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Extreme Formen von Gewalt in Bild und Text des Altertums

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Andreas Fuchs<br />

abgesehen <strong>von</strong> Essen, Tr<strong>in</strong>ken, S<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Beten, was jedoch schwerlich<br />

den Erwartungen genügen konnte, die traditionsgemäß an e<strong>in</strong>en König<br />

<strong>und</strong> Helden gerichtet waren. Bevor der eigentliche Triumph gefeiert werden<br />

konnte, musste er <strong>des</strong>halb jetzt wenigstens symbolisch se<strong>in</strong>e tödliche<br />

Kraft unter Beweis stellen. Von der Unschädlichkeit <strong>des</strong> Gegners nunmehr<br />

restlos überzeugt, fiel ihm das auch nicht weiter schwer, <strong>und</strong> er entledigte<br />

sich se<strong>in</strong>er Heldenpflicht, <strong>in</strong>dem er mit se<strong>in</strong>em Dolch an dem Schädel herumschnitt<br />

<strong>und</strong> ihn aufs tapferste bespuckte. 84<br />

Als e<strong>in</strong> wahrer Fre<strong>und</strong> nicht alle<strong>in</strong> physischer, sondern auch psychischer<br />

Grausamkeit ließ er all das die beiden letzten Gesandten <strong>des</strong> Te‘umman<br />

mitansehen, die sich <strong>in</strong> Erwartung e<strong>in</strong>er Antwort auf das letzte Schreiben<br />

ihres Herrn noch immer <strong>in</strong> N<strong>in</strong>ive aufhielten. Möglicherweise hatte man<br />

sie bis dah<strong>in</strong> über den Ausgang <strong>des</strong> Krieges absichtlich im Unklaren gelassen,<br />

jedenfalls war der Schock, war ihr Entsetzen so groß, dass e<strong>in</strong>er der<br />

beiden spontan e<strong>in</strong>en erfolglosen Selbstmordversuch unternahm. 85<br />

84 R. Borger [1996] S. 301 Nr. 10–11 bzw. O. Kael<strong>in</strong> [1999] S. 120 TD A 1–2 <strong>und</strong> S. 124 TD E<br />

3. Zur Lage <strong>des</strong> Stadttores siehe J. Reade [1998–2001] S. 390 <strong>und</strong> S. 401 Gate 2. Die Interpretation<br />

<strong>von</strong> D. Bonatz [2003], der zufolge das Ende <strong>des</strong> Te‘umman im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Kopfjagd (headhunt)<br />

zu deuten wäre, kann nicht überzeugen, weil sich die Def<strong>in</strong>ition <strong>des</strong> ›headhunt<strong>in</strong>g‹, die er<br />

se<strong>in</strong>em Artikel beigegeben hat, auf das assyrische Fallbeispiel nicht anwenden lässt. Dort heißt<br />

es: »In contemporary anthropology, headhunt<strong>in</strong>g is def<strong>in</strong>ed as an organized, coherent form of<br />

violence <strong>in</strong> which the severed head is given a specific ritual mean<strong>in</strong>g and the act of head-tak<strong>in</strong>g<br />

is consecrated and commemorated <strong>in</strong> some form« (D. Bonatz [2003] S. 99). Erstens verfolgten<br />

assyrische Feldzüge nicht das vorrangige Ziel, nach Köpfen zu jagen; zweitens bildet das assyrische<br />

Relief den tatsächlichen Akt der Enthauptung im chaotischen Gewühl der Schlacht ab, sie<br />

billigt dieser Handlung weder e<strong>in</strong>en zeremoniellen Rahmen zu, noch den Status e<strong>in</strong>er religiösen<br />

Handlung, stellt den Vorgang vielmehr als das unwürdige <strong>und</strong> elende, aber gerade <strong>des</strong>halb passende<br />

Ende <strong>des</strong> Gegners dar; drittens erschöpft sich die rituelle Bedeutung <strong>des</strong> Kopfes lediglich dar<strong>in</strong>, bei<br />

der Danksagung an die Götter als sichtbarer Ausdruck <strong>des</strong> Erfolges zu dienen. Und viertens zeigt<br />

das Beispiel <strong>des</strong> Dunanu (s. u.) <strong>und</strong> der übrigen später auf so fürchterliche Weise h<strong>in</strong>gerichteten<br />

Rebellen, dass es Assurbanipal allemal lieber war, se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de lebend <strong>in</strong> die F<strong>in</strong>ger zu bekommen:<br />

Im Falle <strong>des</strong> Te’umman musste er sich wohl oder übel mit <strong>des</strong>sen Kopf begnügen, weil dieser das<br />

E<strong>in</strong>zige war, was er kriegen konnte. Somit verbleibt <strong>von</strong> der zitierten Def<strong>in</strong>ition die Verewigung<br />

<strong>des</strong> Enthauptungsaktes als das e<strong>in</strong>e <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zige Merkmal der Kopfjagd, das sich <strong>in</strong> Assurbanipals<br />

Selbstdarstellung voll <strong>und</strong> ganz wiederf<strong>in</strong>det, <strong>und</strong> das reicht schwerlich aus, die Anwendung <strong>des</strong><br />

Begriffes ›headhunt<strong>in</strong>g‹ zu rechtfertigen.<br />

85 R. Borger [1996] S. 227 B § 37 <strong>und</strong> S. 301 Nr. 12 bzw. O. Kael<strong>in</strong> [1999] S. 120 TD A2 3 <strong>und</strong><br />

S. 124 TD E 4.<br />

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