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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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Afghanistan konnten sich <strong>die</strong> <strong>Partisanen</strong> in den 80er Jahren allerdings trotz dezentraler<br />

Unorganisiertheit halten. Das Ziel <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> ist <strong>die</strong> Demoralisierung <strong>und</strong> noch stärker<br />

<strong>die</strong> Verteuerung <strong>des</strong> <strong>Krieges</strong>: Sein Kosten-Nutzen-Kalkül ist längerfristig orientiert als das<br />

<strong>des</strong> Gegners: <strong>die</strong> Differenz von Idealen <strong>und</strong> Interessen, von Citoyen <strong>und</strong> Bourgeois<br />

ökonomisiert <strong>die</strong> Durchhaltepotentiale. 111 Wenn der Partisan auf eine Identität festgelegt<br />

werden kann, dann ist er der Anti-Bürger, Bürger als „Inbegriff sekuritätsorientierter<br />

Kalkülrationalität“ verstanden. 112<br />

Der instrumentelle Charakter <strong>des</strong> <strong>Krieges</strong>, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen<br />

(Clausewitz), wechselt im <strong>Partisanen</strong>krieg zum existentiellen Zug: der Partisan wird stets<br />

„zum Medium, in dem eine politische Gemeinschaft neu entsteht“ 113 . Selbst der Widerstand<br />

gegen <strong>die</strong> Modernisierung erweist sich selbst als „eine dramatische Beschleunigung <strong>die</strong>ser<br />

Modernisierung.“ 114 Als <strong>die</strong> Heimat der afghanischen <strong>Partisanen</strong> zerstört war <strong>und</strong> sie in<br />

Flüchtlingslagern lebten, konnten nun Islamisten ihnen ihre Ideologie implantieren.<br />

Deswegen unterliege das Kissinger-Wort, dass der Partisan, um zu siegen, nur nicht zu<br />

verlieren brauche, einer Einschränkung: „Der Partisan der Tradition unterliegt selbst dort,<br />

wo er militärisch siegt.“ 115<br />

2Terrorismus <strong>und</strong> Guerillakrieg<br />

Münklers zweites Augenmerk gilt daneben der Eigenart <strong>des</strong> Terrorismus: hierbei<br />

werden Guerillakrieg <strong>und</strong> Terrorismus als direkte bzw. indirekte, defensive bzw. offensive<br />

Strategien unterschieden. Quer liegt der Offensiv-Defensiv-Code der Unterscheidung<br />

Guerilla-Terrorismus zum Code der Unterscheidung <strong>Partisanen</strong> der Tradition – <strong>Partisanen</strong><br />

der Revolution: Differenzieren muss man wohl nach politische Einstellungen innerhalb<br />

einer asymmetrischen Strategie einerseits gegenüber der Auswahl unter Strategien<br />

andererseits. So ergibt sich auch kein Widerspruch.<br />

Münkler plä<strong>die</strong>rt – ab einer bestimmten Größe <strong>und</strong> verfeinerten Logistik <strong>des</strong> Netzwerks<br />

– für <strong>die</strong> Anerkennung <strong>des</strong> Terrorismus als politisch-militärische Strategie, anstatt sie als<br />

Form organisierter Kriminalität zu unterschätzen. Abgrenzen lassen sich Terrorismus <strong>und</strong><br />

Kriminalität – bei<strong>des</strong> gegen Gesetze verstoßende Handlungszusammenhänge – durch <strong>die</strong><br />

„inten<strong>die</strong>rbare oder nicht-inten<strong>die</strong>rbare Verallgemeinerungsfähigkeit von<br />

Handlungsmaximen“ 116 .<br />

Guerillakrieg wie Terrorismus verfolgen eine „strategische Asymmetrisierung als<br />

Reaktion auf asymmetrische Konflikte“ 117 , seien dabei aber wesentlich unterscheidbar. In<br />

Anlehnung an Fromkin grenzt Münkler Terrorismus <strong>und</strong> Guerillakrieg nach den<br />

inten<strong>die</strong>rten physischen bzw. psychischen Folgen ab: Der Terrorismus „erreicht (sein) Ziel<br />

nicht durch (seine) Handlungen, sondern durch <strong>die</strong> Reaktion auf (seine) Handlungen.“ 118<br />

Anlehnungmacht, sonst gelte: „Guerilla minus Große Strategie bleibt nur Bürgerkrieg ohne angebbares<br />

Ende.“<br />

111 Münkler, Die Gestalt, S. 26ff, 32f.<br />

112 Münkler, Partisan 1992 I S. 125. In <strong>die</strong>sem Sinne ist Schmitt sicherlich anti-bürgerlich, weil anti-rationaltechnisch-nutzenmaximierend,<br />

eben politisch! Auf den „Begriff <strong>des</strong> Politischen“ bezogen beschreibt<br />

Hofmann <strong>des</strong>sen „irrationale(...) Bürgerkriegslehre“ als „zur marxistischen Klassenkampftheorie ...<br />

bürgerliches Gegenstück“ (Legitimität [Fn. X], S. 118). Damit ist <strong>Schmitts</strong> Partisan als gerade aus der<br />

bürgerlichen Sphäre/Epoche geborenes Phänomen zu verstehen. Bürger also als politischer<br />

Besitzindividualist, Staatsbürger, verstanden. Ohne <strong>die</strong> These selbst bestreiten zu wollen, ist eine<br />

Abwendung von Münklers Bürger-Begriff nicht notwendig mit gewalttätig-insurgentem Ausgang aus der<br />

Gesellschaft verb<strong>und</strong>en.<br />

113 Münkler, Die Gestalt, 28. Im frühen Werk Ernst Jüngers kann man sehen, dass auch Soldaten von<br />

existentiellen Einstellungen getragen sein können.<br />

114 Münkler, Die Gestalt, 29.<br />

115 Münkler, <strong>Partisanen</strong> der Tradition, S. 140.<br />

116 Münkler, Guerillakrieg, 307.<br />

117 Münkler, Merkur 2002, 8ff.<br />

118 David Fromkin, Die Strategie <strong>des</strong> Terrorismus, in: Manfred Funke (Hrsg.) Terrorismus, Düsseldorf 1977,<br />

S. 93; s. auch Bruce Hoffmann, Terrorismus – der unerklärte Krieg, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2002, S. 56.<br />

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