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Carl Schmitts Theorie des Partisanen und die Hegung des Krieges

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Der Waldgänger ficht zwar nicht nach Kriegsrecht, aber auch nicht kriminell.<br />

Ebensowenig ist seine Disziplin soldatisch, <strong>und</strong> <strong>die</strong>se Tatsache setzt eine starke,<br />

unmittelbare Führung voraus. ... Er führt den kleinen Krieg entlang der<br />

Schienenstränge <strong>und</strong> Nachschubstraßen, bedroht <strong>die</strong> Brücken, Kabel <strong>und</strong><br />

Depots. ... Der Waldgänger besorgt <strong>die</strong> Ausspähung, <strong>die</strong> Sabotage, <strong>die</strong><br />

Verbreitung von Nachrichten in der Bevölkerung.“ 247<br />

Die bekannte Figur <strong>des</strong> interessierten Dritten findet sich auch wieder:<br />

„Im Weltbürgerkrieg muß jeder Angreifer damit rechnen, daß sein Hinterland<br />

schwierig wird. ... Das heißt, daß der Waldgänger, wenn nicht mit direkter<br />

Unterstützung, so doch auf Bewaffnung, Versorgung <strong>und</strong> Nachschub durch eine<br />

Weltmacht rechnen kann. Aber er ist nicht Parteigänger.“ 248<br />

Der Waldgänger ist aber nicht Partisan, obwohl beiden Technik <strong>und</strong> Ideologie <strong>die</strong><br />

Identität raubt. Der Waldgänger folgt nicht wie der Partisan der Logik von Terror <strong>und</strong><br />

Gegenterror, er setzt dem Schrecken ein Ende. Hierin liegt auch <strong>die</strong> Berechtigung, Jünger<br />

von Schmitt zu trennen, Jünger als optimistischer als Schmitt zu kennzeichnen. 249 Jünger<br />

beschränkt sich auf eine ethische Sphäre <strong>des</strong> anthropologischen Konzentrats. Die<br />

Verbindung zur Natur ist Jünger lediglich Symbol; der Wald ist daher nicht Rechtsquelle<br />

selbst wie bei Schmitt der Raumakt. Den Waldgänger könnte man in <strong>Schmitts</strong>cher Diktion<br />

als ontonom bezeichnen. Dem Waldgänger wie dem <strong>Partisanen</strong> erlauben Legitimitäten, <strong>die</strong><br />

antagonistisch zur herrschenden Ordnung stehen, Widerstand. Bei Jünger ist <strong>die</strong> ideelle<br />

Sphäre der personal sich vermittelnden Freiheit der Brunnen <strong>des</strong> Rechts. Für Schmitt aber<br />

ist der Boden <strong>die</strong> Wirklichkeit <strong>des</strong> Rechts; er denkt nicht gr<strong>und</strong>sätzlich von der Person,<br />

sondern vom Politischen her. 250<br />

Eher scheint Schroers’ „Der Partisan“ einen stärkeren Bezug zur <strong>Theorie</strong> <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong><br />

aufzuweisen. Zwar lehnt Schmitt <strong>des</strong>sen <strong>Theorie</strong> insoweit ab, als sie ihm den illegalen<br />

Widerstandskämpfer ins Zentrum stellt, er aber das Irregulär-militärische hervorheben<br />

möchte, das sich in den nationalen Unabhängigkeitskriegen gegen Napoleon gezeigt haben<br />

soll (S. 24 <strong>und</strong> Fn. 13). Gleichwohl steht auch der Schroers’sche Partisan in einer „auf<br />

Gewissen, Art <strong>und</strong> Heimat gegründete(n) Welt“ 251 . Es ist auch nicht einsichtig, warum der<br />

illegale Widerstandskämpfer gegen den Usurpator in Verbindung mit der Heimat nicht ein<br />

Vergleichbares wie das Defensiv-Tellurische bei Schmitt bedeuten soll. Allerdings trennt<br />

Schmitt auch von Schroers scharf <strong>des</strong>sen ethische „Singularität <strong>des</strong> <strong>Partisanen</strong>“ 252 , der<br />

Partisan ist ein schillern<strong>des</strong> Chamäleon, das sich in nur in einer Kippfigur präsentiert, <strong>die</strong><br />

„letzte <strong>und</strong> äußerste Verwirklichung menschlicher Existenz“ 253 : Der Schroers’sche Partisan<br />

kämpft für sein existenzielles Recht, er verkörpert <strong>die</strong> absolute Selbstbehauptung, was<br />

wiederum eine Verwandtschaft zu Jünger aufzeigen würde.<br />

Der <strong>Schmitts</strong>che Partisan behauptet seinen Boden, <strong>die</strong> einzige autochthone Verortung,<br />

<strong>die</strong> ihm zwischen Metaphysik <strong>und</strong> Technik verbleibt. Schmitt überträgt damit einen<br />

Gedanken, mit dem er <strong>die</strong> Eigenständigkeit der Rechtswissenschaft bewahren wollte, auf<br />

Bevölkerungen unter fremder Herrschaft. Einen konsequent politischen bzw. ethischen<br />

Individualismus hält Schmitt also – im Gegensatz zu Jünger <strong>und</strong> Schroers – nicht durch:<br />

Der Partisan ist wohl letztlich nur ein – theoretisch durchgespieltes – Phänomen <strong>des</strong><br />

247 Jünger, Waldgang, S. 74f.<br />

248 Jünger, Waldgang, S. 76.<br />

249 Münkler, Partisan 1992 I, S. 120.<br />

250 Vom Staat her: Alexander Burkhardt, Die Innenseite der Macht. Zum Partisanischen bei Ernst Jünger, In:<br />

Herfried Münkler (Hrsg.), Der Partisan, Opladen 1990, S. 252.<br />

251 Schroers, Der Partisan, S. 21.<br />

252 Grünberger, Kippfigur, S. 45.<br />

253 Schroers, Der Partisan, S. 9.<br />

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