literatur & film - Auslandsösterreicher-Weltbund
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Paul flora 1922–2009<br />
ROTWEISSROT www.weltbund.at<br />
kultur<br />
„… ich habe mich immer als Zeichner verstanden und fand es gleichgültig, was ich zeichnete,<br />
sofern es Qualität hatte …“ (Paul Flora).<br />
enige Künstler unserer Tage haben<br />
W einen Bekanntheitsgrad wie Paul<br />
Flora. Er war ungemein beliebt, er war<br />
Ehrenbürger beider Hälften des geteilten<br />
heiligen Landes Tirol.<br />
Am 29. Juni 1922 als eines von sieben<br />
Kindern in Glurns im Vinschgau in Südtirol<br />
geboren, übersiedelte er mit seiner Familie<br />
im Alter von sechs Jahren nach Innsbruck,<br />
wo er nach eigenem Bekunden<br />
„eher hastig und beiläufig erzogen wurde,<br />
ein schwieriges Kind war und mehrere interessante<br />
Komplexe bekam, welche seither<br />
meine Geschäftsgrundlage bilden“.<br />
Immer noch, auch jetzt, nach seinem Tod,<br />
löst sein Name reflexhaft Assoziationen<br />
aus. Er war der treffsichere Karikaturist,<br />
der spitzfedrige Zeichner, der wie kein anderer<br />
mit der „Alttyroler“ Typologie umging,<br />
der auf eine liebenswerte Weise in<br />
unsere kakanische Vergangenheit eintauchte,<br />
der in der Graphischen Verfremdung<br />
das wahre Venedig hinter dem Postkartenglanz<br />
sichtbar machte. Alles das ist<br />
Paul Flora und doch ist er viel mehr. Der<br />
erste Augenschein seiner Arbeiten lässt<br />
es schon erahnen, beim genauen Hinsehen,<br />
beim Bemühen um die Details, um<br />
die Stimmungen, um die Hintergründe gerät<br />
die Ahnung zum Wissen: Hier zeichnet<br />
ein Philosoph, hier philosophiert ein Zeich-<br />
© Galerie Seywald (2)<br />
Der junge Paul Flora beim Zeichnen.<br />
Virtueller Rundgang durch das Paul-Flora-Museum im Internet: www.paulfloramuseum.org.<br />
ner. Schon in seinen politischen Karikaturen,<br />
die Flora über lange Jahre (1957–<br />
1971) für die Hamburger Wochenzeitung<br />
„Die Zeit“ anfertigte, wurde diese grundsätzliche<br />
Dimension spürbar. Es waren<br />
Tagesarbeiten, die aber über den Tag hinaus<br />
ihre Gültigkeit bewahrten.<br />
Flora selbst sah sich ja damals schon als<br />
„Zeichner, der imstande ist, Karikaturen<br />
anzufertigen“. Und so waren seine Karikaturen<br />
auch – bei allem Witz – immer mehr<br />
als rasch konsumierbare Pointen zum Tagesgeschehen,<br />
nämlich zeichnerische<br />
Parabeln des ewig gleichen Weltgeschehens,<br />
das er humorvoll durchschaute und<br />
beschrieb, verständnisvoll den Schwächen<br />
der Menschen gegenüber, melancholisch<br />
die Unveränderbarkeit dieser Schwächen<br />
registrierend. So sah ihn auch Marion Gräfin<br />
Dönhoff, die Herausgeberin der „Zeit“:<br />
„Er stand augenzwinkernd und ein wenig<br />
amüsiert außerhalb – so ein bisschen wie<br />
der liebe Gott.“<br />
Aber auch mit diesen Charakteristika ist<br />
Paul Flora nicht ausgelotet. Im Befragen<br />
jeder Realität, in einer Dimension, der<br />
auch mit Vokabeln wie okkult, dämonisch<br />
oder absurd nicht beizukommen ist, liegt<br />
Günter Düriegl<br />
die Besonderheit einer Figuren- und Gedankenwelt,<br />
die mit der eines Fritz von<br />
Herzmanowsky-Orlando oder eines Alfred<br />
Kubin, zwei Künstlern, denen er sich<br />
eng verbunden fühlte, kommuniziert. In<br />
der Faszination des Morbiden, des Vergangenen,<br />
in der zwei- und dreifachen<br />
Reflexion, die er damit dem Betrachter<br />
bietet, wird dieses denkerische und grüblerische<br />
Element Floras sichtbar. Hinter all<br />
diesen Chiffren einer vergangenen Welt,<br />
hinter all den Metaphern und Skurrilitäten<br />
verbirgt sich ein klarer Blick, der gleichnishaft<br />
unser aller Schicksal festhält – oder<br />
wie Friedrich Dürrenmatt meint: „Die Gegenwart<br />
liest sich aus ihrer Vergangenheit<br />
ab. Flora schreitet rückwärts in die<br />
Zukunft.“<br />
Nicht zuletzt war aber Flora auch ein<br />
Erzähler, wenngleich mit zeichnerischen<br />
Mitteln. Hinter seinen Figuren tun sich<br />
ganze Assoziationsketten auf, Humoresken,<br />
Sagen, Schnurren, Legenden verdichten<br />
sich zu einem kosmischen<br />
Geschichts- und Geschichtenbuch. „Flora<br />
ist ein Bildschriftsteller. Er ist ein Literat“,<br />
meinte dazu Erich Kästner. Paul Flora<br />
starb am 15. Mai 2009 in Innsbruck. �<br />
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