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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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d.Begriffsschwä(e)mme?<br />

Unzählige, weitere terminologische Differenzierungen existieren. Exemplarisch seien<br />

einige wenige aufgeführt, um danach möglicherweise <strong>die</strong> Begriffsschwemme durch<br />

Begriffsschwämme zu konzentrieren.<br />

Psychoanalytisch unterscheidet Nicolaus Sombart Anarchie <strong>und</strong> Terrorismus: Während<br />

Anarchie eine philanthropische Philosophie der Freiheit <strong>und</strong> Gewaltlosigkeit darstellt, sei<br />

Terrorismus <strong>die</strong> Kompensation <strong>die</strong> Angst vor dem Chaos; wenn <strong>die</strong>se Angst über ihr Maß<br />

entartet, wendet sie sich in terroristischen Aktionen nach außen. 131 Im Allgemeinen gelten<br />

jedoch gesellschaftliche Ungerechtigkeiten <strong>und</strong> unglaubhaft gewordene gesellschaftliche<br />

Hierarchien <strong>und</strong> Strukturen als Nährboden für Guerrillaformen. Dies denkt auch Werner<br />

Hahlweg, er aber hält systematische Abgrenzungen zwischen Guerillabewegungen <strong>und</strong><br />

terroristischen Handlungsformen für unmöglich, bei<strong>des</strong> verschmelze zunehmend. Daher<br />

beschränkt er sich auf <strong>die</strong> Phänomenologie: Unterschieden werden Guerillabewegungen<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Terroraktionen, anarchistische Terrorgruppen <strong>und</strong> kriminelle<br />

Gruppen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Techniken der anderen beiden Gruppen verwenden 132 . Schmitt-Adept<br />

Fre<strong>und</strong> hält dagegen eine Abgrenzung nach den strategischen Zielen, nicht unähnlich zu<br />

Münkler für möglich: „Für (den Terroristen) sind Ideen wichtiger als der Boden. ... Als<br />

irreguläre Figur ist der Partisan darauf eingestellt, <strong>die</strong> Macht zu ergreifen. Für den<br />

Terroristen ist <strong>die</strong>ses Ziel sek<strong>und</strong>är.“ 133<br />

Nach Sloterdijk ist Terrorismus eine junge Erscheinung, <strong>die</strong> im Ersten Weltkrieg ihren<br />

Anfang nahm. Terrorismus sei Hintergr<strong>und</strong>explikation, d.h. der Gegner wird nicht mehr<br />

direkt getroffen, sondern durch „Attentate auf <strong>die</strong> umweltlichen Lebensvoraussetzungen<br />

<strong>des</strong> Fein<strong>des</strong>“ 134 . Nicht das Individuum wird aus seinem Raum genommen <strong>und</strong> getötet – es<br />

reicht aus, den Raum <strong>des</strong> Individuums zum Ziel zu machen: letztlich wird dem Individuum<br />

so jeder sichere Rückzug, jede sichere Annahme über sein Verbleib zunichte gemacht. So<br />

wie der Einsatz von Gas im 1. Weltkrieg den Soldaten <strong>die</strong> Luft zum Atmen nahm <strong>und</strong> sie<br />

durch ihr Atmenmüssen den Terror zu unterstützen gezwungen waren (Atmoterrorismus),<br />

haben <strong>die</strong> Attentäter vom 11. September 2001 Freiheiten ausgenutzt, um <strong>die</strong> Demokratie<br />

zu treffen. 135 Hierbei geht natürlich eine Unterscheidung von Kriegsverbrechen staatlicher<br />

Armeen zu terroristischen Einzelakten verloren, von der Abgrenzung zum <strong>Partisanen</strong>tum<br />

einmal abgesehen. Noch <strong>und</strong>eutlicher, nur mit dem Gewinn der größeren<br />

Verallgemeinerbarkeit zu verrechnen, ist <strong>die</strong> generelle Ineinssetzung von politischer<br />

Gewalt <strong>und</strong> Terrorismus durch Ted Honderich; einzig <strong>und</strong> allein mittels moralischer<br />

Kriterien kann dann zwischen legitimerer politischer Gewalt <strong>und</strong> terroristischerer Gewalt<br />

differenziert werden. 136 Am Ende steht dann eine Skala politischer Gewalt, <strong>die</strong><br />

terroristische Anschläge mit Parteiverboten vergleichbar macht.<br />

Die verschwisterten <strong>und</strong> umkämpften Begriffe Partisan, Guerillero <strong>und</strong> Terrorist sind<br />

also erheblich miteinander verschränkt. Sie von Soldaten zu unterscheiden ist noch das<br />

leichteste Unterfangen: Es handelt sich um irreguläre Gewaltanwendung in bewaffneten<br />

Konflikten ohne strukturell organisatorische Verbindung zu staatlich ausgehobenen<br />

Truppenverbänden, staatliche Anbindungen gehen nicht über Unterstützungshandlungen<br />

hinaus <strong>und</strong> verbleiben unter der Weisungsschwelle. Diese Strategien können auch<br />

131 Sombart, Angst, 646.<br />

132 Werner Hahlweg, Moderner Guerillakrieg <strong>und</strong> Terrorismus, in: Manfred Funke (Hrsg.), Terrorismus,<br />

Düsseldorf 1977, S. 120.<br />

133 Fre<strong>und</strong>, Partisan, S. 390f.<br />

134 Peter Sloterdijk, Luftbeben. An den Quellen <strong>des</strong> Terrors, Frankfurt a.M. 2002, S. 14.<br />

135 Hier wird auch der Raum <strong>des</strong> Schläfers markiert, der sich einnistet in den „vom Staat zu beschützende(n)<br />

Kernbereich privater Lebensgestaltung, der den autonomen Rückzugsraum <strong>des</strong> Individuums bildet <strong>und</strong> –<br />

wegen seiner Unkontrollierbarkeit – zugleich als Gefahr für <strong>die</strong> Allgemeinheit angesehen wird.“ Matthias<br />

Kötter, Subjektive Sicherheit, Autonomie <strong>und</strong> Kontrolle, Der Staat 43 (2004), 387.<br />

136 Ted Honderich, Nach dem Terror, Frankfurt a.M. 2002, S. 55ff.<br />

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