03.01.2013 Aufrufe

St. Galler Wörterbuch - mathematical semiotics

St. Galler Wörterbuch - mathematical semiotics

St. Galler Wörterbuch - mathematical semiotics

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

überregionalen Ausgleich der Dialekte, damit aber gleichzeitig zu einem Verlust der auf<br />

dem Dialekt basierten sprachlichen Identität. Würde man also versuchen, den heute gesprochenen<br />

<strong>St</strong>adtsanktgaller Dialekt darzustellen, so wäre dieser Versuch höchstens aus<br />

soziolinguistischer, jedoch keinesfalls aus dialektologischer Sicht sinnvoll, denn praktisch<br />

sämtliche Lauterscheinungen, Flexionsformen, Wörter und syntaktischen Konstruktionen,<br />

die für den originalen <strong>St</strong>adtsanktgaller Dialekt typisch waren, sind inzwischen verloren<br />

gegangen. Etwas überspitzt gesagt: Was vom ursprünglichen <strong>St</strong>adtsanktgallischen heute<br />

noch übrig geblieben ist, sind vor allem die Senkungen von u zu o (Wurst > Woorscht)<br />

und von i zu e (finden > fende) einerseits sowie der Verlust der überoffenenen e- (Chäller<br />

> Cheller) und o-Lautungen (Porodeplotz > Paradeplatz), die wir etwa im handschriftlichen<br />

Idiotikon der <strong>St</strong>adt <strong>St</strong>. Gallen von 1790, das sich in der Vadiana befindet, nachprüfen<br />

können.<br />

Will man hingegen das Charakteristische des <strong>St</strong>adtsanktgaller Dialektes darstellen, d.h. all<br />

jene phonetischen, morphologischen, lexikalischen und syntaktischen Merkmale, durch<br />

die sich das <strong>St</strong>adtsanktgallische nicht nur vom Hochdeutschen, sondern vor allem von<br />

seinen benachbarten Schweizer Dialekten unterscheidet, dann ist man somit gezwungen,<br />

den Dialekt so darzustellen zu versuchen, wie er um 1900, also vor rund hundert Jahren,<br />

gesprochen wurde. Nun ist das <strong>St</strong>adtsanktgallische, wie bereits angedeutet, gerade für die<br />

Zeit um 1900 sehr gut dokumentiert, denn nicht nur entstanden um diese Zeit die phonetischen<br />

Aufnahmen Hausknechts für dessen Dissertation und einige wenige Mundarttexte,<br />

sondern auch die Sprache, die Frida Hilty Gröbly in ihrem Büchern benützt, ist eine bereits<br />

damals archaisierende Sprache, die zwar noch zur Jugendzeit der Verfasserin, aber nicht<br />

mehr zur Zeit der Niederschrift ihrer Erinnerungen gesprochen wurde. Indem sich das<br />

vorliegende Buch auf die um 1900 in der <strong>St</strong>adt <strong>St</strong>. Gallen gesprochene Sprache beschränkt<br />

und somit einen synchronen Schnitt rekonstruiert, entgeht es dem bekannten Einwand<br />

gegen Wörterbücher im allgemeinen, den ein bekannter Sprachwissenschaftler dadurch<br />

ausgedrückt hatte, daß er sie als „Diachronien in synchronem Gewande“ bezeichnete,<br />

denn die vorliegende Arbeit enthält ausschließlich Wörter und weitere sprachliche Eigenheiten,<br />

die sich im genannten sprachlichen Corpus finden. Die weggelassenen Wörter, d.h.<br />

all diejenigen, welche sich auch in den Nachbardialekten finden oder sogar gesamtschweizerdeutsch<br />

sind – findet man in den leicht erreichbaren übrigen schweizerdeutschen<br />

Dialektwörterbüchern.<br />

Für das vorliegende Buch habe ich mich entschlossen, eine vereinfachte phonetische<br />

Transkription zu benutzen, da keine Orthographie – auch nicht diejenige, die Frida Hilty<br />

Gröblys Ehemann Dr. Hans Hilty in der Form der reduzierten Diethschen Umschrift für die<br />

4

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!