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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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der <strong>die</strong> Bedeutung <strong>des</strong> Einzelnen erheblich herabminderte, 16 sich einem – wenngleich durch<br />

den Raum vermittelten – Individualismus zuwendet. Dies sind alles unterstellte<br />

Einholungen der prä-geschichtlichen Schmitt-Phasen: Ihre Relevanz wird zu klären sein.<br />

Denkt man sich auch <strong>die</strong> Kontroverse um <strong>Schmitts</strong> Etatismus hinweg, bleibt Schmitt als<br />

Denker einer sinnhaften „Einheit von Ordnung <strong>und</strong> Ortung“ 17 . Schmitt denkt – zumin<strong>des</strong>t<br />

seit 1939 mit Bodenhaftung – von der (gefährdeten) Ordnung her. In der <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Partisanen</strong> stellt er aber das Infragestellen der Ordnung, das Chaos <strong>des</strong> Irregulären wider<br />

<strong>die</strong> – allerdings illegitime, bodenfremde – Ordnung: Legitimität <strong>und</strong> Ordnung können sich<br />

widersprechen. Die darin liegende Gefahr der Auflösung jeglicher Ordnung im Namen der<br />

Legitimität hat Schmitt im von Technik <strong>und</strong> Revolution entfesselten <strong>Partisanen</strong> erkannt.<br />

Werkimmanente Ironie hat, dass <strong>die</strong> Aporien <strong>des</strong> liberalen, staatsrechtlichen Positivismus<br />

sich jenseits der Legalität nun beim <strong>Schmitts</strong>chen Legitimitätsdenken wiederfinden. Denn<br />

ist der Partisan nicht – grob parallelisierend – der Ausnahmezustand nicht nur der legalen,<br />

sondern auch der illegitimen Ordnung, jeglicher Ordnung? Bleibt Ordnung den<br />

„Friedfertigen“ 18 dann nur ein leeres Versprechen? Schmitt könnte hier entgegnen, <strong>die</strong>sem<br />

leeren Schema liege doch nur <strong>die</strong> liberale Auseinanderdivi<strong>die</strong>rung von Recht <strong>und</strong> Gesetz<br />

zugr<strong>und</strong>e. Zu prüfen bleibt auch hier, ob Ausnahmezustand <strong>und</strong> <strong>Partisanen</strong>tum zusammen<br />

gedacht werden können. 19<br />

Schmitt stellte seine Schrift als „Zwischenbemerkung zum Begriff <strong>des</strong> Politischen“ in<br />

das Jahr 1963. Man mag <strong>die</strong> Verknüpfung „<strong>Theorie</strong>“ – „Zwischenbemerkung“ als<br />

bescheidenes Diminutivum zu <strong>Schmitts</strong> sonstigem Anspruch verstehen, letztgültige<br />

Begriffe <strong>und</strong> Begriffspaare für <strong>die</strong> Arbeit der Rechtswissenschaft aufzufinden 20 . Die<br />

<strong>Schmitts</strong>che Selbstbeschränkung passt auch zu der Vorstellung, das Werk nach 1945 als<br />

solipsistischen Kommentar zu den früheren Schriften zu begreifen 21 . Allerdings ist <strong>die</strong><br />

<strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> auch als apologetische Selbstinszenierung gewertet worden. 22 Die<br />

damals dauernden Kämpfe gegen den Kolonialismus mögen <strong>die</strong> Okkasionen geliefert<br />

haben, seine Betrachtungen „in <strong>die</strong> Waagschale der Zeit“ zu werfen 23 . Trotzalledem, trotz<br />

aller für Schmitt charakteristischen „Konkretheit“, entgegen dem Moment der inhaltsarmen<br />

16 Der Wert <strong>des</strong> Staates <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bedeutung <strong>des</strong> Einzelnen, 2. Auflage, Berlin 2004.<br />

17 Schmitt, Nomos (Fn. X), „Das Recht als Einheit von Ordnung <strong>und</strong> Ortung“, 1. einleiten<strong>des</strong> Corollarium,<br />

S. 13ff.<br />

18 <strong>Carl</strong> Schmitt, Nomos der Erde, Vorwort, 2. Seite.<br />

19 Seubert, Fragen (Fn. 13), IV. entdeckt im faszinierenden Zwilling Ausnahmezustand-Partisan <strong>die</strong> Quelle<br />

linksschmittianischer Rezeption; vgl. hierzu auch Herfried Münkler, Sehnsucht nach dem<br />

Ausnahmezustand, in: Reiner Steinweg (Red.), Faszination der Gewalt, Frankfurt a.M. 1983, S. 60ff. Hans<br />

Ulrich Scupin, Besprechung der <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong>, Der Staat 5 (1966), 245, würdigt <strong>Schmitts</strong><br />

Beschäftigung mit „Zerfall <strong>und</strong> Übergang“, „ohne daß er der Fascination der Dynamik solcher<br />

Entwicklung erlegen wäre“.<br />

20 Julien Fre<strong>und</strong>, Der Partisan oder der kriegerische Friede, in: Complexio Oppositorum, S. 389f.. Die<br />

<strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> entspräche nicht einmal dem Rang eines Corollariums: Schmitt, <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Partisanen</strong> (Fn. x), Vorwort. Auffallend ist auch – das mag <strong>die</strong> Bedeutung der Schrift in <strong>Schmitts</strong> Werk<br />

widerspiegeln –, dass <strong>die</strong> Sek<strong>und</strong>ärliteratur zur <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> auch eher notizhaften Charakter<br />

trägt. Bei Llanque, Träger (Fn. X), S. 61, hat <strong>die</strong> <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong> „den Charakter eines<br />

eigentümlichen, vielleicht originellen Nebenproduktes“.<br />

21 Nicolaus Sombart, <strong>Carl</strong> <strong>Schmitts</strong> Endspiel: Der Partisan, in: ders., Nachdenken über Deutschland. Vom<br />

Historismus zur Psychoanalyse, München/Zürich 1987, S. 197; Paul Noack, <strong>Carl</strong> Schmitt. Eine<br />

Biographie, Berlin/Frankfurt a.M. 1993, S. 302; apologetische Kreisvollendung: Helmut Ridder,<br />

Schmittiana (II). Die Fre<strong>und</strong>-Feind-Doktrin – Der Begriff <strong>des</strong> Politischen – <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong>, Neue<br />

Politische Literatur 12 (1967), 141.<br />

22 Helmut Ridder, Ex oblivione malum. Randnoten zum Partisanprogreß, in: Heinz Maus (Hrsg.),<br />

Gesellschaft, Recht <strong>und</strong> Politik. Wolfgang Abendroth zum 60. Geburtstag, Neuwied/Berlin 1968, S. 309,<br />

327.<br />

23 <strong>Carl</strong> Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, Vorwort, S. 8; Karl Löwith, Der okkasionelle<br />

Dezisionismus von <strong>Carl</strong> Schmitt. in: Sämtliche Schriften, Band 8 (Heidegger), Stuttgart 1984, S. 32ff.<br />

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