Rio+20 Report - Terre des Hommes
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Von<br />
Stockholm<br />
nach Rio<br />
Jens Martens | Rio + 20<br />
II. Die Vorgeschichte: 40 Jahre globale<br />
Umwelt- und Entwicklungsdiplomatie<br />
Stockholm und der Beginn globaler<br />
Umweltdiplomatie<br />
Die Vorgeschichte der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung<br />
2012 reicht nicht nur, wie das Kürzel „<strong>Rio+20</strong>“ vermuten<br />
lässt, bis zum ersten Erdgipfel von Rio 1992 zurück. <strong>Rio+20</strong><br />
könnte ebenso gut „Stockholm+40“ heißen, denn bereits<br />
im Jahr 1972 fand in der schwedischen Hauptstadt die erste<br />
Umweltkonferenz der Vereinten Nationen, die United Nations<br />
Conference on the Human Environment, statt. Sie markiert<br />
den Beginn globaler Umweltdiplomatie und führte noch im<br />
selben Jahr zur Gründung <strong>des</strong> Umweltprogramms der Vereinten<br />
Nationen (UNEP).<br />
Im selben Jahr veröffentlichte der Club of Rome seinen bahnbrechenden<br />
<strong>Report</strong> „Die Grenzen <strong>des</strong> Wachstums“, der die<br />
umweltpolitischen Debatten der folgenden Jahre maßgeblich<br />
beeinflusste. Zu dieser Zeit fanden diese noch weitgehend<br />
isoliert vom entwicklungspolitischen Diskurs statt.<br />
Dort dominierten seit den 1950er Jahren wachstumsbasierte<br />
Konzepte nachholender Entwicklung. Zur Überwindung von<br />
„Unterentwicklung“ wurde ein big push ausländischen Kapitals<br />
als Grundvoraussetzung angesehen, um den take off<br />
hin zu dauerhaftem Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.<br />
Diese modernisierungstheoretischen Ansätze wurden in den<br />
1970er Jahren vorübergehend überlagert von Forderungen<br />
nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung und nach globaler<br />
Umverteilung der Ressourcen. Gegen die Stimmen der Industrieländer<br />
setzten die Entwicklungsländer damals in den Vereinten<br />
Nationen eine Reihe von Deklarationen durch, in denen<br />
radikale Veränderungen der weltwirtschaftlichen Strukturen<br />
„beschlossen“ wurden – und die am Ende am Widerstand<br />
10<br />
UN-Konferenz über die<br />
menschliche Umwelt,<br />
5.–16. Juni in Stockholm<br />
Umweltprogramm der<br />
Vereinten Nationen (UNEP)<br />
wird gegründet<br />
der reichen Länder scheiterten. 26 Aber auch diese Konzepte<br />
globaler Umverteilung setzten auf Wachstum. Der Slogan lautete<br />
damals redistribution with growth. Sie standen damit in<br />
deutlichem Kontrast zu den Warnungen <strong>des</strong> Club of Rome.<br />
Erst allmählich begannen interdisziplinäre Auseinandersetzungen<br />
über die gemeinsamen Ursachen von Armut, Umweltzerstörung<br />
und ungerechten Weltwirtschaftsstrukturen.<br />
Als Schlüsseldokument gilt in diesem Zusammenhang die<br />
Cocoyoc-Erklärung, die im Oktober 1974 von Sozial-, Natur-<br />
und Wirtschaftswissenschaftler aus aller Welt bei einem Symposium<br />
im mexikanischen Cocoyoc verabschiedet wurde. Sie<br />
verknüpfte erstmals ökologische und soziale Aspekte gesellschaftlicher<br />
Entwicklung und forderte die Neudefinition von<br />
Entwicklungszielen jenseits der Kategorien wirtschaftlichen<br />
Wachstums. Die Wissenschaftler treffen darin Feststellungen,<br />
die noch heute hochaktuell sind:<br />
“We are all in need of a redefinition of our goals, or new<br />
development strategies, or new lifestyles, including more mo<strong>des</strong>t<br />
patterns of consumption among the rich. (…) The road<br />
forward does not lie through the <strong>des</strong>pair of doomwatching or<br />
through the easy optimism of successive technological fixes.<br />
It lies through a careful and dispassionate assessment of the<br />
‚outer limits‘, through cooperative search for ways to achieve<br />
the ‚inner limits‘ of fundamental human rights, through<br />
the building of social structures to express those rights, and<br />
through all the patient work of devising techniques and styles<br />
of development which enhance and preserve our planetary<br />
inheritance.“ 27<br />
26 Vgl. z.B. die Erklärung der UN-Generalversammlung zur Errichtung einer neuen<br />
Weltwirtschaftsordnung (A/RES/S-6/3201 (S.VI) vom 1. Mai 1974,<br />
www.un-documents.net/s6r3201.htm) und das dazugehörige Aktionsprogramm<br />
(A/RES/S-6/3202 (S-VI) vom 1. Mai 1974, www.un-documents.net/<br />
s6r3202.htm).<br />
27 Zitiert nach: www.unep.org/Geo/geo3/english/045.htm.<br />
1972 1972 1972 1974<br />
Bericht <strong>des</strong> Club of Rome:<br />
„Die Grenzen <strong>des</strong> Wachstums“<br />
Erklärung von Cocoyoc/<br />
Mexiko