S. 21.
101 Münkler, Partisanen der Tradition, S. 129.
102 Münkler, Der Partisan der Tradition, S. 132.
103 Münkler, Partisanen der Tradition, S. 133.
104 Münkler, Partisanen der Tradition, S. 131.
105 Münkler, Partisanen der Tradition, S. 132.
106 Schmidt, Guerrillero, 186ff.
107 Gabriele Schneider, Andreas Hofer: Für Gott, Kaiser und Vaterland, in: Herfried Münkler (Hrsg.), Der
Partisan. Theorie, Strategie, Gestalt, Opladen 1990, S. 324.
108 Münkler, Partisan 1992 I, S. 125.
109 Münkler, Die Gestalt, S. 25.
110 Münkler, Die Gestalt, S. 25ff. Schulz, Irregulären (Fn. x), S. 18f., nennt noch „schwer zugängliche
Gebirgsgegenden, ... Größe und relative Ressourcenarmut des Raumes“ und die Unterstützung einer
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