literatur & film - Auslandsösterreicher-Weltbund
literatur & film - Auslandsösterreicher-Weltbund
literatur & film - Auslandsösterreicher-Weltbund
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
schwerpunkt-thema<br />
der österreichische <strong>film</strong><br />
Ein Scheinwerfer auf die lange Geschichte – über die Ursprünge und die Renaissance der<br />
internationalen Filmszene sowie ihre berühmten und wichtigsten Protagonisten.<br />
© Aichholzer Film<br />
And the oscar goes to … Stefan Ruzowitzky, für den besten fremdsprachigen Film „Die Fälscher“.<br />
ie ersten Filmenthusiasten der Welt<br />
Dstammten aus der österreichisch-ungarischen<br />
Monarchie. Im ersten Jahrzehnt<br />
des 20. Jahrhunderts gab es praktisch<br />
keine „österreichische“ Filmszene in Wien.<br />
Dieser Umstand unterstützte die multikulturelle<br />
Popularität eines breiten Angebots<br />
früher Filmwerke, die in Wanderkinos im<br />
gesamten Kaiserreich zu sehen waren.<br />
Das Kino Erika wurde 1900 oder 1909 im<br />
siebten Bezirk in Wien eröffnet (hierzu<br />
gibt es widersprüchliche Aufzeichnungen).<br />
Es war der älteste Kinosaal der Welt, bis<br />
zu seiner Schließung im Jahr 1999. Bereits<br />
im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs<br />
gab es in Wien über 150 Kinos. In<br />
den Landeshauptstädten entwickelten<br />
sich die Kinozelte immer mehr zu Kinosälen<br />
und das Edison-Kino in Graz übertrumpfte<br />
sogar die Konkurrenz in Wien mit<br />
einer der größten Filmleinwände in ganz<br />
Europa.<br />
Obwohl man in Wien eher <strong>film</strong>ische Operetten<br />
vermuten würde, waren die ersten<br />
Stumm<strong>film</strong>e mehrheitlich sozialkritische<br />
Melodramen und stammten von einem der<br />
ersten weiblichen Pioniere des Kinos:<br />
Louise Veltée-Kolm. Mit ihren beiden Männern,<br />
Anton Kolm und Jakob Fleck, war sie<br />
gleichzeitig Autorin, Produzentin, Regisseurin<br />
und auch für den Filmschnitt verantwortlich<br />
und gründete 1910 in Wien das<br />
erste Filmstudio. Während des Ersten<br />
Weltkrieges spezialisierte sich das Veltée-<br />
Kolm-Studio auf patriotische Melodramen<br />
wie „Mit Herz und Hand fürs Vaterland“<br />
(1915). Die Musik für diesen Film kam von<br />
Operettenkomponist Franz Lehár und die<br />
Hauptrolle war mit Liane Haid besetzt, Österreichs<br />
erstem Filmstar. Louise Veltée-<br />
Kolms Konkurrent, Sascha Graf Kolowrat,<br />
konzentrierte sich auf Kriegsberichterstattung.<br />
Bereits 1916 hatte er mit dem<br />
„Sascha-Kriegswochenbericht“ ein Mono-<br />
Robert Dassanowsky<br />
pol auf diese Art der Wochenschau-Produktion.<br />
Nach dem Krieg und mit der<br />
Gründung der ersten österreichischen Republik<br />
begann Kolowrat mit seiner Produktionsfirma<br />
„Sascha Film“ österreichische<br />
Nachkriegs<strong>film</strong>e erfolgreich für ein breites<br />
Publikum zu produzieren. Von diesem<br />
Erfolg motiviert, drehten ungarische Regisseure<br />
wie Mihály Kertesz (später als<br />
Michael Curtiz auch in Hollywood erfolgreich)<br />
und Sandor Korda (der spätere britische<br />
Produzent Sir Alexander Korda)<br />
biblische Monumental<strong>film</strong>e für die Kolowrat-<br />
und Veltée-Studios, darunter auch<br />
„Sodom und Gomorrha“ (1922), „Samson<br />
und Delila“ (1922) und „Die Sklavenkönigin“<br />
(1924). Für diese Filme waren nicht<br />
nur extrem viele Statisten notwendig, sondern<br />
auch enorm viele Kameramänner.<br />
Dieser massive Personalaufwand für eine<br />
monumentale Stumm<strong>film</strong>produktion in<br />
Wien war nur aufgrund der Inflation und<br />
der Arbeitslosigkeit zur Zeit der ersten Republik<br />
möglich, ganz im Gegensatz zur<br />
damals bereits florierenden Filmindustrie<br />
in Hollywood. Kolowrat beschäftigte Handwerker<br />
für seine Kulissen, Techniker,<br />
Tischler, Schlosser, Requisiteure und Pyrotechniker.<br />
Er baute Werkstätten, in denen<br />
hunderte Männer und Frauen an Kostümen,<br />
Perücken, Bärten, Sandalen,<br />
Schmuck, Flaggen, Bannern und diversen<br />
Ausrüstungen arbeiteten. Tausende Arbeitslose<br />
und deren Kinder wurden täglich<br />
für ihre Arbeit an Filmen bezahlt. Kolowrat<br />
nutzte auch den Großteil der in Wien ansässigen<br />
Filmteams, von Kameramännern<br />
über Friseure und Visagisten bis zu<br />
Schneidern, außerdem deren Assistenten.<br />
Beeinflusst von den großen Hollywood-<br />
Produktionen eines D. W. Griffith konnten<br />
sich diese <strong>film</strong>ischen Meilensteine von<br />
Kertesz und Korda schließlich auch mit<br />
den Großproduktionen von Cecil B. De-<br />
Mille am internationalen Markt messen.<br />
16 www.weltbund.at ROTWEISSROT